sten in Person; sie zogen noch in der That die wich- tigsten vaterländischen Angelegenheiten, in ihren ver- schiednen Collegien, oder in den gemeinschaftlichen Ausschüssen, in Berathung und faßten durch Stim- menmehrheit Beschluß darüber. Die Einheit der Nation fand in diesen Versammlungen ihren leben- digen Ausdruck. In den Grenzen des Reiches konnte nichts Bedeutendes vorkommen was man nicht hier in Erwägung genommen, nichts Neues sich erheben was sich nicht hier hätte durchsetzen müssen.
Bei alle dem hat doch die Geschichte der Reichs- tage noch nicht die Beachtung gefunden, deren sie werth ist. Bekannt genug sind die Reichsabschiede: aber wer wollte je eine berathende Versammlung nach den letzten Ergebnissen ihrer Besprechungen beurtheilen? an eine Zusammenstellung und Bear- beitung der Verhandlungen ist zuweilen gedacht, ein und das andre Mal Hand angelegt worden: jedoch ist alles höchst fragmentarisch und unzureichend ge- blieben.
Wie nun der Mensch natürlicher Weise darnach trachtet, in seinem Leben etwas Nützliches zu leisten, so trug ich mich schon lange mit dem Gedanken, ei- nem so wichtigen Gegenstand einmal Fleiß und Kräfte zu widmen. Nicht, als hätte ich mir zugetraut, dem Bedürfniß durchaus genügen, den Stoff nament- lich in seinen mannichfaltigen juridischen Beziehun- gen erschöpfen zu können: meine Idee war nur, aus einer wo möglich ununterbrochenen Reihe von Reichs- tagsacten den Gang und die Entwickelung der Ver- fassung näher zu erforschen.
Vorrede.
ſten in Perſon; ſie zogen noch in der That die wich- tigſten vaterländiſchen Angelegenheiten, in ihren ver- ſchiednen Collegien, oder in den gemeinſchaftlichen Ausſchüſſen, in Berathung und faßten durch Stim- menmehrheit Beſchluß darüber. Die Einheit der Nation fand in dieſen Verſammlungen ihren leben- digen Ausdruck. In den Grenzen des Reiches konnte nichts Bedeutendes vorkommen was man nicht hier in Erwägung genommen, nichts Neues ſich erheben was ſich nicht hier hätte durchſetzen müſſen.
Bei alle dem hat doch die Geſchichte der Reichs- tage noch nicht die Beachtung gefunden, deren ſie werth iſt. Bekannt genug ſind die Reichsabſchiede: aber wer wollte je eine berathende Verſammlung nach den letzten Ergebniſſen ihrer Beſprechungen beurtheilen? an eine Zuſammenſtellung und Bear- beitung der Verhandlungen iſt zuweilen gedacht, ein und das andre Mal Hand angelegt worden: jedoch iſt alles höchſt fragmentariſch und unzureichend ge- blieben.
Wie nun der Menſch natürlicher Weiſe darnach trachtet, in ſeinem Leben etwas Nützliches zu leiſten, ſo trug ich mich ſchon lange mit dem Gedanken, ei- nem ſo wichtigen Gegenſtand einmal Fleiß und Kräfte zu widmen. Nicht, als hätte ich mir zugetraut, dem Bedürfniß durchaus genügen, den Stoff nament- lich in ſeinen mannichfaltigen juridiſchen Beziehun- gen erſchöpfen zu können: meine Idee war nur, aus einer wo möglich ununterbrochenen Reihe von Reichs- tagsacten den Gang und die Entwickelung der Ver- faſſung näher zu erforſchen.
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[IV/0010]
Vorrede.
ſten in Perſon; ſie zogen noch in der That die wich-
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ſchiednen Collegien, oder in den gemeinſchaftlichen
Ausſchüſſen, in Berathung und faßten durch Stim-
menmehrheit Beſchluß darüber. Die Einheit der
Nation fand in dieſen Verſammlungen ihren leben-
digen Ausdruck. In den Grenzen des Reiches konnte
nichts Bedeutendes vorkommen was man nicht hier
in Erwägung genommen, nichts Neues ſich erheben
was ſich nicht hier hätte durchſetzen müſſen.
Bei alle dem hat doch die Geſchichte der Reichs-
tage noch nicht die Beachtung gefunden, deren ſie
werth iſt. Bekannt genug ſind die Reichsabſchiede:
aber wer wollte je eine berathende Verſammlung
nach den letzten Ergebniſſen ihrer Beſprechungen
beurtheilen? an eine Zuſammenſtellung und Bear-
beitung der Verhandlungen iſt zuweilen gedacht, ein
und das andre Mal Hand angelegt worden: jedoch
iſt alles höchſt fragmentariſch und unzureichend ge-
blieben.
Wie nun der Menſch natürlicher Weiſe darnach
trachtet, in ſeinem Leben etwas Nützliches zu leiſten,
ſo trug ich mich ſchon lange mit dem Gedanken, ei-
nem ſo wichtigen Gegenſtand einmal Fleiß und Kräfte
zu widmen. Nicht, als hätte ich mir zugetraut, dem
Bedürfniß durchaus genügen, den Stoff nament-
lich in ſeinen mannichfaltigen juridiſchen Beziehun-
gen erſchöpfen zu können: meine Idee war nur, aus
einer wo möglich ununterbrochenen Reihe von Reichs-
tagsacten den Gang und die Entwickelung der Ver-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. IV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/10>, abgerufen am 24.11.2024.
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