Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.Zweites Buch. Erstes Capitel. ihre Thätigkeit damit begann, daß sie den Martin Pollichzum Doctor der Theologie promovirte; 1 die Leitung des Augustinerconvents gab ihm noch besondern Einfluß. Nicht ohne Bedeutung war es, daß die Universität eben den h. Augustin zu ihrem Patron erklärte. In dem praktischen Verhältniß in welchem wir Staupitz hier antreffen, lernen wir ihn bei alle seiner entschiedenen Hinneigung zum Tief- sinn doch zugleich als einen sehr brauchbaren Mann ken- nen, der sich an dem Hofe zu betragen weiß und mit sei- nem schlichten Witze selbst dem Fürsten nichts schuldig bleibt; der auch wohl eine Gesandtschaft übernimmt und eine Unterhandlung glücklich zu Ende führt; als die tie- fere Quelle alle seines Thuns und Lassens aber zeigt sich immer ein ächter Sinn für wahre und tiefe Religion, ein umfassendes Wohlwollen. Es läßt sich denken in welchem Sinn diese Männer Es ist nothwendig daß wir einen Augenblick bei den "Ich bin eines Bauern Sohn," sagt er selbst: "mein 1 Liber decanorum facultatis theologorum Witenbergensis ed. Foerstemann p. 2. 2 Tischreden p. 581.
Zweites Buch. Erſtes Capitel. ihre Thätigkeit damit begann, daß ſie den Martin Pollichzum Doctor der Theologie promovirte; 1 die Leitung des Auguſtinerconvents gab ihm noch beſondern Einfluß. Nicht ohne Bedeutung war es, daß die Univerſität eben den h. Auguſtin zu ihrem Patron erklärte. In dem praktiſchen Verhältniß in welchem wir Staupitz hier antreffen, lernen wir ihn bei alle ſeiner entſchiedenen Hinneigung zum Tief- ſinn doch zugleich als einen ſehr brauchbaren Mann ken- nen, der ſich an dem Hofe zu betragen weiß und mit ſei- nem ſchlichten Witze ſelbſt dem Fürſten nichts ſchuldig bleibt; der auch wohl eine Geſandtſchaft übernimmt und eine Unterhandlung glücklich zu Ende führt; als die tie- fere Quelle alle ſeines Thuns und Laſſens aber zeigt ſich immer ein ächter Sinn für wahre und tiefe Religion, ein umfaſſendes Wohlwollen. Es läßt ſich denken in welchem Sinn dieſe Männer Es iſt nothwendig daß wir einen Augenblick bei den „Ich bin eines Bauern Sohn,“ ſagt er ſelbſt: „mein 1 Liber decanorum facultatis theologorum Witenbergensis ed. Foerstemann p. 2. 2 Tiſchreden p. 581.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0310" n="292"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweites Buch. Erſtes Capitel</hi>.</fw><lb/> ihre Thätigkeit damit begann, daß ſie den Martin Pollich<lb/> zum Doctor der Theologie promovirte; <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Liber decanorum facultatis theologorum Witenbergensis<lb/> ed. Foerstemann p.</hi> 2.</note> die Leitung des<lb/> Auguſtinerconvents gab ihm noch beſondern Einfluß. Nicht<lb/> ohne Bedeutung war es, daß die Univerſität eben den h.<lb/> Auguſtin zu ihrem Patron erklärte. In dem praktiſchen<lb/> Verhältniß in welchem wir Staupitz hier antreffen, lernen<lb/> wir ihn bei alle ſeiner entſchiedenen Hinneigung zum Tief-<lb/> ſinn doch zugleich als einen ſehr brauchbaren Mann ken-<lb/> nen, der ſich an dem Hofe zu betragen weiß und mit ſei-<lb/> nem ſchlichten Witze ſelbſt dem Fürſten nichts ſchuldig<lb/> bleibt; der auch wohl eine Geſandtſchaft übernimmt und<lb/> eine Unterhandlung glücklich zu Ende führt; als die tie-<lb/> fere Quelle alle ſeines Thuns und Laſſens aber zeigt ſich<lb/> immer ein ächter Sinn für wahre und tiefe Religion, ein<lb/> umfaſſendes Wohlwollen.</p><lb/> <p>Es läßt ſich denken in welchem Sinn dieſe Männer<lb/> an der Univerſität wirkten: allein gar bald gieng ihr noch<lb/> ein andres Geſtirn auf. Im Jahr 1508 führte ihr Stau-<lb/> pitz den jungen Luther zu.</p><lb/> <p>Es iſt nothwendig daß wir einen Augenblick bei den<lb/> Jugendjahren Luthers ſtehen bleiben.</p><lb/> <p>„Ich bin eines Bauern Sohn,“ ſagt er ſelbſt: „mein<lb/> Vater, Großvater, Ahn ſind rechte Bauern geweſen; darauf<lb/> iſt mein Vater gen Mansfeld gezogen und ein Berghauer<lb/> worden: daher bin ich.“ <note place="foot" n="2">Tiſchreden <hi rendition="#aq">p.</hi> 581.</note> Das Geſchlecht dem Luther<lb/> angehört, iſt in Möhra zu Hauſe, einem Dorfe unmittelbar<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [292/0310]
Zweites Buch. Erſtes Capitel.
ihre Thätigkeit damit begann, daß ſie den Martin Pollich
zum Doctor der Theologie promovirte; 1 die Leitung des
Auguſtinerconvents gab ihm noch beſondern Einfluß. Nicht
ohne Bedeutung war es, daß die Univerſität eben den h.
Auguſtin zu ihrem Patron erklärte. In dem praktiſchen
Verhältniß in welchem wir Staupitz hier antreffen, lernen
wir ihn bei alle ſeiner entſchiedenen Hinneigung zum Tief-
ſinn doch zugleich als einen ſehr brauchbaren Mann ken-
nen, der ſich an dem Hofe zu betragen weiß und mit ſei-
nem ſchlichten Witze ſelbſt dem Fürſten nichts ſchuldig
bleibt; der auch wohl eine Geſandtſchaft übernimmt und
eine Unterhandlung glücklich zu Ende führt; als die tie-
fere Quelle alle ſeines Thuns und Laſſens aber zeigt ſich
immer ein ächter Sinn für wahre und tiefe Religion, ein
umfaſſendes Wohlwollen.
Es läßt ſich denken in welchem Sinn dieſe Männer
an der Univerſität wirkten: allein gar bald gieng ihr noch
ein andres Geſtirn auf. Im Jahr 1508 führte ihr Stau-
pitz den jungen Luther zu.
Es iſt nothwendig daß wir einen Augenblick bei den
Jugendjahren Luthers ſtehen bleiben.
„Ich bin eines Bauern Sohn,“ ſagt er ſelbſt: „mein
Vater, Großvater, Ahn ſind rechte Bauern geweſen; darauf
iſt mein Vater gen Mansfeld gezogen und ein Berghauer
worden: daher bin ich.“ 2 Das Geſchlecht dem Luther
angehört, iſt in Möhra zu Hauſe, einem Dorfe unmittelbar
1 Liber decanorum facultatis theologorum Witenbergensis
ed. Foerstemann p. 2.
2 Tiſchreden p. 581.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |