und Landesfürsten seyen. 1 Über den Grundsatz war man nicht streitig. In den Reichsabschieden ward immer be- stimmt, daß den Ständen alle die Hülfe vorbehalten bleibe, die ihnen von Alters her gehöre: in jedem Fall aber er- neuerte sich doch immer die Frage und der gegenseitige Anspruch. Auch die mächtigsten Fürsten hatten sich zu be- klagen, daß der kaiserliche Fiscal am Kammergericht ihre Vasallen mit Pönalmandaten verfolge.
Überhaupt erweckte das Kammergericht Widerspruch von allen Seiten. Die Fürsten fanden sich dadurch be- schränkt, die unteren Stände nicht geschützt. Sachsen und Brandenburg brachten in Erinnerung, daß sie ihre fürst- lichen Freiheiten nur unter gewissen Bedingungen dem Kam- mergericht unterworfen: Joachim I von Brandenburg be- schwerte sich, daß das Kammergericht Appellationen von seinen Landgerichten annehme: was bei seines Vaters Zei- ten nie geschehen. 2 Die Reichsritterschaft war dagegen über den Einfluß unzufrieden, der von den Mächtigen auf das Gericht ausgeübt werde: wenn ein Fürst sehe daß er unterliegen werde, so wisse er den Proceß zu verhin- dern: und wenigstens Kaiser Maximilian giebt ihr nicht unrecht; entweder, sagt er, könne der Arme von Adel gar kein Recht bekommen, oder es sey "so scharf und spitzig" daß es ihm nichts fruchte. Da blieben auch die Städte
1 Man weiß daß er damit nicht durchdrang. Die Entschei- dang des Reichstags von 1510 ist die Hauptgrundlage der Hambur- gischen Reichsfreiheit. Lünig Reichs A. Pars spec. Cont. IV p. 965.
2 Schreiben Friedrichs von Sachsen an Renner Mittwoch nach dem h. Dreikönigtag 1509 (Weim. A.); Joachims I die crps Christi 1510.
Erſtes Buch.
und Landesfürſten ſeyen. 1 Über den Grundſatz war man nicht ſtreitig. In den Reichsabſchieden ward immer be- ſtimmt, daß den Ständen alle die Hülfe vorbehalten bleibe, die ihnen von Alters her gehöre: in jedem Fall aber er- neuerte ſich doch immer die Frage und der gegenſeitige Anſpruch. Auch die mächtigſten Fürſten hatten ſich zu be- klagen, daß der kaiſerliche Fiscal am Kammergericht ihre Vaſallen mit Pönalmandaten verfolge.
Überhaupt erweckte das Kammergericht Widerſpruch von allen Seiten. Die Fürſten fanden ſich dadurch be- ſchränkt, die unteren Stände nicht geſchützt. Sachſen und Brandenburg brachten in Erinnerung, daß ſie ihre fürſt- lichen Freiheiten nur unter gewiſſen Bedingungen dem Kam- mergericht unterworfen: Joachim I von Brandenburg be- ſchwerte ſich, daß das Kammergericht Appellationen von ſeinen Landgerichten annehme: was bei ſeines Vaters Zei- ten nie geſchehen. 2 Die Reichsritterſchaft war dagegen über den Einfluß unzufrieden, der von den Mächtigen auf das Gericht ausgeübt werde: wenn ein Fürſt ſehe daß er unterliegen werde, ſo wiſſe er den Proceß zu verhin- dern: und wenigſtens Kaiſer Maximilian giebt ihr nicht unrecht; entweder, ſagt er, könne der Arme von Adel gar kein Recht bekommen, oder es ſey „ſo ſcharf und ſpitzig“ daß es ihm nichts fruchte. Da blieben auch die Städte
1 Man weiß daß er damit nicht durchdrang. Die Entſchei- dang des Reichstags von 1510 iſt die Hauptgrundlage der Hambur- giſchen Reichsfreiheit. Luͤnig Reichs A. Pars spec. Cont. IV p. 965.
2 Schreiben Friedrichs von Sachſen an Renner Mittwoch nach dem h. Dreikoͤnigtag 1509 (Weim. A.); Joachims I die crps Christi 1510.
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Erſtes Buch.
und Landesfürſten ſeyen. 1 Über den Grundſatz war man
nicht ſtreitig. In den Reichsabſchieden ward immer be-
ſtimmt, daß den Ständen alle die Hülfe vorbehalten bleibe,
die ihnen von Alters her gehöre: in jedem Fall aber er-
neuerte ſich doch immer die Frage und der gegenſeitige
Anſpruch. Auch die mächtigſten Fürſten hatten ſich zu be-
klagen, daß der kaiſerliche Fiscal am Kammergericht ihre
Vaſallen mit Pönalmandaten verfolge.
Überhaupt erweckte das Kammergericht Widerſpruch
von allen Seiten. Die Fürſten fanden ſich dadurch be-
ſchränkt, die unteren Stände nicht geſchützt. Sachſen und
Brandenburg brachten in Erinnerung, daß ſie ihre fürſt-
lichen Freiheiten nur unter gewiſſen Bedingungen dem Kam-
mergericht unterworfen: Joachim I von Brandenburg be-
ſchwerte ſich, daß das Kammergericht Appellationen von
ſeinen Landgerichten annehme: was bei ſeines Vaters Zei-
ten nie geſchehen. 2 Die Reichsritterſchaft war dagegen
über den Einfluß unzufrieden, der von den Mächtigen auf
das Gericht ausgeübt werde: wenn ein Fürſt ſehe daß
er unterliegen werde, ſo wiſſe er den Proceß zu verhin-
dern: und wenigſtens Kaiſer Maximilian giebt ihr nicht
unrecht; entweder, ſagt er, könne der Arme von Adel gar
kein Recht bekommen, oder es ſey „ſo ſcharf und ſpitzig“
daß es ihm nichts fruchte. Da blieben auch die Städte
1 Man weiß daß er damit nicht durchdrang. Die Entſchei-
dang des Reichstags von 1510 iſt die Hauptgrundlage der Hambur-
giſchen Reichsfreiheit. Luͤnig Reichs A. Pars spec. Cont. IV p. 965.
2 Schreiben Friedrichs von Sachſen an Renner Mittwoch
nach dem h. Dreikoͤnigtag 1509 (Weim. A.); Joachims I die crps
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/220>, abgerufen am 16.02.2025.
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