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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Zweites Buch. Zweites Capitel.
weser des Reiches bei seinen Lebzeiten, nach seinem Tode
zu seinem Nachfolger ernannt; und in diesen beiden Für-
sten regte sich jetzt wohl wirklich der Gedanke an die
Krone; -- aber der Eine war zu entfernt, der Andre
nicht stark, in seinen eignen Ländern nicht mächtig genug:
man konnte bei Keinem ernstlich verweilen.

Indem nun aber Maximilian sich zuletzt offen für seinen
Enkel, Erzherzog Carl, König von Spanien und Neapel,
verwendete, hatte er einen Vorschlag in Gang gebracht,
der auch an und für sich viel Empfehlendes darbot. Carl
war von deutschem Geblüt, Erbherr in Östreich und so
vielen niederländisch-deutschen Provinzen, aus dem bereits
vorzugsweise kaiserlichen Hause. Allein an Einwendungen
fehlte es doch auch gegen diesen jungen Fürsten nicht.
Man bemerkte, er verstehe nicht einmal deutsch und habe
noch keine Probe persönlicher Tüchtigkeit gegeben; die Menge
seiner Länder werde ihm keine Zeit lassen, sich dem Reiche
zu widmen; jene päpstliche Constitution schließe ihn aus-
drücklich aus. Ja seine Aussichten fiengen sogleich an sich
zu verdunkeln. Die Churfürsten glaubten durch ihre Ver-
sprechungen, wie berührt, nicht gebunden zu seyn; die Toch-
ter Maximilians Margaretha, die jetzt die Unterhandlungen
leitete, hielt es nicht für gut, ihnen die versiegelten Ver-
träge vorzulegen, wie man ihr gerathen hatte; sie begnügte
sich, sie nur im Allgemeinen an ihren guten Willen zu er-
innern. Es kam hinzu, daß nach Maximilians Tode in
Östreich Unruhen von sehr weitaussehender Natur ausbra-
chen, in denen die Stände ihre eigene Regierung einrichteten, 1

1 Narratio de dissensionibus provincialium Austriae: Pez
Scriptt. II,
990.

Zweites Buch. Zweites Capitel.
weſer des Reiches bei ſeinen Lebzeiten, nach ſeinem Tode
zu ſeinem Nachfolger ernannt; und in dieſen beiden Für-
ſten regte ſich jetzt wohl wirklich der Gedanke an die
Krone; — aber der Eine war zu entfernt, der Andre
nicht ſtark, in ſeinen eignen Ländern nicht mächtig genug:
man konnte bei Keinem ernſtlich verweilen.

Indem nun aber Maximilian ſich zuletzt offen für ſeinen
Enkel, Erzherzog Carl, König von Spanien und Neapel,
verwendete, hatte er einen Vorſchlag in Gang gebracht,
der auch an und für ſich viel Empfehlendes darbot. Carl
war von deutſchem Geblüt, Erbherr in Öſtreich und ſo
vielen niederländiſch-deutſchen Provinzen, aus dem bereits
vorzugsweiſe kaiſerlichen Hauſe. Allein an Einwendungen
fehlte es doch auch gegen dieſen jungen Fürſten nicht.
Man bemerkte, er verſtehe nicht einmal deutſch und habe
noch keine Probe perſönlicher Tüchtigkeit gegeben; die Menge
ſeiner Länder werde ihm keine Zeit laſſen, ſich dem Reiche
zu widmen; jene päpſtliche Conſtitution ſchließe ihn aus-
drücklich aus. Ja ſeine Ausſichten fiengen ſogleich an ſich
zu verdunkeln. Die Churfürſten glaubten durch ihre Ver-
ſprechungen, wie berührt, nicht gebunden zu ſeyn; die Toch-
ter Maximilians Margaretha, die jetzt die Unterhandlungen
leitete, hielt es nicht für gut, ihnen die verſiegelten Ver-
träge vorzulegen, wie man ihr gerathen hatte; ſie begnügte
ſich, ſie nur im Allgemeinen an ihren guten Willen zu er-
innern. Es kam hinzu, daß nach Maximilians Tode in
Öſtreich Unruhen von ſehr weitausſehender Natur ausbra-
chen, in denen die Stände ihre eigene Regierung einrichteten, 1

1 Narratio de dissensionibus provincialium Austriae: Pez
Scriptt. II,
990.
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[360/0378] Zweites Buch. Zweites Capitel. weſer des Reiches bei ſeinen Lebzeiten, nach ſeinem Tode zu ſeinem Nachfolger ernannt; und in dieſen beiden Für- ſten regte ſich jetzt wohl wirklich der Gedanke an die Krone; — aber der Eine war zu entfernt, der Andre nicht ſtark, in ſeinen eignen Ländern nicht mächtig genug: man konnte bei Keinem ernſtlich verweilen. Indem nun aber Maximilian ſich zuletzt offen für ſeinen Enkel, Erzherzog Carl, König von Spanien und Neapel, verwendete, hatte er einen Vorſchlag in Gang gebracht, der auch an und für ſich viel Empfehlendes darbot. Carl war von deutſchem Geblüt, Erbherr in Öſtreich und ſo vielen niederländiſch-deutſchen Provinzen, aus dem bereits vorzugsweiſe kaiſerlichen Hauſe. Allein an Einwendungen fehlte es doch auch gegen dieſen jungen Fürſten nicht. Man bemerkte, er verſtehe nicht einmal deutſch und habe noch keine Probe perſönlicher Tüchtigkeit gegeben; die Menge ſeiner Länder werde ihm keine Zeit laſſen, ſich dem Reiche zu widmen; jene päpſtliche Conſtitution ſchließe ihn aus- drücklich aus. Ja ſeine Ausſichten fiengen ſogleich an ſich zu verdunkeln. Die Churfürſten glaubten durch ihre Ver- ſprechungen, wie berührt, nicht gebunden zu ſeyn; die Toch- ter Maximilians Margaretha, die jetzt die Unterhandlungen leitete, hielt es nicht für gut, ihnen die verſiegelten Ver- träge vorzulegen, wie man ihr gerathen hatte; ſie begnügte ſich, ſie nur im Allgemeinen an ihren guten Willen zu er- innern. Es kam hinzu, daß nach Maximilians Tode in Öſtreich Unruhen von ſehr weitausſehender Natur ausbra- chen, in denen die Stände ihre eigene Regierung einrichteten, 1 1 Narratio de dissensionibus provincialium Austriae: Pez Scriptt. II, 990.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/378>, abgerufen am 22.11.2024.