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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Zweites Buch. Erstes Capitel.
befriedigte gleichsam das öffentliche Gewissen. 1 Die leben-
digsten Interessen knüpften sich daran: das der tiefern Fröm-
migkeit gegen diese äußerlichste aller Sündenvergebungen;
das der Literatur gegen die Ketzermeister, zu denen auch
Tetzel gehörte; der sich verjüngenden Theologie wider das
scholastische Dogma, welches allen diesen Mißbräuchen das
Wort redete; der weltlichen Gewalt gegen die geistliche, de-
ren Übergriffe sie zu beschränken suchte; endlich der Nation
gegen die römischen Geldforderungen.

Aber alle diese Interessen hatten auch andre sich ge-
genüber. Nicht viel minder lebendig als der Beifall mußte
auch der Widerstand seyn. Eine ganze Anzahl natürlicher
Gegner erhob sich.

Wie Wittenberg, so war einige Jahre später auch die
Universität Frankfurt a. d. O. hauptsächlich von Leipzig
ausgegangen, aber von der entgegengesetzten Partei. Ent-
schlossene Widersacher aller Neuerung hatten dort Stellen
gefunden. Ein alter Gegner Pollichs, der mit ihm oft
einen literarischen Strauß bestanden, Conrad Koch, genannt
Wimpina, hatte sich dort einen ähnlichen Einfluß verschafft
wie Pollich in Wittenberg. An Wimpina wandte sich jetzt
Johann Tetzel: und brachte mit seiner Hülfe, denn auch
er wollte Doctor seyn wie sein augustinianischer Gegner,
zweierlei Theses zu Stande, die einen um sich zum Li-
centiaten, die andern um sich zum Doctor zu disputiren:

1 Erasmus an Herzog Georg von Sochsen 1524 12 Dez.
Cum Lutherus aggrederetur hanc fabulam, totus mundus illi ma-
gno consensu applausit, -- -- susceperat enim optimam causam
adversus corruptissimos scholarum et ecclesiae mores, qui eo pro-
gressi fuerant ut res jam nulli bono viro tolerabilis videretur.

Zweites Buch. Erſtes Capitel.
befriedigte gleichſam das öffentliche Gewiſſen. 1 Die leben-
digſten Intereſſen knüpften ſich daran: das der tiefern Fröm-
migkeit gegen dieſe äußerlichſte aller Sündenvergebungen;
das der Literatur gegen die Ketzermeiſter, zu denen auch
Tetzel gehörte; der ſich verjüngenden Theologie wider das
ſcholaſtiſche Dogma, welches allen dieſen Mißbräuchen das
Wort redete; der weltlichen Gewalt gegen die geiſtliche, de-
ren Übergriffe ſie zu beſchränken ſuchte; endlich der Nation
gegen die römiſchen Geldforderungen.

Aber alle dieſe Intereſſen hatten auch andre ſich ge-
genüber. Nicht viel minder lebendig als der Beifall mußte
auch der Widerſtand ſeyn. Eine ganze Anzahl natürlicher
Gegner erhob ſich.

Wie Wittenberg, ſo war einige Jahre ſpäter auch die
Univerſität Frankfurt a. d. O. hauptſächlich von Leipzig
ausgegangen, aber von der entgegengeſetzten Partei. Ent-
ſchloſſene Widerſacher aller Neuerung hatten dort Stellen
gefunden. Ein alter Gegner Pollichs, der mit ihm oft
einen literariſchen Strauß beſtanden, Conrad Koch, genannt
Wimpina, hatte ſich dort einen ähnlichen Einfluß verſchafft
wie Pollich in Wittenberg. An Wimpina wandte ſich jetzt
Johann Tetzel: und brachte mit ſeiner Hülfe, denn auch
er wollte Doctor ſeyn wie ſein auguſtinianiſcher Gegner,
zweierlei Theſes zu Stande, die einen um ſich zum Li-
centiaten, die andern um ſich zum Doctor zu disputiren:

1 Erasmus an Herzog Georg von Sochſen 1524 12 Dez.
Cum Lutherus aggrederetur hanc fabulam, totus mundus illi ma-
gno consensu applausit, — — susceperat enim optimam causam
adversus corruptissimos scholarum et ecclesiae mores, qui eo pro-
gressi fuerant ut res jam nulli bono viro tolerabilis videretur.
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[318/0336] Zweites Buch. Erſtes Capitel. befriedigte gleichſam das öffentliche Gewiſſen. 1 Die leben- digſten Intereſſen knüpften ſich daran: das der tiefern Fröm- migkeit gegen dieſe äußerlichſte aller Sündenvergebungen; das der Literatur gegen die Ketzermeiſter, zu denen auch Tetzel gehörte; der ſich verjüngenden Theologie wider das ſcholaſtiſche Dogma, welches allen dieſen Mißbräuchen das Wort redete; der weltlichen Gewalt gegen die geiſtliche, de- ren Übergriffe ſie zu beſchränken ſuchte; endlich der Nation gegen die römiſchen Geldforderungen. Aber alle dieſe Intereſſen hatten auch andre ſich ge- genüber. Nicht viel minder lebendig als der Beifall mußte auch der Widerſtand ſeyn. Eine ganze Anzahl natürlicher Gegner erhob ſich. Wie Wittenberg, ſo war einige Jahre ſpäter auch die Univerſität Frankfurt a. d. O. hauptſächlich von Leipzig ausgegangen, aber von der entgegengeſetzten Partei. Ent- ſchloſſene Widerſacher aller Neuerung hatten dort Stellen gefunden. Ein alter Gegner Pollichs, der mit ihm oft einen literariſchen Strauß beſtanden, Conrad Koch, genannt Wimpina, hatte ſich dort einen ähnlichen Einfluß verſchafft wie Pollich in Wittenberg. An Wimpina wandte ſich jetzt Johann Tetzel: und brachte mit ſeiner Hülfe, denn auch er wollte Doctor ſeyn wie ſein auguſtinianiſcher Gegner, zweierlei Theſes zu Stande, die einen um ſich zum Li- centiaten, die andern um ſich zum Doctor zu disputiren: 1 Erasmus an Herzog Georg von Sochſen 1524 12 Dez. Cum Lutherus aggrederetur hanc fabulam, totus mundus illi ma- gno consensu applausit, — — susceperat enim optimam causam adversus corruptissimos scholarum et ecclesiae mores, qui eo pro- gressi fuerant ut res jam nulli bono viro tolerabilis videretur.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/336>, abgerufen am 25.11.2024.