neuen Herrscher: sie hatten ihn nicht gewählt, sie unter- warfen sich ihm.
Von jenem der Geistlichkeit jedes Mal geoffenbarten Rechte wollten die Deutschen noch immer nichts wissen: auch jetzt noch hielten sie sich der legitimen Succession so nahe wie möglich: auch nach dem völligen Abgang der Carolinger war der Grad der Verwandtschaft mit ihnen eine der bedeutendsten Rücksichten, durch welche die Wahl erst auf Conrad, dann auf den Sachsen Heinrich I fiel.
Conrad hatte wohl einmal die Idee, sich an die al- lerdings auch in Deutschland sehr mächtige Geistlichkeit an- zuschließen: Heinrich war ihr dagegen von Anfang an op- ponirt: an seiner Wahl hatte sie keinen Theil: die Sanction durch das heilige Öl, welche dem alten Pippin und Carl dem Großen so viel werth gewesen, wies er von sich: wie die Sachen in Deutschland standen, konnte sie ihm nichts bedeuten. Vielmehr finden wir, daß er, wie er selber in seinem Sachsen die Geistlichkeit in seinem Gehorsam hielt, sie auch anderwärts den Herzogen überließ, 1 so daß ihre Abhängigkeit größer wurde als jemals. Für ihn kam es nur darauf an, daß er mit diesen großen Gewalthabern, die ihm an Macht nicht ungleich waren, in gutem Ver- nehmen stand: und daß er dann andere von dem Moment geforderte wesentliche Pflichten erfüllte. Da ihm dieß ge-
Er sagt: "Nos, quibus regni cura et solicitudo ecclesiarum com- missa est."
1"Totius Bajoariae pontifices tuae subjiciant potestati" läßt Liutprand den König dem Herzog Arnulf zusagen. Buchner Ge- schichte der Baiern III, 38 zeigt, wie dieser das benutzte. Vgl. Waiz: Heinrich I p. 49.
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Saͤchſiſche und fraͤnkiſche Kaiſer.
neuen Herrſcher: ſie hatten ihn nicht gewählt, ſie unter- warfen ſich ihm.
Von jenem der Geiſtlichkeit jedes Mal geoffenbarten Rechte wollten die Deutſchen noch immer nichts wiſſen: auch jetzt noch hielten ſie ſich der legitimen Succeſſion ſo nahe wie möglich: auch nach dem völligen Abgang der Carolinger war der Grad der Verwandtſchaft mit ihnen eine der bedeutendſten Rückſichten, durch welche die Wahl erſt auf Conrad, dann auf den Sachſen Heinrich I fiel.
Conrad hatte wohl einmal die Idee, ſich an die al- lerdings auch in Deutſchland ſehr mächtige Geiſtlichkeit an- zuſchließen: Heinrich war ihr dagegen von Anfang an op- ponirt: an ſeiner Wahl hatte ſie keinen Theil: die Sanction durch das heilige Öl, welche dem alten Pippin und Carl dem Großen ſo viel werth geweſen, wies er von ſich: wie die Sachen in Deutſchland ſtanden, konnte ſie ihm nichts bedeuten. Vielmehr finden wir, daß er, wie er ſelber in ſeinem Sachſen die Geiſtlichkeit in ſeinem Gehorſam hielt, ſie auch anderwärts den Herzogen überließ, 1 ſo daß ihre Abhängigkeit größer wurde als jemals. Für ihn kam es nur darauf an, daß er mit dieſen großen Gewalthabern, die ihm an Macht nicht ungleich waren, in gutem Ver- nehmen ſtand: und daß er dann andere von dem Moment geforderte weſentliche Pflichten erfüllte. Da ihm dieß ge-
Er ſagt: „Nos, quibus regni cura et solicitudo ecclesiarum com- missa est.“
1„Totius Bajoariae pontifices tuae subjiciant potestati“ laͤßt Liutprand den Koͤnig dem Herzog Arnulf zuſagen. Buchner Ge- ſchichte der Baiern III, 38 zeigt, wie dieſer das benutzte. Vgl. Waiz: Heinrich I p. 49.
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Saͤchſiſche und fraͤnkiſche Kaiſer.
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warfen ſich ihm.
Von jenem der Geiſtlichkeit jedes Mal geoffenbarten
Rechte wollten die Deutſchen noch immer nichts wiſſen:
auch jetzt noch hielten ſie ſich der legitimen Succeſſion ſo
nahe wie möglich: auch nach dem völligen Abgang der
Carolinger war der Grad der Verwandtſchaft mit ihnen
eine der bedeutendſten Rückſichten, durch welche die Wahl
erſt auf Conrad, dann auf den Sachſen Heinrich I fiel.
Conrad hatte wohl einmal die Idee, ſich an die al-
lerdings auch in Deutſchland ſehr mächtige Geiſtlichkeit an-
zuſchließen: Heinrich war ihr dagegen von Anfang an op-
ponirt: an ſeiner Wahl hatte ſie keinen Theil: die Sanction
durch das heilige Öl, welche dem alten Pippin und Carl
dem Großen ſo viel werth geweſen, wies er von ſich: wie
die Sachen in Deutſchland ſtanden, konnte ſie ihm nichts
bedeuten. Vielmehr finden wir, daß er, wie er ſelber in
ſeinem Sachſen die Geiſtlichkeit in ſeinem Gehorſam hielt,
ſie auch anderwärts den Herzogen überließ, 1 ſo daß ihre
Abhängigkeit größer wurde als jemals. Für ihn kam es
nur darauf an, daß er mit dieſen großen Gewalthabern,
die ihm an Macht nicht ungleich waren, in gutem Ver-
nehmen ſtand: und daß er dann andere von dem Moment
geforderte weſentliche Pflichten erfüllte. Da ihm dieß ge-
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1 „Totius Bajoariae pontifices tuae subjiciant potestati“
laͤßt Liutprand den Koͤnig dem Herzog Arnulf zuſagen. Buchner Ge-
ſchichte der Baiern III, 38 zeigt, wie dieſer das benutzte. Vgl.
Waiz: Heinrich I p. 49.
4 Er ſagt: „Nos, quibus regni cura et solicitudo ecclesiarum com-
missa est.“
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/37>, abgerufen am 16.02.2025.
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