Aufruhr der Landsknechte verschaffte ihnen Zeit dazu -- die- selben auf das stärkste zu besetzen. Maximilian sah wohl ein: wollte er die Krone erlangen, so mußte er sie sich mit Gewalt der Waffen und ernstlichem Krieg erobern. Er säumte nicht einen neuen Reichstag zu berufen.
Noch einmal, im Frühjahr 1507, versammelten sich die Stände in voller Ergebenheit gegen den König: noch waren sie von den Eindrücken der letzten Ereignisse be- herrscht; die Fremden erstaunten, wie einmüthig sie waren, wie viel Ansehn der römische König bei ihnen genoß. Es ist wohl nicht ohne Grund, was die Italiener bemerken, daß ein Unfall, der den König betroffen, ihm doch für die innern deutschen Angelegenheiten zu Statten gekommen sey. 1 Jener sein niederländischer Sohn Philipp hatte das Königreich Castilien kaum angetreten, als er im Septem- ber 1506 unvermuthet starb. Die deutschen Fürsten hat- ten die aufkommende Größe dieses jungen Monarchen im- mer mit Mißtrauen betrachtet. Sie hatten gefürchtet, sein Vater werde ihn zum Churfürsten, wovon schon einmal die Rede gewesen, oder zum Reichsvicarius, oder wenn er selbst gekrönt sey zum römischen König zu machen suchen; und diese erste Idee einer Verbindung der Reichsgewalt mit der burgundischen und castilischen Macht hatte sie nicht wenig erschreckt. Der Tod Philipps befreite sie von die- ser Furcht: die Söhne die er hinterlassen, waren noch zu
1Somaria di la relatione di Vic. Querini, Doctor, ritor- nato dal re di Romani 1507 Nov. Chronik v. Sanuto Wien. A. Tom. VII. Cr meint der Churfürst von Sachsen mache sich Hof- nung. Il re a gran poder in Alemagna, sagt auch er, e molto amato, perche quelli non l'ubediva e morti.
Erſtes Buch.
Aufruhr der Landsknechte verſchaffte ihnen Zeit dazu — die- ſelben auf das ſtärkſte zu beſetzen. Maximilian ſah wohl ein: wollte er die Krone erlangen, ſo mußte er ſie ſich mit Gewalt der Waffen und ernſtlichem Krieg erobern. Er ſäumte nicht einen neuen Reichstag zu berufen.
Noch einmal, im Frühjahr 1507, verſammelten ſich die Stände in voller Ergebenheit gegen den König: noch waren ſie von den Eindrücken der letzten Ereigniſſe be- herrſcht; die Fremden erſtaunten, wie einmüthig ſie waren, wie viel Anſehn der römiſche König bei ihnen genoß. Es iſt wohl nicht ohne Grund, was die Italiener bemerken, daß ein Unfall, der den König betroffen, ihm doch für die innern deutſchen Angelegenheiten zu Statten gekommen ſey. 1 Jener ſein niederländiſcher Sohn Philipp hatte das Königreich Caſtilien kaum angetreten, als er im Septem- ber 1506 unvermuthet ſtarb. Die deutſchen Fürſten hat- ten die aufkommende Größe dieſes jungen Monarchen im- mer mit Mißtrauen betrachtet. Sie hatten gefürchtet, ſein Vater werde ihn zum Churfürſten, wovon ſchon einmal die Rede geweſen, oder zum Reichsvicarius, oder wenn er ſelbſt gekrönt ſey zum römiſchen König zu machen ſuchen; und dieſe erſte Idee einer Verbindung der Reichsgewalt mit der burgundiſchen und caſtiliſchen Macht hatte ſie nicht wenig erſchreckt. Der Tod Philipps befreite ſie von die- ſer Furcht: die Söhne die er hinterlaſſen, waren noch zu
1Somaria di la relatione di Vic. Querini, Doctor, ritor- nato dal re di Romani 1507 Nov. Chronik v. Sanuto Wien. A. Tom. VII. Cr meint der Churfuͤrſt von Sachſen mache ſich Hof- nung. Il re a gran poder in Alemagna, ſagt auch er, è molto amato, perche quelli non l’ubediva è morti.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0188"n="170"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Erſtes Buch</hi>.</fw><lb/>
Aufruhr der Landsknechte verſchaffte ihnen Zeit dazu — die-<lb/>ſelben auf das ſtärkſte zu beſetzen. Maximilian ſah wohl<lb/>
ein: wollte er die Krone erlangen, ſo mußte er ſie ſich<lb/>
mit Gewalt der Waffen und ernſtlichem Krieg erobern. Er<lb/>ſäumte nicht einen neuen Reichstag zu berufen.</p><lb/><p>Noch einmal, im Frühjahr 1507, verſammelten ſich<lb/>
die Stände in voller Ergebenheit gegen den König: noch<lb/>
waren ſie von den Eindrücken der letzten Ereigniſſe be-<lb/>
herrſcht; die Fremden erſtaunten, wie einmüthig ſie waren,<lb/>
wie viel Anſehn der römiſche König bei ihnen genoß. Es<lb/>
iſt wohl nicht ohne Grund, was die Italiener bemerken,<lb/>
daß ein Unfall, der den König betroffen, ihm doch für die<lb/>
innern deutſchen Angelegenheiten zu Statten gekommen<lb/>ſey. <noteplace="foot"n="1"><hirendition="#aq">Somaria di la relatione di Vic. Querini, Doctor, ritor-<lb/>
nato dal re di Romani 1507 Nov.</hi> Chronik v. Sanuto Wien. A.<lb/><hirendition="#aq">Tom. VII.</hi> Cr meint der Churfuͤrſt von Sachſen mache ſich Hof-<lb/>
nung. <hirendition="#aq">Il re a gran poder in Alemagna,</hi>ſagt auch er, <hirendition="#aq">è molto<lb/>
amato, perche quelli non l’ubediva è morti.</hi></note> Jener ſein niederländiſcher Sohn Philipp hatte das<lb/>
Königreich Caſtilien kaum angetreten, als er im Septem-<lb/>
ber 1506 unvermuthet ſtarb. Die deutſchen Fürſten hat-<lb/>
ten die aufkommende Größe dieſes jungen Monarchen im-<lb/>
mer mit Mißtrauen betrachtet. Sie hatten gefürchtet, ſein<lb/>
Vater werde ihn zum Churfürſten, wovon ſchon einmal<lb/>
die Rede geweſen, oder zum Reichsvicarius, oder wenn er<lb/>ſelbſt gekrönt ſey zum römiſchen König zu machen ſuchen;<lb/>
und dieſe erſte Idee einer Verbindung der Reichsgewalt<lb/>
mit der burgundiſchen und caſtiliſchen Macht hatte ſie nicht<lb/>
wenig erſchreckt. Der Tod Philipps befreite ſie von die-<lb/>ſer Furcht: die Söhne die er hinterlaſſen, waren noch zu<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[170/0188]
Erſtes Buch.
Aufruhr der Landsknechte verſchaffte ihnen Zeit dazu — die-
ſelben auf das ſtärkſte zu beſetzen. Maximilian ſah wohl
ein: wollte er die Krone erlangen, ſo mußte er ſie ſich
mit Gewalt der Waffen und ernſtlichem Krieg erobern. Er
ſäumte nicht einen neuen Reichstag zu berufen.
Noch einmal, im Frühjahr 1507, verſammelten ſich
die Stände in voller Ergebenheit gegen den König: noch
waren ſie von den Eindrücken der letzten Ereigniſſe be-
herrſcht; die Fremden erſtaunten, wie einmüthig ſie waren,
wie viel Anſehn der römiſche König bei ihnen genoß. Es
iſt wohl nicht ohne Grund, was die Italiener bemerken,
daß ein Unfall, der den König betroffen, ihm doch für die
innern deutſchen Angelegenheiten zu Statten gekommen
ſey. 1 Jener ſein niederländiſcher Sohn Philipp hatte das
Königreich Caſtilien kaum angetreten, als er im Septem-
ber 1506 unvermuthet ſtarb. Die deutſchen Fürſten hat-
ten die aufkommende Größe dieſes jungen Monarchen im-
mer mit Mißtrauen betrachtet. Sie hatten gefürchtet, ſein
Vater werde ihn zum Churfürſten, wovon ſchon einmal
die Rede geweſen, oder zum Reichsvicarius, oder wenn er
ſelbſt gekrönt ſey zum römiſchen König zu machen ſuchen;
und dieſe erſte Idee einer Verbindung der Reichsgewalt
mit der burgundiſchen und caſtiliſchen Macht hatte ſie nicht
wenig erſchreckt. Der Tod Philipps befreite ſie von die-
ſer Furcht: die Söhne die er hinterlaſſen, waren noch zu
1 Somaria di la relatione di Vic. Querini, Doctor, ritor-
nato dal re di Romani 1507 Nov. Chronik v. Sanuto Wien. A.
Tom. VII. Cr meint der Churfuͤrſt von Sachſen mache ſich Hof-
nung. Il re a gran poder in Alemagna, ſagt auch er, è molto
amato, perche quelli non l’ubediva è morti.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/188>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.