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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Zweites Buch. Erstes Capitel.
ihre Thätigkeit damit begann, daß sie den Martin Pollich
zum Doctor der Theologie promovirte; 1 die Leitung des
Augustinerconvents gab ihm noch besondern Einfluß. Nicht
ohne Bedeutung war es, daß die Universität eben den h.
Augustin zu ihrem Patron erklärte. In dem praktischen
Verhältniß in welchem wir Staupitz hier antreffen, lernen
wir ihn bei alle seiner entschiedenen Hinneigung zum Tief-
sinn doch zugleich als einen sehr brauchbaren Mann ken-
nen, der sich an dem Hofe zu betragen weiß und mit sei-
nem schlichten Witze selbst dem Fürsten nichts schuldig
bleibt; der auch wohl eine Gesandtschaft übernimmt und
eine Unterhandlung glücklich zu Ende führt; als die tie-
fere Quelle alle seines Thuns und Lassens aber zeigt sich
immer ein ächter Sinn für wahre und tiefe Religion, ein
umfassendes Wohlwollen.

Es läßt sich denken in welchem Sinn diese Männer
an der Universität wirkten: allein gar bald gieng ihr noch
ein andres Gestirn auf. Im Jahr 1508 führte ihr Stau-
pitz den jungen Luther zu.

Es ist nothwendig daß wir einen Augenblick bei den
Jugendjahren Luthers stehen bleiben.

"Ich bin eines Bauern Sohn," sagt er selbst: "mein
Vater, Großvater, Ahn sind rechte Bauern gewesen; darauf
ist mein Vater gen Mansfeld gezogen und ein Berghauer
worden: daher bin ich." 2 Das Geschlecht dem Luther
angehört, ist in Möhra zu Hause, einem Dorfe unmittelbar

1 Liber decanorum facultatis theologorum Witenbergensis
ed. Foerstemann p.
2.
2 Tischreden p. 581.

Zweites Buch. Erſtes Capitel.
ihre Thätigkeit damit begann, daß ſie den Martin Pollich
zum Doctor der Theologie promovirte; 1 die Leitung des
Auguſtinerconvents gab ihm noch beſondern Einfluß. Nicht
ohne Bedeutung war es, daß die Univerſität eben den h.
Auguſtin zu ihrem Patron erklärte. In dem praktiſchen
Verhältniß in welchem wir Staupitz hier antreffen, lernen
wir ihn bei alle ſeiner entſchiedenen Hinneigung zum Tief-
ſinn doch zugleich als einen ſehr brauchbaren Mann ken-
nen, der ſich an dem Hofe zu betragen weiß und mit ſei-
nem ſchlichten Witze ſelbſt dem Fürſten nichts ſchuldig
bleibt; der auch wohl eine Geſandtſchaft übernimmt und
eine Unterhandlung glücklich zu Ende führt; als die tie-
fere Quelle alle ſeines Thuns und Laſſens aber zeigt ſich
immer ein ächter Sinn für wahre und tiefe Religion, ein
umfaſſendes Wohlwollen.

Es läßt ſich denken in welchem Sinn dieſe Männer
an der Univerſität wirkten: allein gar bald gieng ihr noch
ein andres Geſtirn auf. Im Jahr 1508 führte ihr Stau-
pitz den jungen Luther zu.

Es iſt nothwendig daß wir einen Augenblick bei den
Jugendjahren Luthers ſtehen bleiben.

„Ich bin eines Bauern Sohn,“ ſagt er ſelbſt: „mein
Vater, Großvater, Ahn ſind rechte Bauern geweſen; darauf
iſt mein Vater gen Mansfeld gezogen und ein Berghauer
worden: daher bin ich.“ 2 Das Geſchlecht dem Luther
angehört, iſt in Möhra zu Hauſe, einem Dorfe unmittelbar

1 Liber decanorum facultatis theologorum Witenbergensis
ed. Foerstemann p.
2.
2 Tiſchreden p. 581.
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[292/0310] Zweites Buch. Erſtes Capitel. ihre Thätigkeit damit begann, daß ſie den Martin Pollich zum Doctor der Theologie promovirte; 1 die Leitung des Auguſtinerconvents gab ihm noch beſondern Einfluß. Nicht ohne Bedeutung war es, daß die Univerſität eben den h. Auguſtin zu ihrem Patron erklärte. In dem praktiſchen Verhältniß in welchem wir Staupitz hier antreffen, lernen wir ihn bei alle ſeiner entſchiedenen Hinneigung zum Tief- ſinn doch zugleich als einen ſehr brauchbaren Mann ken- nen, der ſich an dem Hofe zu betragen weiß und mit ſei- nem ſchlichten Witze ſelbſt dem Fürſten nichts ſchuldig bleibt; der auch wohl eine Geſandtſchaft übernimmt und eine Unterhandlung glücklich zu Ende führt; als die tie- fere Quelle alle ſeines Thuns und Laſſens aber zeigt ſich immer ein ächter Sinn für wahre und tiefe Religion, ein umfaſſendes Wohlwollen. Es läßt ſich denken in welchem Sinn dieſe Männer an der Univerſität wirkten: allein gar bald gieng ihr noch ein andres Geſtirn auf. Im Jahr 1508 führte ihr Stau- pitz den jungen Luther zu. Es iſt nothwendig daß wir einen Augenblick bei den Jugendjahren Luthers ſtehen bleiben. „Ich bin eines Bauern Sohn,“ ſagt er ſelbſt: „mein Vater, Großvater, Ahn ſind rechte Bauern geweſen; darauf iſt mein Vater gen Mansfeld gezogen und ein Berghauer worden: daher bin ich.“ 2 Das Geſchlecht dem Luther angehört, iſt in Möhra zu Hauſe, einem Dorfe unmittelbar 1 Liber decanorum facultatis theologorum Witenbergensis ed. Foerstemann p. 2. 2 Tiſchreden p. 581.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/310>, abgerufen am 22.11.2024.