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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Grundlegung einer neuen Berfassung.
Churfürsten vereinigten sich im J. 1486 seinen Sohn Ma-
ximilian zum römischen König zu erwählen. Vor allen ist
Albrecht Achilles von Brandenburg hiebei thätig gewesen.
Trotz seiner hohen Jahre kam er noch einmal in Person
nach Frankfurt; auf einem Tragsessel ließ er sich in die
Wahlcapelle bringen; auf demselben trug er nach vollbrach-
ter Handlung den Scepter vor; noch war er in Ausübung
seiner Reichspflichten begriffen als er starb. Es konnte
den Churfürsten nicht entgehen, daß die Ansprüche des
Hauses Östreich auf die Hülfe des Reiches hiedurch gar
sehr verstärkt wurden. Maximilian, Eidam Carls des
Kühnen, der die burgundischen Rechte in den Niederlan-
den durchzufechten übernommen hatte, erfuhr dort nicht
viel geringere Widerwärtigkeiten als sein Vater in Öst-
reich, und konnte schlechterdings nicht verlassen werden.
Seine Wahl bekam erst ihre volle Bedeutung wenn man
nun auch jene Länder, die bisher eine feindselige Stellung
gehabt, dadurch, daß man sie ihm unterwarf, dem Reiche
wieder zuwendete. Man mußte sich fertig machen, nach
beiden Seiten Hülfe zu leisten. Eben dadurch erlangten
nun aber auch die Stände ein verdoppeltes Recht, die in-
nern Angelegenheiten nach ihrem Sinne zur Sprache zu
bringen. Sie hatten sich neue Verdienste um das re-
gierende Haus erworben, ohne ihre Unterstützung konnte
es seine Erblande nicht behaupten: man mußte auf ihre
Stimme hören.

Dazu kam, daß der Kaiser sich in diesem Augenblick
auch von dem Papst entfernte. Es gab eine große Par-
tei in Europa, welcher schon damals das Emporkommen

Grundlegung einer neuen Berfaſſung.
Churfürſten vereinigten ſich im J. 1486 ſeinen Sohn Ma-
ximilian zum römiſchen König zu erwählen. Vor allen iſt
Albrecht Achilles von Brandenburg hiebei thätig geweſen.
Trotz ſeiner hohen Jahre kam er noch einmal in Perſon
nach Frankfurt; auf einem Tragſeſſel ließ er ſich in die
Wahlcapelle bringen; auf demſelben trug er nach vollbrach-
ter Handlung den Scepter vor; noch war er in Ausübung
ſeiner Reichspflichten begriffen als er ſtarb. Es konnte
den Churfürſten nicht entgehen, daß die Anſprüche des
Hauſes Öſtreich auf die Hülfe des Reiches hiedurch gar
ſehr verſtärkt wurden. Maximilian, Eidam Carls des
Kühnen, der die burgundiſchen Rechte in den Niederlan-
den durchzufechten übernommen hatte, erfuhr dort nicht
viel geringere Widerwärtigkeiten als ſein Vater in Öſt-
reich, und konnte ſchlechterdings nicht verlaſſen werden.
Seine Wahl bekam erſt ihre volle Bedeutung wenn man
nun auch jene Länder, die bisher eine feindſelige Stellung
gehabt, dadurch, daß man ſie ihm unterwarf, dem Reiche
wieder zuwendete. Man mußte ſich fertig machen, nach
beiden Seiten Hülfe zu leiſten. Eben dadurch erlangten
nun aber auch die Stände ein verdoppeltes Recht, die in-
nern Angelegenheiten nach ihrem Sinne zur Sprache zu
bringen. Sie hatten ſich neue Verdienſte um das re-
gierende Haus erworben, ohne ihre Unterſtützung konnte
es ſeine Erblande nicht behaupten: man mußte auf ihre
Stimme hören.

Dazu kam, daß der Kaiſer ſich in dieſem Augenblick
auch von dem Papſt entfernte. Es gab eine große Par-
tei in Europa, welcher ſchon damals das Emporkommen

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[85/0103] Grundlegung einer neuen Berfaſſung. Churfürſten vereinigten ſich im J. 1486 ſeinen Sohn Ma- ximilian zum römiſchen König zu erwählen. Vor allen iſt Albrecht Achilles von Brandenburg hiebei thätig geweſen. Trotz ſeiner hohen Jahre kam er noch einmal in Perſon nach Frankfurt; auf einem Tragſeſſel ließ er ſich in die Wahlcapelle bringen; auf demſelben trug er nach vollbrach- ter Handlung den Scepter vor; noch war er in Ausübung ſeiner Reichspflichten begriffen als er ſtarb. Es konnte den Churfürſten nicht entgehen, daß die Anſprüche des Hauſes Öſtreich auf die Hülfe des Reiches hiedurch gar ſehr verſtärkt wurden. Maximilian, Eidam Carls des Kühnen, der die burgundiſchen Rechte in den Niederlan- den durchzufechten übernommen hatte, erfuhr dort nicht viel geringere Widerwärtigkeiten als ſein Vater in Öſt- reich, und konnte ſchlechterdings nicht verlaſſen werden. Seine Wahl bekam erſt ihre volle Bedeutung wenn man nun auch jene Länder, die bisher eine feindſelige Stellung gehabt, dadurch, daß man ſie ihm unterwarf, dem Reiche wieder zuwendete. Man mußte ſich fertig machen, nach beiden Seiten Hülfe zu leiſten. Eben dadurch erlangten nun aber auch die Stände ein verdoppeltes Recht, die in- nern Angelegenheiten nach ihrem Sinne zur Sprache zu bringen. Sie hatten ſich neue Verdienſte um das re- gierende Haus erworben, ohne ihre Unterſtützung konnte es ſeine Erblande nicht behaupten: man mußte auf ihre Stimme hören. Dazu kam, daß der Kaiſer ſich in dieſem Augenblick auch von dem Papſt entfernte. Es gab eine große Par- tei in Europa, welcher ſchon damals das Emporkommen

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/103>, abgerufen am 24.11.2024.