Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.Zweites Buch. Erstes Capitel. schafft: aber noch Petrus Lombardus wagte sich nicht da-für zu entscheiden; erst zu seinen Zeiten kam das bezeich- nende Wort Transsubstantiation in Umlauf; es dauerte noch bis in den Anfang des dreizehnten Jahrhunderts, ehe Begriff und Wort die kirchliche Bestätigung empfiengen; bekanntlich ist dieß erst durch das lateranensische Glaubens- bekenntniß im J. 1215 geschehen; erst seitdem verschwanden die bis dahin noch immer und zwar auch von Seiten einer tiefern religiösen Anschauung erhobenen Einwendungen. Es liegt aber am Tage von welch unendlicher Wich- Auch die Prärogative des Priesterstandes hat darauf 1 Vgl. die Untersuchungen des Thomas von Aquino über die
Zweites Buch. Erſtes Capitel. ſchafft: aber noch Petrus Lombardus wagte ſich nicht da-für zu entſcheiden; erſt zu ſeinen Zeiten kam das bezeich- nende Wort Transſubſtantiation in Umlauf; es dauerte noch bis in den Anfang des dreizehnten Jahrhunderts, ehe Begriff und Wort die kirchliche Beſtätigung empfiengen; bekanntlich iſt dieß erſt durch das lateranenſiſche Glaubens- bekenntniß im J. 1215 geſchehen; erſt ſeitdem verſchwanden die bis dahin noch immer und zwar auch von Seiten einer tiefern religiöſen Anſchauung erhobenen Einwendungen. Es liegt aber am Tage von welch unendlicher Wich- Auch die Prärogative des Prieſterſtandes hat darauf 1 Vgl. die Unterſuchungen des Thomas von Aquino uͤber die
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Zweites Buch. Erſtes Capitel.
ſchafft: aber noch Petrus Lombardus wagte ſich nicht da-
für zu entſcheiden; erſt zu ſeinen Zeiten kam das bezeich-
nende Wort Transſubſtantiation in Umlauf; es dauerte
noch bis in den Anfang des dreizehnten Jahrhunderts, ehe
Begriff und Wort die kirchliche Beſtätigung empfiengen;
bekanntlich iſt dieß erſt durch das lateranenſiſche Glaubens-
bekenntniß im J. 1215 geſchehen; erſt ſeitdem verſchwanden
die bis dahin noch immer und zwar auch von Seiten einer
tiefern religiöſen Anſchauung erhobenen Einwendungen.
Es liegt aber am Tage von welch unendlicher Wich-
tigkeit dieſe Doctrin für den Kirchendienſt geworden iſt,
der ſich um das Myſterium in dieſer Auffaſſung gleichſam
cryſtalliſirt hat. Die Ideen der myſtiſch-ſinnlichen Gegen-
wart Chriſti in der Kirche bekamen dadurch eine lebendige
Repräſentation: die Anbetung des Hochwürdigen führte
ſich ein; die Feſte kamen auf, in denen dieß größte aller
Wunder, das ſich unaufhörlich wiederholt, gefeiert ward;
es ſteht damit in nahem Zuſammenhang, daß der Dienſt
der Maria, der leiblichen Mutter Chriſti in dem ſpätern
Mittelalter ein ſo großes Übergewicht erlangte.
Auch die Prärogative des Prieſterſtandes hat darauf
die weſentlichſte Beziehung. Die Lehre von dem Charakter
ward ausgebildet, d. i. von der dem Prieſter durch die
Weihe mitgetheilten Kraft, „den Leib Chriſti,“ wie man
zu ſagen ſich nicht ſcheute, „zu machen, in der Perſon
Chriſti wirkſam zu ſeyn.“ Sie iſt ein Product des drei-
zehnten Jahrhunderts: hauptſächlich von Alex. von Hales
und Thomas von Aquino ſtammt ſie her. 1 Der Sonde-
1 Vgl. die Unterſuchungen des Thomas von Aquino uͤber die
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