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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Zweites Buch. Zweites Capitel.
schickte der Papst zur Unterhandlung mit den Reichsstän-
den dem Kaiser einen Legaten zu Hülfe.

Es war das der Dominicaner Thomas de Vio, der-
selbe, der die Prärogativen des Papstthums so eifrig ver-
theidigt; eben dadurch hatte er sich den Weg zu den hö-
heren Würden eröffnet, er war bei der letzten großen Crea-
tion Cardinal geworden. Überaus glücklich fühlte er sich
in dem Glanze der Legatenwürde, die ihm nunmehr über-
tragen ward. Auf das prächtigste wollte er erscheinen:
den Anspruch der Curie, daß ein Legat mehr sey als ein
König, nahm er beinahe ernstlich. 1 Bei seiner Ernennung
machte er besonders Bedingungen des Prunkes, z. B. daß
ihm ein weißer Zelter mit Zäumen von Carmosin-sammt,
eine Zimmerbekleidung von Carmosin-atlas zugestanden
werde; selbst der alte Cerimonienmeister mußte über die
Menge von Forderungen lächeln die er nach und nach vor-
brachte. In Augsburg gefiel er sich dann vor allem in
glänzenden Cerimonien; z. B. bei jenem Hochamt das er
am 1sten August im Dom hielt, vor den weltlichen und
geistlichen Fürsten des Reiches, wo er dann dem Erzbi-
schof von Mainz, der vor dem Altar die Knie gesenkt, den
Cardinalshut aufsetzte, und dem Kaiser selbst den geweihe-
ten Hut und Degen -- Zeichen der päpstlichen Huld und
Gnade -- überlieferte. In den ausschweifendsten Ideen
ergieng er sich hiebei. Indem er den Kaiser ermahnte,
gegen den Erbfeind, der nach dem Blute der Christenheit
dürste, auszuziehen, erinnerte er ihn, das sey der Tag an

1 Legati debent esse supra reges quoscunque. Paris de
Grassis in Hofmanni Scriptores novi p. 408.

Zweites Buch. Zweites Capitel.
ſchickte der Papſt zur Unterhandlung mit den Reichsſtän-
den dem Kaiſer einen Legaten zu Hülfe.

Es war das der Dominicaner Thomas de Vio, der-
ſelbe, der die Prärogativen des Papſtthums ſo eifrig ver-
theidigt; eben dadurch hatte er ſich den Weg zu den hö-
heren Würden eröffnet, er war bei der letzten großen Crea-
tion Cardinal geworden. Überaus glücklich fühlte er ſich
in dem Glanze der Legatenwürde, die ihm nunmehr über-
tragen ward. Auf das prächtigſte wollte er erſcheinen:
den Anſpruch der Curie, daß ein Legat mehr ſey als ein
König, nahm er beinahe ernſtlich. 1 Bei ſeiner Ernennung
machte er beſonders Bedingungen des Prunkes, z. B. daß
ihm ein weißer Zelter mit Zäumen von Carmoſin-ſammt,
eine Zimmerbekleidung von Carmoſin-atlas zugeſtanden
werde; ſelbſt der alte Cerimonienmeiſter mußte über die
Menge von Forderungen lächeln die er nach und nach vor-
brachte. In Augsburg gefiel er ſich dann vor allem in
glänzenden Cerimonien; z. B. bei jenem Hochamt das er
am 1ſten Auguſt im Dom hielt, vor den weltlichen und
geiſtlichen Fürſten des Reiches, wo er dann dem Erzbi-
ſchof von Mainz, der vor dem Altar die Knie geſenkt, den
Cardinalshut aufſetzte, und dem Kaiſer ſelbſt den geweihe-
ten Hut und Degen — Zeichen der päpſtlichen Huld und
Gnade — überlieferte. In den ausſchweifendſten Ideen
ergieng er ſich hiebei. Indem er den Kaiſer ermahnte,
gegen den Erbfeind, der nach dem Blute der Chriſtenheit
dürſte, auszuziehen, erinnerte er ihn, das ſey der Tag an

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Graſſis in Hofmanni Scriptores novi p. 408.
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[326/0344] Zweites Buch. Zweites Capitel. ſchickte der Papſt zur Unterhandlung mit den Reichsſtän- den dem Kaiſer einen Legaten zu Hülfe. Es war das der Dominicaner Thomas de Vio, der- ſelbe, der die Prärogativen des Papſtthums ſo eifrig ver- theidigt; eben dadurch hatte er ſich den Weg zu den hö- heren Würden eröffnet, er war bei der letzten großen Crea- tion Cardinal geworden. Überaus glücklich fühlte er ſich in dem Glanze der Legatenwürde, die ihm nunmehr über- tragen ward. Auf das prächtigſte wollte er erſcheinen: den Anſpruch der Curie, daß ein Legat mehr ſey als ein König, nahm er beinahe ernſtlich. 1 Bei ſeiner Ernennung machte er beſonders Bedingungen des Prunkes, z. B. daß ihm ein weißer Zelter mit Zäumen von Carmoſin-ſammt, eine Zimmerbekleidung von Carmoſin-atlas zugeſtanden werde; ſelbſt der alte Cerimonienmeiſter mußte über die Menge von Forderungen lächeln die er nach und nach vor- brachte. In Augsburg gefiel er ſich dann vor allem in glänzenden Cerimonien; z. B. bei jenem Hochamt das er am 1ſten Auguſt im Dom hielt, vor den weltlichen und geiſtlichen Fürſten des Reiches, wo er dann dem Erzbi- ſchof von Mainz, der vor dem Altar die Knie geſenkt, den Cardinalshut aufſetzte, und dem Kaiſer ſelbſt den geweihe- ten Hut und Degen — Zeichen der päpſtlichen Huld und Gnade — überlieferte. In den ausſchweifendſten Ideen ergieng er ſich hiebei. Indem er den Kaiſer ermahnte, gegen den Erbfeind, der nach dem Blute der Chriſtenheit dürſte, auszuziehen, erinnerte er ihn, das ſey der Tag an 1 Legati debent esse supra reges quoscunque. Paris de Graſſis in Hofmanni Scriptores novi p. 408.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/344>, abgerufen am 25.11.2024.