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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Zweites Buch. Zweites Capitel.
nicht unmittelbar berührt worden wäre. Wenn es unleugbar
ist, daß das Reich, in seiner Totalität betrachtet, Verluste
erlitten hatte, so ist doch nicht minder wahr, daß grade
die Vereinigung des Hauses Östreich mit der burgundischen
Macht dazu gehörte, um die niederländischen Provinzen
wieder in eine bewußte Verbindung mit Deutschland zu
bringen, daß die ferneren Aussichten welche sich an die
ungrische und besonders an die spanische Verwandtschaft
knüpften, auch der Nation neue Kreise der Thätigkeit eröff-
neten. In Maximilian lebte ein höchst lebendiges Vorge-
fühl der kommenden Dinge, von dem sein Thun und Las-
sen beherrscht ward, und alle das Scheinbar-Unstäte, Ge-
heimnißvolle, Persönlich-einseitige seiner Politik herrührt. Er
hat nichts zu vollbringen, zu stiften: er hat nur das Zu-
künftige vorzubereiten: unter den widerstrebenden Kräften
der Welt hat er nur die Aussichten und Ansprüche seines
Hauses aufrecht zu erhalten, zu erweitern.

Da war nun jetzt noch der letzte entscheidende Mo-
ment übrig, und wiewohl er früher nichts davon hören
mögen, so ist doch offenbar, wie viel ihm an der Siche-
rung der Nachfolge seines Enkels liegen mußte.

Aus der Lage der Dinge in Deutschland, die wir be-
trachtet, ergiebt sich auf welche Unterstützung er zählen
durfte, welche Hindernisse er antreffen mußte. Auf dem
Reichstag von Augsburg kam er doch mit seinen Unter-
handlungen schon sehr weit. Sein gutes Verhältniß zu
den Hohenzollern brachte ihm zwei Churstimmen zu Wege,
die brandenburgische selbst und die mainzische; Hermann
von Cölln, ein geborner Wied, der mit Cleve in genauer

Zweites Buch. Zweites Capitel.
nicht unmittelbar berührt worden wäre. Wenn es unleugbar
iſt, daß das Reich, in ſeiner Totalität betrachtet, Verluſte
erlitten hatte, ſo iſt doch nicht minder wahr, daß grade
die Vereinigung des Hauſes Öſtreich mit der burgundiſchen
Macht dazu gehörte, um die niederländiſchen Provinzen
wieder in eine bewußte Verbindung mit Deutſchland zu
bringen, daß die ferneren Ausſichten welche ſich an die
ungriſche und beſonders an die ſpaniſche Verwandtſchaft
knüpften, auch der Nation neue Kreiſe der Thätigkeit eröff-
neten. In Maximilian lebte ein höchſt lebendiges Vorge-
fühl der kommenden Dinge, von dem ſein Thun und Laſ-
ſen beherrſcht ward, und alle das Scheinbar-Unſtäte, Ge-
heimnißvolle, Perſönlich-einſeitige ſeiner Politik herrührt. Er
hat nichts zu vollbringen, zu ſtiften: er hat nur das Zu-
künftige vorzubereiten: unter den widerſtrebenden Kräften
der Welt hat er nur die Ausſichten und Anſprüche ſeines
Hauſes aufrecht zu erhalten, zu erweitern.

Da war nun jetzt noch der letzte entſcheidende Mo-
ment übrig, und wiewohl er früher nichts davon hören
mögen, ſo iſt doch offenbar, wie viel ihm an der Siche-
rung der Nachfolge ſeines Enkels liegen mußte.

Aus der Lage der Dinge in Deutſchland, die wir be-
trachtet, ergiebt ſich auf welche Unterſtützung er zählen
durfte, welche Hinderniſſe er antreffen mußte. Auf dem
Reichstag von Augsburg kam er doch mit ſeinen Unter-
handlungen ſchon ſehr weit. Sein gutes Verhältniß zu
den Hohenzollern brachte ihm zwei Churſtimmen zu Wege,
die brandenburgiſche ſelbſt und die mainziſche; Hermann
von Cölln, ein geborner Wied, der mit Cleve in genauer

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[356/0374] Zweites Buch. Zweites Capitel. nicht unmittelbar berührt worden wäre. Wenn es unleugbar iſt, daß das Reich, in ſeiner Totalität betrachtet, Verluſte erlitten hatte, ſo iſt doch nicht minder wahr, daß grade die Vereinigung des Hauſes Öſtreich mit der burgundiſchen Macht dazu gehörte, um die niederländiſchen Provinzen wieder in eine bewußte Verbindung mit Deutſchland zu bringen, daß die ferneren Ausſichten welche ſich an die ungriſche und beſonders an die ſpaniſche Verwandtſchaft knüpften, auch der Nation neue Kreiſe der Thätigkeit eröff- neten. In Maximilian lebte ein höchſt lebendiges Vorge- fühl der kommenden Dinge, von dem ſein Thun und Laſ- ſen beherrſcht ward, und alle das Scheinbar-Unſtäte, Ge- heimnißvolle, Perſönlich-einſeitige ſeiner Politik herrührt. Er hat nichts zu vollbringen, zu ſtiften: er hat nur das Zu- künftige vorzubereiten: unter den widerſtrebenden Kräften der Welt hat er nur die Ausſichten und Anſprüche ſeines Hauſes aufrecht zu erhalten, zu erweitern. Da war nun jetzt noch der letzte entſcheidende Mo- ment übrig, und wiewohl er früher nichts davon hören mögen, ſo iſt doch offenbar, wie viel ihm an der Siche- rung der Nachfolge ſeines Enkels liegen mußte. Aus der Lage der Dinge in Deutſchland, die wir be- trachtet, ergiebt ſich auf welche Unterſtützung er zählen durfte, welche Hinderniſſe er antreffen mußte. Auf dem Reichstag von Augsburg kam er doch mit ſeinen Unter- handlungen ſchon ſehr weit. Sein gutes Verhältniß zu den Hohenzollern brachte ihm zwei Churſtimmen zu Wege, die brandenburgiſche ſelbſt und die mainziſche; Hermann von Cölln, ein geborner Wied, der mit Cleve in genauer

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/374>, abgerufen am 22.11.2024.