Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.Zweites Buch. Erstes Capitel. behauptet hat, der Ertrag des deutschen Ablasses sey zumTheil der Schwester des Papstes Magdalena bestimmt ge- wesen. Die Sache ist aber ohnehin klar: Niemand kann leugnen, daß die kirchlichen Beisteuern auch der Familie des Papstes zu Gute kamen. Es liegt uns eine Quittung vor, von dem Neffen des Papstes Lorenzo an den König von Frankreich, für 100000 Livres, die ihm derselbe für seine Dienste geschenkt habe. Darin heißt es ausdrücklich daß diese Summe dem König von dem Zehnten zu Gute kommen soll, den das Concilium dem Papst zu dem Tür- kenzug bewilligt hatte. 1 Das war doch ganz eben so gut, als ob der Papst das Geld seinem Neffen gegeben hätte: ja vielleicht noch schlimmer: er schenkte es ihm, ehe es noch eingekommen war. Da lag nun das einzige Mittel, sich diesen Auflagen Wer aber wäre im Stande gewesen, die deutschen In- 1 Molini Documenti storici T. I. p. 71. 2 Eid des Silvester Darius, päpstlichen Collectors (in curia
cancellaria in aula palatii Westmonasteriensis) 22 April 1517 bei Rymer Foedera VI, 1, p. 133. Zweites Buch. Erſtes Capitel. behauptet hat, der Ertrag des deutſchen Ablaſſes ſey zumTheil der Schweſter des Papſtes Magdalena beſtimmt ge- weſen. Die Sache iſt aber ohnehin klar: Niemand kann leugnen, daß die kirchlichen Beiſteuern auch der Familie des Papſtes zu Gute kamen. Es liegt uns eine Quittung vor, von dem Neffen des Papſtes Lorenzo an den König von Frankreich, für 100000 Livres, die ihm derſelbe für ſeine Dienſte geſchenkt habe. Darin heißt es ausdrücklich daß dieſe Summe dem König von dem Zehnten zu Gute kommen ſoll, den das Concilium dem Papſt zu dem Tür- kenzug bewilligt hatte. 1 Das war doch ganz eben ſo gut, als ob der Papſt das Geld ſeinem Neffen gegeben hätte: ja vielleicht noch ſchlimmer: er ſchenkte es ihm, ehe es noch eingekommen war. Da lag nun das einzige Mittel, ſich dieſen Auflagen Wer aber wäre im Stande geweſen, die deutſchen In- 1 Molini Documenti storici T. I. p. 71. 2 Eid des Silveſter Darius, paͤpſtlichen Collectors (in curia
cancellaria in aula palatii Westmonasteriensis) 22 April 1517 bei Rymer Foedera VI, 1, p. 133. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0326" n="308"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweites Buch. Erſtes Capitel</hi>.</fw><lb/> behauptet hat, der Ertrag des deutſchen Ablaſſes ſey zum<lb/> Theil der Schweſter des Papſtes Magdalena beſtimmt ge-<lb/> weſen. Die Sache iſt aber ohnehin klar: Niemand kann<lb/> leugnen, daß die kirchlichen Beiſteuern auch der Familie<lb/> des Papſtes zu Gute kamen. Es liegt uns eine Quittung<lb/> vor, von dem Neffen des Papſtes Lorenzo an den König<lb/> von Frankreich, für 100000 Livres, die ihm derſelbe für<lb/> ſeine Dienſte geſchenkt habe. Darin heißt es ausdrücklich<lb/> daß dieſe Summe dem König von dem Zehnten zu Gute<lb/> kommen ſoll, den das Concilium dem Papſt zu dem Tür-<lb/> kenzug bewilligt hatte. <note place="foot" n="1">Molini <hi rendition="#aq">Documenti storici T. I. p.</hi> 71.</note> Das war doch ganz eben ſo gut,<lb/> als ob der Papſt das Geld ſeinem Neffen gegeben hätte:<lb/> ja vielleicht noch ſchlimmer: er ſchenkte es ihm, ehe es<lb/> noch eingekommen war.</p><lb/> <p>Da lag nun das einzige Mittel, ſich dieſen Auflagen<lb/> entgegenzuſetzen, in den Staatsgewalten, die ſich ſo eben<lb/> conſolidirten: wie wir es an Ximenes in Spanien ſehen;<lb/> wie man auch in England nicht ſo bald von dem Be-<lb/> ſchluſſe des Conciliums gehört haben konnte, als man die<lb/> päpſtlichen Einnehmer ſchwören ließ, weder Geld noch Wech-<lb/> ſel nach Rom zu ſchicken. <note place="foot" n="2">Eid des Silveſter Darius, paͤpſtlichen Collectors <hi rendition="#aq">(in curia<lb/> cancellaria in aula palatii Westmonasteriensis)</hi> 22 April 1517<lb/> bei Rymer <hi rendition="#aq">Foedera VI, 1, p.</hi> 133.</note></p><lb/> <p>Wer aber wäre im Stande geweſen, die deutſchen In-<lb/> tereſſen in Schutz zu nehmen? Ein Regiment gab es nicht<lb/> mehr, der Kaiſer war durch ſeine ſchwankenden politiſchen<lb/> Verhältniſſe namentlich zu Frankreich genöthigt, ein gutes<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [308/0326]
Zweites Buch. Erſtes Capitel.
behauptet hat, der Ertrag des deutſchen Ablaſſes ſey zum
Theil der Schweſter des Papſtes Magdalena beſtimmt ge-
weſen. Die Sache iſt aber ohnehin klar: Niemand kann
leugnen, daß die kirchlichen Beiſteuern auch der Familie
des Papſtes zu Gute kamen. Es liegt uns eine Quittung
vor, von dem Neffen des Papſtes Lorenzo an den König
von Frankreich, für 100000 Livres, die ihm derſelbe für
ſeine Dienſte geſchenkt habe. Darin heißt es ausdrücklich
daß dieſe Summe dem König von dem Zehnten zu Gute
kommen ſoll, den das Concilium dem Papſt zu dem Tür-
kenzug bewilligt hatte. 1 Das war doch ganz eben ſo gut,
als ob der Papſt das Geld ſeinem Neffen gegeben hätte:
ja vielleicht noch ſchlimmer: er ſchenkte es ihm, ehe es
noch eingekommen war.
Da lag nun das einzige Mittel, ſich dieſen Auflagen
entgegenzuſetzen, in den Staatsgewalten, die ſich ſo eben
conſolidirten: wie wir es an Ximenes in Spanien ſehen;
wie man auch in England nicht ſo bald von dem Be-
ſchluſſe des Conciliums gehört haben konnte, als man die
päpſtlichen Einnehmer ſchwören ließ, weder Geld noch Wech-
ſel nach Rom zu ſchicken. 2
Wer aber wäre im Stande geweſen, die deutſchen In-
tereſſen in Schutz zu nehmen? Ein Regiment gab es nicht
mehr, der Kaiſer war durch ſeine ſchwankenden politiſchen
Verhältniſſe namentlich zu Frankreich genöthigt, ein gutes
1 Molini Documenti storici T. I. p. 71.
2 Eid des Silveſter Darius, paͤpſtlichen Collectors (in curia
cancellaria in aula palatii Westmonasteriensis) 22 April 1517
bei Rymer Foedera VI, 1, p. 133.
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Zitationshilfe: | Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/326>, abgerufen am 16.02.2025. |