Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Religiöse Stellung des Papstthums.
rung der Priester von den Laien, die freilich noch andre
tiefere Wurzeln hatte, gab sie erst ihre volle Bedeutung.
In dem Priester fieng man an, den Vermittler zwischen
Gott und Mensch zu erblicken. 1

Die Institute dieser Sonderung selbst sind denn auch,
wie man weiß, Erzeugnisse der nemlichen Epoche. In
dem dreizehnten Jahrhundert ward allem Widerspruch zum
Trotz der Cölibat der Priester zum unverbrüchlichen Gesetz.
Da fieng man auch an den Laien den Kelch zu entziehen.
Man leugnete nicht, daß der Genuß beider Gestalten das
Vollkommnere sey; aber das Würdigere wollte man den
Würdigern vorbehalten: Denen, auf deren Thätigkeit es
ja auch allein ankam. "Nicht im Genuß der Gläubi-
gen," sagt St. Thomas, "liegt die Vollendung der Sa-
cramente, sondern allein in der Consecration." 2

In der That: bei weitem weniger zur Unterweisung,
zur Predigt des Evangeliums schien die Kirche bestimmt
zu seyn, als dazu, das Mysterium hervorzubringen; das
Priesterthum ist durch die Sacramente im Besitze dieser Fä-
higkeit: durch die Priester wird das Heilige der Menge
zu Theil.

Wenn das Priesterthum sich auf der Einen Seite

Geburt Christi, utrum de purissimis sanguinibus virginis formatus
fuerit
u. s. w. Summae pars III, qu. 31. Man sieht welchen Werth
man darauf legte.
1 Sacerdos, sagt Thomas, constituitur medius inter deum
et populum. Sacerdos novae legis in persona Christi operatur.
Summae pars III, quaestio 22, art. 4 concl.
2 Perfectio hujus sacramenti non est in usu fidelium sed
in consecratione materiae pars III, qu. 80, a. 12, c. 2m.

Religioͤſe Stellung des Papſtthums.
rung der Prieſter von den Laien, die freilich noch andre
tiefere Wurzeln hatte, gab ſie erſt ihre volle Bedeutung.
In dem Prieſter fieng man an, den Vermittler zwiſchen
Gott und Menſch zu erblicken. 1

Die Inſtitute dieſer Sonderung ſelbſt ſind denn auch,
wie man weiß, Erzeugniſſe der nemlichen Epoche. In
dem dreizehnten Jahrhundert ward allem Widerſpruch zum
Trotz der Cölibat der Prieſter zum unverbrüchlichen Geſetz.
Da fieng man auch an den Laien den Kelch zu entziehen.
Man leugnete nicht, daß der Genuß beider Geſtalten das
Vollkommnere ſey; aber das Würdigere wollte man den
Würdigern vorbehalten: Denen, auf deren Thätigkeit es
ja auch allein ankam. „Nicht im Genuß der Gläubi-
gen,“ ſagt St. Thomas, „liegt die Vollendung der Sa-
cramente, ſondern allein in der Conſecration.“ 2

In der That: bei weitem weniger zur Unterweiſung,
zur Predigt des Evangeliums ſchien die Kirche beſtimmt
zu ſeyn, als dazu, das Myſterium hervorzubringen; das
Prieſterthum iſt durch die Sacramente im Beſitze dieſer Fä-
higkeit: durch die Prieſter wird das Heilige der Menge
zu Theil.

Wenn das Prieſterthum ſich auf der Einen Seite

Geburt Chriſti, utrum de purissimis sanguinibus virginis formatus
fuerit
u. ſ. w. Summae pars III, qu. 31. Man ſieht welchen Werth
man darauf legte.
1 Sacerdos, ſagt Thomas, constituitur medius inter deum
et populum. Sacerdos novae legis in persona Christi operatur.
Summae pars III, quaestio 22, art. 4 concl.
2 Perfectio hujus sacramenti non est in usu fidelium sed
in consecratione materiae pars III, qu. 80, a. 12, c. 2m.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0253" n="235"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Religio&#x0364;&#x017F;e Stellung des Pap&#x017F;tthums</hi>.</fw><lb/>
rung der Prie&#x017F;ter von den Laien, die freilich noch andre<lb/>
tiefere Wurzeln hatte, gab &#x017F;ie er&#x017F;t ihre volle Bedeutung.<lb/>
In dem Prie&#x017F;ter fieng man an, den Vermittler zwi&#x017F;chen<lb/>
Gott und Men&#x017F;ch zu erblicken. <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Sacerdos,</hi> &#x017F;agt Thomas, <hi rendition="#aq">constituitur medius inter deum<lb/>
et populum. Sacerdos novae legis in persona Christi operatur.<lb/>
Summae pars III, quaestio 22, art. 4 concl.</hi></note></p><lb/>
            <p>Die In&#x017F;titute die&#x017F;er Sonderung &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ind denn auch,<lb/>
wie man weiß, Erzeugni&#x017F;&#x017F;e der nemlichen Epoche. In<lb/>
dem dreizehnten Jahrhundert ward allem Wider&#x017F;pruch zum<lb/>
Trotz der Cölibat der Prie&#x017F;ter zum unverbrüchlichen Ge&#x017F;etz.<lb/>
Da fieng man auch an den Laien den Kelch zu entziehen.<lb/>
Man leugnete nicht, daß der Genuß beider Ge&#x017F;talten das<lb/>
Vollkommnere &#x017F;ey; aber das Würdigere wollte man den<lb/>
Würdigern vorbehalten: Denen, auf deren Thätigkeit es<lb/>
ja auch allein ankam. &#x201E;Nicht im Genuß der Gläubi-<lb/>
gen,&#x201C; &#x017F;agt St. Thomas, &#x201E;liegt die Vollendung der Sa-<lb/>
cramente, &#x017F;ondern allein in der Con&#x017F;ecration.&#x201C; <note place="foot" n="2"><hi rendition="#aq">Perfectio hujus sacramenti non est in usu fidelium sed<lb/>
in consecratione materiae pars III, qu. 80, a. 12, c. 2<hi rendition="#sup">m</hi>.</hi></note></p><lb/>
            <p>In der That: bei weitem weniger zur Unterwei&#x017F;ung,<lb/>
zur Predigt des Evangeliums &#x017F;chien die Kirche be&#x017F;timmt<lb/>
zu &#x017F;eyn, als dazu, das My&#x017F;terium hervorzubringen; das<lb/>
Prie&#x017F;terthum i&#x017F;t durch die Sacramente im Be&#x017F;itze die&#x017F;er Fä-<lb/>
higkeit: durch die Prie&#x017F;ter wird das Heilige der Menge<lb/>
zu Theil.</p><lb/>
            <p>Wenn das Prie&#x017F;terthum &#x017F;ich auf der Einen Seite<lb/><note xml:id="seg2pn_23_2" prev="#seg2pn_23_1" place="foot" n="1">Geburt Chri&#x017F;ti, <hi rendition="#aq">utrum de purissimis sanguinibus virginis formatus<lb/>
fuerit</hi> u. &#x017F;. w. <hi rendition="#aq">Summae pars III, qu.</hi> 31. Man &#x017F;ieht welchen Werth<lb/>
man darauf legte.</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[235/0253] Religioͤſe Stellung des Papſtthums. rung der Prieſter von den Laien, die freilich noch andre tiefere Wurzeln hatte, gab ſie erſt ihre volle Bedeutung. In dem Prieſter fieng man an, den Vermittler zwiſchen Gott und Menſch zu erblicken. 1 Die Inſtitute dieſer Sonderung ſelbſt ſind denn auch, wie man weiß, Erzeugniſſe der nemlichen Epoche. In dem dreizehnten Jahrhundert ward allem Widerſpruch zum Trotz der Cölibat der Prieſter zum unverbrüchlichen Geſetz. Da fieng man auch an den Laien den Kelch zu entziehen. Man leugnete nicht, daß der Genuß beider Geſtalten das Vollkommnere ſey; aber das Würdigere wollte man den Würdigern vorbehalten: Denen, auf deren Thätigkeit es ja auch allein ankam. „Nicht im Genuß der Gläubi- gen,“ ſagt St. Thomas, „liegt die Vollendung der Sa- cramente, ſondern allein in der Conſecration.“ 2 In der That: bei weitem weniger zur Unterweiſung, zur Predigt des Evangeliums ſchien die Kirche beſtimmt zu ſeyn, als dazu, das Myſterium hervorzubringen; das Prieſterthum iſt durch die Sacramente im Beſitze dieſer Fä- higkeit: durch die Prieſter wird das Heilige der Menge zu Theil. Wenn das Prieſterthum ſich auf der Einen Seite 1 1 Sacerdos, ſagt Thomas, constituitur medius inter deum et populum. Sacerdos novae legis in persona Christi operatur. Summae pars III, quaestio 22, art. 4 concl. 2 Perfectio hujus sacramenti non est in usu fidelium sed in consecratione materiae pars III, qu. 80, a. 12, c. 2m. 1 Geburt Chriſti, utrum de purissimis sanguinibus virginis formatus fuerit u. ſ. w. Summae pars III, qu. 31. Man ſieht welchen Werth man darauf legte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/253
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/253>, abgerufen am 22.11.2024.