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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Vorrede.

Das war mir nun hier reichlich gewährt. Von
dem Neuen, was ich fand, bezog sich das Meiste
entweder unmittelbar oder doch mittelbar auf die
Reformations-Epoche. Über die Zustände durch
welche die religiös-politische Bewegung jener Zeit
vorbereitet, die Momente unsres nationalen Lebens
durch welche sie befördert ward, den Ursprung und
die Wirkung des Widerstandes auf welchen sie stieß,
ergab sich mir bei jedem Schritte neue Belehrung.
Man kann sich einer Begebenheit von einem so in-
tensiven geistigen Inhalt und einer zugleich äußer-
lich so weltbeherrschenden Bedeutung nicht nähern,
ohne von ihr durch und durch ergriffen, festgehalten zu
werden. Ich fühlte wohl, daß wenn ich meine Ar-
beit ausführen ein Buch daraus machen wollte, die
Reformation den Mittelpunct derselben bilden würde.

Dazu aber war mir noch eine genauere Kunde
der in dem evangelischen Theile vorgegangenen Ent-
wickelung besonders in politischer Beziehung nothwen-
dig, als sie sich aus gedruckten Nachrichten entnehmen
läßt. Das gemeinschaftliche Archiv des sächsisch-erne-
stinischen Hauses zu Weimar welches ich im August
1837 besuchte, bot mir dar was ich wünschte. Es
kann für die bezeichnete Epoche, in der dieses Haus
eine so große Rolle spielte, auch kein inhaltreiche-
res Local geben, als das Gewölbe, in welchem das
Archiv desselben aufbewahrt wird. Wände und innere
Räume sind von den Actenconvoluten eingenommen,
welche sich auf die damaligen Thätigkeiten und Ver-
hältnisse beziehen. Man hat hier jeden eingegan-
genen Zettel, jeden Entwurf einer Antwort aufbe-

Vorrede.

Das war mir nun hier reichlich gewährt. Von
dem Neuen, was ich fand, bezog ſich das Meiſte
entweder unmittelbar oder doch mittelbar auf die
Reformations-Epoche. Über die Zuſtände durch
welche die religiös-politiſche Bewegung jener Zeit
vorbereitet, die Momente unſres nationalen Lebens
durch welche ſie befördert ward, den Urſprung und
die Wirkung des Widerſtandes auf welchen ſie ſtieß,
ergab ſich mir bei jedem Schritte neue Belehrung.
Man kann ſich einer Begebenheit von einem ſo in-
tenſiven geiſtigen Inhalt und einer zugleich äußer-
lich ſo weltbeherrſchenden Bedeutung nicht nähern,
ohne von ihr durch und durch ergriffen, feſtgehalten zu
werden. Ich fühlte wohl, daß wenn ich meine Ar-
beit ausführen ein Buch daraus machen wollte, die
Reformation den Mittelpunct derſelben bilden würde.

Dazu aber war mir noch eine genauere Kunde
der in dem evangeliſchen Theile vorgegangenen Ent-
wickelung beſonders in politiſcher Beziehung nothwen-
dig, als ſie ſich aus gedruckten Nachrichten entnehmen
läßt. Das gemeinſchaftliche Archiv des ſächſiſch-erne-
ſtiniſchen Hauſes zu Weimar welches ich im Auguſt
1837 beſuchte, bot mir dar was ich wünſchte. Es
kann für die bezeichnete Epoche, in der dieſes Haus
eine ſo große Rolle ſpielte, auch kein inhaltreiche-
res Local geben, als das Gewölbe, in welchem das
Archiv deſſelben aufbewahrt wird. Wände und innere
Räume ſind von den Actenconvoluten eingenommen,
welche ſich auf die damaligen Thätigkeiten und Ver-
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[VII/0013] Vorrede. Das war mir nun hier reichlich gewährt. Von dem Neuen, was ich fand, bezog ſich das Meiſte entweder unmittelbar oder doch mittelbar auf die Reformations-Epoche. Über die Zuſtände durch welche die religiös-politiſche Bewegung jener Zeit vorbereitet, die Momente unſres nationalen Lebens durch welche ſie befördert ward, den Urſprung und die Wirkung des Widerſtandes auf welchen ſie ſtieß, ergab ſich mir bei jedem Schritte neue Belehrung. Man kann ſich einer Begebenheit von einem ſo in- tenſiven geiſtigen Inhalt und einer zugleich äußer- lich ſo weltbeherrſchenden Bedeutung nicht nähern, ohne von ihr durch und durch ergriffen, feſtgehalten zu werden. Ich fühlte wohl, daß wenn ich meine Ar- beit ausführen ein Buch daraus machen wollte, die Reformation den Mittelpunct derſelben bilden würde. Dazu aber war mir noch eine genauere Kunde der in dem evangeliſchen Theile vorgegangenen Ent- wickelung beſonders in politiſcher Beziehung nothwen- dig, als ſie ſich aus gedruckten Nachrichten entnehmen läßt. Das gemeinſchaftliche Archiv des ſächſiſch-erne- ſtiniſchen Hauſes zu Weimar welches ich im Auguſt 1837 beſuchte, bot mir dar was ich wünſchte. Es kann für die bezeichnete Epoche, in der dieſes Haus eine ſo große Rolle ſpielte, auch kein inhaltreiche- res Local geben, als das Gewölbe, in welchem das Archiv deſſelben aufbewahrt wird. Wände und innere Räume ſind von den Actenconvoluten eingenommen, welche ſich auf die damaligen Thätigkeiten und Ver- hältniſſe beziehen. Man hat hier jeden eingegan- genen Zettel, jeden Entwurf einer Antwort aufbe-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/13>, abgerufen am 21.11.2024.