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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Ablaßstreitigkeit.
schweige ein Andrer Habe er sie, so falle ihm ohnehin
die volle Vergebung zu: habe er sie nicht, so könne kein
Ablaßbrief ihm etwas helfen. Denn nicht an und für sich
habe der Ablaß des Papstes Werth, sondern nur in so fern
als er die göttliche Gnade bezeichne.

Ein Angriff, nicht von außen, wie man sieht, sondern
aus der Mitte der scholastischen Begriffe, bei welchem die
Grundidee des Papstthums, von der Stellvertretung Christi
durch das Priesterthum und vor allem durch die Nachfolge
Petri, noch festgehalten, aber die Lehre von der Verei-
nigung aller Gewalt der Kirche in der Person des Pap-
stes eben so entschlossen bekämpft wird. Wenn man diese
Sätze liest, sieht man, welch ein kühner, großartiger und
fester Geist in Luther arbeitet. Die Gedanken sprühen ihm
hervor, wie unter dem Hammerschlag die Funken.

Vergessen wir aber nicht zu bemerken, daß wie der
Mißbrauch selbst zwei Seiten hatte, eine religiöse und eine
politisch-finanzielle, so auch dem Widerstand von der reli-
giösen Idee aus sich ein politisches Moment zugesellte.

Friedrich von Sachsen war mit dabei gewesen, als
das Reichsregiment dem Cardinal Raimund 1501 für den
Ablaß der damals verkündigt ward, sehr beschränkende Be-
dingungen vorschrieb; er hatte in seinem Lande das auf-
gekommene Geld selbst in seiner Hand behalten, mit dem
Entschluß, es nur dann herauszugeben, wenn es zu einer Un-
ternehmung gegen die Ungläubigen komme, die schon damals
beabsichtigt ward; vergeblich hatte es später der Papst, und
auf des Papstes Concession der Kaiser von ihm gefordert; 1

1 Schreiben der sächsischen Gesandten vom Reichstag von

Ablaßſtreitigkeit.
ſchweige ein Andrer Habe er ſie, ſo falle ihm ohnehin
die volle Vergebung zu: habe er ſie nicht, ſo könne kein
Ablaßbrief ihm etwas helfen. Denn nicht an und für ſich
habe der Ablaß des Papſtes Werth, ſondern nur in ſo fern
als er die göttliche Gnade bezeichne.

Ein Angriff, nicht von außen, wie man ſieht, ſondern
aus der Mitte der ſcholaſtiſchen Begriffe, bei welchem die
Grundidee des Papſtthums, von der Stellvertretung Chriſti
durch das Prieſterthum und vor allem durch die Nachfolge
Petri, noch feſtgehalten, aber die Lehre von der Verei-
nigung aller Gewalt der Kirche in der Perſon des Pap-
ſtes eben ſo entſchloſſen bekämpft wird. Wenn man dieſe
Sätze lieſt, ſieht man, welch ein kühner, großartiger und
feſter Geiſt in Luther arbeitet. Die Gedanken ſprühen ihm
hervor, wie unter dem Hammerſchlag die Funken.

Vergeſſen wir aber nicht zu bemerken, daß wie der
Mißbrauch ſelbſt zwei Seiten hatte, eine religiöſe und eine
politiſch-finanzielle, ſo auch dem Widerſtand von der reli-
giöſen Idee aus ſich ein politiſches Moment zugeſellte.

Friedrich von Sachſen war mit dabei geweſen, als
das Reichsregiment dem Cardinal Raimund 1501 für den
Ablaß der damals verkündigt ward, ſehr beſchränkende Be-
dingungen vorſchrieb; er hatte in ſeinem Lande das auf-
gekommene Geld ſelbſt in ſeiner Hand behalten, mit dem
Entſchluß, es nur dann herauszugeben, wenn es zu einer Un-
ternehmung gegen die Ungläubigen komme, die ſchon damals
beabſichtigt ward; vergeblich hatte es ſpäter der Papſt, und
auf des Papſtes Conceſſion der Kaiſer von ihm gefordert; 1

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[315/0333] Ablaßſtreitigkeit. ſchweige ein Andrer Habe er ſie, ſo falle ihm ohnehin die volle Vergebung zu: habe er ſie nicht, ſo könne kein Ablaßbrief ihm etwas helfen. Denn nicht an und für ſich habe der Ablaß des Papſtes Werth, ſondern nur in ſo fern als er die göttliche Gnade bezeichne. Ein Angriff, nicht von außen, wie man ſieht, ſondern aus der Mitte der ſcholaſtiſchen Begriffe, bei welchem die Grundidee des Papſtthums, von der Stellvertretung Chriſti durch das Prieſterthum und vor allem durch die Nachfolge Petri, noch feſtgehalten, aber die Lehre von der Verei- nigung aller Gewalt der Kirche in der Perſon des Pap- ſtes eben ſo entſchloſſen bekämpft wird. Wenn man dieſe Sätze lieſt, ſieht man, welch ein kühner, großartiger und feſter Geiſt in Luther arbeitet. Die Gedanken ſprühen ihm hervor, wie unter dem Hammerſchlag die Funken. Vergeſſen wir aber nicht zu bemerken, daß wie der Mißbrauch ſelbſt zwei Seiten hatte, eine religiöſe und eine politiſch-finanzielle, ſo auch dem Widerſtand von der reli- giöſen Idee aus ſich ein politiſches Moment zugeſellte. Friedrich von Sachſen war mit dabei geweſen, als das Reichsregiment dem Cardinal Raimund 1501 für den Ablaß der damals verkündigt ward, ſehr beſchränkende Be- dingungen vorſchrieb; er hatte in ſeinem Lande das auf- gekommene Geld ſelbſt in ſeiner Hand behalten, mit dem Entſchluß, es nur dann herauszugeben, wenn es zu einer Un- ternehmung gegen die Ungläubigen komme, die ſchon damals beabſichtigt ward; vergeblich hatte es ſpäter der Papſt, und auf des Papſtes Conceſſion der Kaiſer von ihm gefordert; 1 1 Schreiben der ſaͤchſiſchen Geſandten vom Reichstag von

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/333>, abgerufen am 22.11.2024.