Durch seinen Tod ward nun plötzlich der Ausgang der begonnenen Unterhandlungen höchst zweifelhaft. Die schon eingegangenen Verpflichtungen lauteten doch nur auf die Wahl eines Königs neben dem Kaiser; die Sache ver- änderte sich, da nun von der Wahl eines unmittelbar re- gierenden Königs und Kaisers die Rede war. Aber um so wichtiger ward nun auch die Entscheidung, wie für die fernere Zukunft, so für den vorhandenen, dringenden, gäh- rungserfüllten Moment.
Noch zeigten sich doch die mannichfaltigsten Möglich- keiten.
Kaiserwahl von 1519.
Hätte eine geordnete Verfassung, wie man sie einst beabsichtigte, dem Oberhaupte eine wenn auch beschränkte doch zugleich sichere Wirksamkeit verliehen, so würden die vorwaltenden Fürsten des Reiches einen aus ihrer Mitte haben wählen können. Da es aber nicht dazu gekommen, wer von allen wäre mächtig genug gewesen, um die allent- halben gährenden Feindseligkeiten zu beschwichtigen und das Ansehn des Reiches unter den Mächten von Europa auf- recht zu erhalten? Es war sehr die Frage, ob es sich Einer zutrauen würde.
Maximilian hatte, ehe er wissen lassen wollte daß er auf seinen Enkel denke, mancherlei sonderbare Entwürfe geäußert: er hatte die Nachfolge im Reich einmal dem Kö- nig von England angetragen; -- in einer der seltsamsten Urkunden die es geben mag, hatte er ein ander Mal den jungen König Ludwig von Ungern und Böhmen zum Ver-
Maximilian.
Durch ſeinen Tod ward nun plötzlich der Ausgang der begonnenen Unterhandlungen höchſt zweifelhaft. Die ſchon eingegangenen Verpflichtungen lauteten doch nur auf die Wahl eines Königs neben dem Kaiſer; die Sache ver- änderte ſich, da nun von der Wahl eines unmittelbar re- gierenden Königs und Kaiſers die Rede war. Aber um ſo wichtiger ward nun auch die Entſcheidung, wie für die fernere Zukunft, ſo für den vorhandenen, dringenden, gäh- rungserfüllten Moment.
Noch zeigten ſich doch die mannichfaltigſten Möglich- keiten.
Kaiſerwahl von 1519.
Hätte eine geordnete Verfaſſung, wie man ſie einſt beabſichtigte, dem Oberhaupte eine wenn auch beſchränkte doch zugleich ſichere Wirkſamkeit verliehen, ſo würden die vorwaltenden Fürſten des Reiches einen aus ihrer Mitte haben wählen können. Da es aber nicht dazu gekommen, wer von allen wäre mächtig genug geweſen, um die allent- halben gährenden Feindſeligkeiten zu beſchwichtigen und das Anſehn des Reiches unter den Mächten von Europa auf- recht zu erhalten? Es war ſehr die Frage, ob es ſich Einer zutrauen würde.
Maximilian hatte, ehe er wiſſen laſſen wollte daß er auf ſeinen Enkel denke, mancherlei ſonderbare Entwürfe geäußert: er hatte die Nachfolge im Reich einmal dem Kö- nig von England angetragen; — in einer der ſeltſamſten Urkunden die es geben mag, hatte er ein ander Mal den jungen König Ludwig von Ungern und Böhmen zum Ver-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0377"n="359"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Maximilian</hi>.</fw><lb/><p>Durch ſeinen Tod ward nun plötzlich der Ausgang<lb/>
der begonnenen Unterhandlungen höchſt zweifelhaft. Die<lb/>ſchon eingegangenen Verpflichtungen lauteten doch nur auf<lb/>
die Wahl eines Königs neben dem Kaiſer; die Sache ver-<lb/>
änderte ſich, da nun von der Wahl eines unmittelbar re-<lb/>
gierenden Königs und Kaiſers die Rede war. Aber um<lb/>ſo wichtiger ward nun auch die Entſcheidung, wie für die<lb/>
fernere Zukunft, ſo für den vorhandenen, dringenden, gäh-<lb/>
rungserfüllten Moment.</p><lb/><p>Noch zeigten ſich doch die mannichfaltigſten Möglich-<lb/>
keiten.</p></div><lb/><divn="3"><head>Kaiſerwahl von 1519.</head><lb/><p>Hätte eine geordnete Verfaſſung, wie man ſie einſt<lb/>
beabſichtigte, dem Oberhaupte eine wenn auch beſchränkte<lb/>
doch zugleich ſichere Wirkſamkeit verliehen, ſo würden die<lb/>
vorwaltenden Fürſten des Reiches einen aus ihrer Mitte<lb/>
haben wählen können. Da es aber nicht dazu gekommen,<lb/>
wer von allen wäre mächtig genug geweſen, um die allent-<lb/>
halben gährenden Feindſeligkeiten zu beſchwichtigen und das<lb/>
Anſehn des Reiches unter den Mächten von Europa auf-<lb/>
recht zu erhalten? Es war ſehr die Frage, ob es ſich<lb/>
Einer zutrauen würde.</p><lb/><p>Maximilian hatte, ehe er wiſſen laſſen wollte daß er<lb/>
auf ſeinen Enkel denke, mancherlei ſonderbare Entwürfe<lb/>
geäußert: er hatte die Nachfolge im Reich einmal dem Kö-<lb/>
nig von England angetragen; — in einer der ſeltſamſten<lb/>
Urkunden die es geben mag, hatte er ein ander Mal den<lb/>
jungen König Ludwig von Ungern und Böhmen zum Ver-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[359/0377]
Maximilian.
Durch ſeinen Tod ward nun plötzlich der Ausgang
der begonnenen Unterhandlungen höchſt zweifelhaft. Die
ſchon eingegangenen Verpflichtungen lauteten doch nur auf
die Wahl eines Königs neben dem Kaiſer; die Sache ver-
änderte ſich, da nun von der Wahl eines unmittelbar re-
gierenden Königs und Kaiſers die Rede war. Aber um
ſo wichtiger ward nun auch die Entſcheidung, wie für die
fernere Zukunft, ſo für den vorhandenen, dringenden, gäh-
rungserfüllten Moment.
Noch zeigten ſich doch die mannichfaltigſten Möglich-
keiten.
Kaiſerwahl von 1519.
Hätte eine geordnete Verfaſſung, wie man ſie einſt
beabſichtigte, dem Oberhaupte eine wenn auch beſchränkte
doch zugleich ſichere Wirkſamkeit verliehen, ſo würden die
vorwaltenden Fürſten des Reiches einen aus ihrer Mitte
haben wählen können. Da es aber nicht dazu gekommen,
wer von allen wäre mächtig genug geweſen, um die allent-
halben gährenden Feindſeligkeiten zu beſchwichtigen und das
Anſehn des Reiches unter den Mächten von Europa auf-
recht zu erhalten? Es war ſehr die Frage, ob es ſich
Einer zutrauen würde.
Maximilian hatte, ehe er wiſſen laſſen wollte daß er
auf ſeinen Enkel denke, mancherlei ſonderbare Entwürfe
geäußert: er hatte die Nachfolge im Reich einmal dem Kö-
nig von England angetragen; — in einer der ſeltſamſten
Urkunden die es geben mag, hatte er ein ander Mal den
jungen König Ludwig von Ungern und Böhmen zum Ver-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/377>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.