am Congreß waren nicht dafür: auch in Schweden gab es Leute welche die Zugeständnisse, die man den Katholiken beson- ders für die östreichischen Erblande machte, nicht billigten: aber sie wollte das Glück nicht immer aufs neue heraus- fordern: niemals war Schweden so glorreich, so mächtig gewesen: sie sah eine Befriedigung ihres Selbstgefühls darin, daß dem so war, sie wünschte ihren Namen an diesen Zu- stand zu knüpfen.
Hielt sie nun selbst die Eigenmacht der Aristokratie nach Kräften nieder, so sollte sich diese eben so wenig schmeicheln dürfen, etwa in Zukunft zu ihrem Ziele zu gelangen: so jung sie auch noch war, so brachte sie doch sehr bald die Succession ihres Vetters des Pfalzgrafen Carl Gustav in Vorschlag. Sie meint, der Prinz habe das nicht zu hoffen gewagt: sie allein habe es durchgesetzt, wi- der den Willen des Senates, der es nicht einmal habe in Ueberlegung nehmen wollen, wider den Willen der Stände, die nur aus Rücksicht auf sie darin gewilligt: genug diese Succession ward unwiderruflich festgesetzt 1).
Doppelt merkwürdig ist es nun, daß sie bei diesem Eifer für die Geschäfte zugleich den Studien mit einer Art von Leidenschaft oblag. Noch in den Jahren der Kindheit war ihr nichts angenehmer gewesen als die Lehrstunde. Es mochte daher kommen, daß sie bei ihrer Mutter wohnte, die sich ganz dem Schmerze über ihren Gemahl hingab: mit Ungeduld erwartete sie täglich den Augenblick, wo sie aus diesen dunkeln Gemächern der Trauer erlöst wurde.
1)Regne de Christine jusqu'a sa resignation bei Arckenholtz III, 162 Noten.
Päpste** 6
Koͤnigin Chriſtine von Schweden.
am Congreß waren nicht dafuͤr: auch in Schweden gab es Leute welche die Zugeſtaͤndniſſe, die man den Katholiken beſon- ders fuͤr die oͤſtreichiſchen Erblande machte, nicht billigten: aber ſie wollte das Gluͤck nicht immer aufs neue heraus- fordern: niemals war Schweden ſo glorreich, ſo maͤchtig geweſen: ſie ſah eine Befriedigung ihres Selbſtgefuͤhls darin, daß dem ſo war, ſie wuͤnſchte ihren Namen an dieſen Zu- ſtand zu knuͤpfen.
Hielt ſie nun ſelbſt die Eigenmacht der Ariſtokratie nach Kraͤften nieder, ſo ſollte ſich dieſe eben ſo wenig ſchmeicheln duͤrfen, etwa in Zukunft zu ihrem Ziele zu gelangen: ſo jung ſie auch noch war, ſo brachte ſie doch ſehr bald die Succeſſion ihres Vetters des Pfalzgrafen Carl Guſtav in Vorſchlag. Sie meint, der Prinz habe das nicht zu hoffen gewagt: ſie allein habe es durchgeſetzt, wi- der den Willen des Senates, der es nicht einmal habe in Ueberlegung nehmen wollen, wider den Willen der Staͤnde, die nur aus Ruͤckſicht auf ſie darin gewilligt: genug dieſe Succeſſion ward unwiderruflich feſtgeſetzt 1).
Doppelt merkwuͤrdig iſt es nun, daß ſie bei dieſem Eifer fuͤr die Geſchaͤfte zugleich den Studien mit einer Art von Leidenſchaft oblag. Noch in den Jahren der Kindheit war ihr nichts angenehmer geweſen als die Lehrſtunde. Es mochte daher kommen, daß ſie bei ihrer Mutter wohnte, die ſich ganz dem Schmerze uͤber ihren Gemahl hingab: mit Ungeduld erwartete ſie taͤglich den Augenblick, wo ſie aus dieſen dunkeln Gemaͤchern der Trauer erloͤſt wurde.
1)Règne de Christine jusqu’à sa résignation bei Arckenholtz III, 162 Noten.
Päpſte** 6
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Koͤnigin Chriſtine von Schweden.
am Congreß waren nicht dafuͤr: auch in Schweden gab es
Leute welche die Zugeſtaͤndniſſe, die man den Katholiken beſon-
ders fuͤr die oͤſtreichiſchen Erblande machte, nicht billigten:
aber ſie wollte das Gluͤck nicht immer aufs neue heraus-
fordern: niemals war Schweden ſo glorreich, ſo maͤchtig
geweſen: ſie ſah eine Befriedigung ihres Selbſtgefuͤhls darin,
daß dem ſo war, ſie wuͤnſchte ihren Namen an dieſen Zu-
ſtand zu knuͤpfen.
Hielt ſie nun ſelbſt die Eigenmacht der Ariſtokratie
nach Kraͤften nieder, ſo ſollte ſich dieſe eben ſo wenig
ſchmeicheln duͤrfen, etwa in Zukunft zu ihrem Ziele zu
gelangen: ſo jung ſie auch noch war, ſo brachte ſie doch ſehr
bald die Succeſſion ihres Vetters des Pfalzgrafen Carl
Guſtav in Vorſchlag. Sie meint, der Prinz habe das
nicht zu hoffen gewagt: ſie allein habe es durchgeſetzt, wi-
der den Willen des Senates, der es nicht einmal habe
in Ueberlegung nehmen wollen, wider den Willen der Staͤnde,
die nur aus Ruͤckſicht auf ſie darin gewilligt: genug dieſe
Succeſſion ward unwiderruflich feſtgeſetzt 1).
Doppelt merkwuͤrdig iſt es nun, daß ſie bei dieſem
Eifer fuͤr die Geſchaͤfte zugleich den Studien mit einer Art
von Leidenſchaft oblag. Noch in den Jahren der Kindheit
war ihr nichts angenehmer geweſen als die Lehrſtunde.
Es mochte daher kommen, daß ſie bei ihrer Mutter wohnte,
die ſich ganz dem Schmerze uͤber ihren Gemahl hingab:
mit Ungeduld erwartete ſie taͤglich den Augenblick, wo ſie
aus dieſen dunkeln Gemaͤchern der Trauer erloͤſt wurde.
1) Règne de Christine jusqu’à sa résignation bei Arckenholtz
III, 162 Noten.
Päpſte** 6
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/93>, abgerufen am 30.07.2024.
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