Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.Zweites Buch. Erstes Capitel. dachte, das Fegfeuer erstrecke. Der Papst erscheint als dergroße Vermittler aller Bestrafung und Gnade. Und diese poetisch-erhabenste Idee von seiner Würde nun zog er in den Staub um einer elenden Geldzahlung willen, die er zu ei- nem augenblicklichen Bedürfniß seines Staates oder seines Hauses verwandte. Marktschreierische Commissarien, welche gern berechneten, wie viel Geld sie schon dem päpstlichen Stuhle verschafft, sich dabei eine bedeutende Quote vorbe- hielten und gute Tage zu machen wußten, übertrieben ihre Befugnisse mit blasphemischer Beredsamkeit. Durch die Be- drohung aller Gegner mit furchtbaren Kirchenstrafen glaub- ten sie sich gegen jeden Angriff gewappnet. Dießmal aber fand sich doch ein Mann, der es wagte Indem sich Luther mit der innerlichsten Heilslehre durch- Unmöglich konnten sich so entschiedene Gegensätze so Zweites Buch. Erſtes Capitel. dachte, das Fegfeuer erſtrecke. Der Papſt erſcheint als dergroße Vermittler aller Beſtrafung und Gnade. Und dieſe poetiſch-erhabenſte Idee von ſeiner Würde nun zog er in den Staub um einer elenden Geldzahlung willen, die er zu ei- nem augenblicklichen Bedürfniß ſeines Staates oder ſeines Hauſes verwandte. Marktſchreieriſche Commiſſarien, welche gern berechneten, wie viel Geld ſie ſchon dem päpſtlichen Stuhle verſchafft, ſich dabei eine bedeutende Quote vorbe- hielten und gute Tage zu machen wußten, übertrieben ihre Befugniſſe mit blasphemiſcher Beredſamkeit. Durch die Be- drohung aller Gegner mit furchtbaren Kirchenſtrafen glaub- ten ſie ſich gegen jeden Angriff gewappnet. Dießmal aber fand ſich doch ein Mann, der es wagte Indem ſich Luther mit der innerlichſten Heilslehre durch- Unmöglich konnten ſich ſo entſchiedene Gegenſätze ſo <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0330" n="312"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweites Buch. Erſtes Capitel</hi>.</fw><lb/> dachte, das Fegfeuer erſtrecke. Der Papſt erſcheint als der<lb/> große Vermittler aller Beſtrafung und Gnade. Und dieſe<lb/> poetiſch-erhabenſte Idee von ſeiner Würde nun zog er in den<lb/> Staub um einer elenden Geldzahlung willen, die er zu ei-<lb/> nem augenblicklichen Bedürfniß ſeines Staates oder ſeines<lb/> Hauſes verwandte. Marktſchreieriſche Commiſſarien, welche<lb/> gern berechneten, wie viel Geld ſie ſchon dem päpſtlichen<lb/> Stuhle verſchafft, ſich dabei eine bedeutende Quote vorbe-<lb/> hielten und gute Tage zu machen wußten, übertrieben ihre<lb/> Befugniſſe mit blasphemiſcher Beredſamkeit. Durch die Be-<lb/> drohung aller Gegner mit furchtbaren Kirchenſtrafen glaub-<lb/> ten ſie ſich gegen jeden Angriff gewappnet.</p><lb/> <p>Dießmal aber fand ſich doch ein Mann, der es wagte<lb/> ihnen die Stirn zu bieten.</p><lb/> <p>Indem ſich Luther mit der innerlichſten Heilslehre durch-<lb/> drungen, und dieſe wie in dem Kloſter und an der Uni-<lb/> verſität, ſo auch an der Pfarrgemeine zu Wittenberg —<lb/> ein eifriger Seelſorger — verbreitete, erſchien in ſeiner<lb/> Nähe eine ſo ganz entgegengeſetzte Verkündigung, die mit<lb/> der äußerlichſten Abfindung zufrieden war, und ſich dabei<lb/> auf jene kirchlichen Theorien ſtützte, denen er ſich mit<lb/> Collegen Schülern und Freunden ſo ernſtlich opponirte.<lb/> In dem nahen Jüterbock ſammelte ſich die Menge um den<lb/> Dominicaner Johann Tetzel, der von allen jenen Commiſ-<lb/> ſarien wohl die ſchamloſeſte Zunge hatte. Mit Recht hat<lb/> man dort an der alterthümlichen Kirche Erinnerungen an<lb/> dieſen Handel aufbewahrt. Unter den Ablaßkäufern waren<lb/> auch Leute aus Wittenberg; unmittelbar in ſeine Seelſorge<lb/> ſah ſich Luther eingegriffen.</p><lb/> <p>Unmöglich konnten ſich ſo entſchiedene Gegenſätze ſo<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [312/0330]
Zweites Buch. Erſtes Capitel.
dachte, das Fegfeuer erſtrecke. Der Papſt erſcheint als der
große Vermittler aller Beſtrafung und Gnade. Und dieſe
poetiſch-erhabenſte Idee von ſeiner Würde nun zog er in den
Staub um einer elenden Geldzahlung willen, die er zu ei-
nem augenblicklichen Bedürfniß ſeines Staates oder ſeines
Hauſes verwandte. Marktſchreieriſche Commiſſarien, welche
gern berechneten, wie viel Geld ſie ſchon dem päpſtlichen
Stuhle verſchafft, ſich dabei eine bedeutende Quote vorbe-
hielten und gute Tage zu machen wußten, übertrieben ihre
Befugniſſe mit blasphemiſcher Beredſamkeit. Durch die Be-
drohung aller Gegner mit furchtbaren Kirchenſtrafen glaub-
ten ſie ſich gegen jeden Angriff gewappnet.
Dießmal aber fand ſich doch ein Mann, der es wagte
ihnen die Stirn zu bieten.
Indem ſich Luther mit der innerlichſten Heilslehre durch-
drungen, und dieſe wie in dem Kloſter und an der Uni-
verſität, ſo auch an der Pfarrgemeine zu Wittenberg —
ein eifriger Seelſorger — verbreitete, erſchien in ſeiner
Nähe eine ſo ganz entgegengeſetzte Verkündigung, die mit
der äußerlichſten Abfindung zufrieden war, und ſich dabei
auf jene kirchlichen Theorien ſtützte, denen er ſich mit
Collegen Schülern und Freunden ſo ernſtlich opponirte.
In dem nahen Jüterbock ſammelte ſich die Menge um den
Dominicaner Johann Tetzel, der von allen jenen Commiſ-
ſarien wohl die ſchamloſeſte Zunge hatte. Mit Recht hat
man dort an der alterthümlichen Kirche Erinnerungen an
dieſen Handel aufbewahrt. Unter den Ablaßkäufern waren
auch Leute aus Wittenberg; unmittelbar in ſeine Seelſorge
ſah ſich Luther eingegriffen.
Unmöglich konnten ſich ſo entſchiedene Gegenſätze ſo
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