seinen ältesten Besitz. Man mußte abstehn, um keinen Auflauf zu erregen 1).
Es hängt aber alles zusammen. Die Epoche der Re- stauration hat ihre besonderen Ideen, Antriebe entwickelt: die auch in Kunst und Literatur nach der Alleinherrschaft streben, das Fremdartige weder verstehn noch auch aner- kennen, und es zu zerstören entschlossen sind, wenn sie es nicht unterjochen können.
Nichts desto minder war Rom noch immer eine Haupt- stadt der Cultur, die in sammelnder Gelehrsamkeit und einer Kunstübung wie sie der Geschmack jenes Zeitalters nun ein- mal beliebte, ihres Gleichen nicht hatte; productiv noch immer in der Musik: -- der concentirende Styl der Cantate trat damals dem Styl der Capelle zur Seite; -- es entzückte die Reisenden. "Man müßte von der Natur verwahrlost seyn," ruft Spon aus, der 1674 nach Rom kam, "wenn man nicht in irgend einem Zweige seine Befriedigung fände" 2). Er geht diese Zweige durch: die Bibliotheken, wo man die selten- sten Werke studiren, die Concerte in Kirchen und Pallästen, wo man täglich die schönsten Stimmen hören könne; so viel Sammlungen für alte und neue Sculptur und Male- rei; so viel herrliche Bauwerke aller Zeiten, ganze Villen mit Basreliefs und Inscriptionen, deren er allein tausend neue copirt hat, überkleidet; die Gegenwart so vieler Frem- den von allen Ländern und Zungen; die Natur genieße man in den paradiesischen Gärten; und wer die Uebungen der
1) Deone erzählt das ausführlich.
2)Spon et Wheler: Voyage d'Italie, et de Grece I, p. 39.
Bauwerke der Paͤpſte.
ſeinen aͤlteſten Beſitz. Man mußte abſtehn, um keinen Auflauf zu erregen 1).
Es haͤngt aber alles zuſammen. Die Epoche der Re- ſtauration hat ihre beſonderen Ideen, Antriebe entwickelt: die auch in Kunſt und Literatur nach der Alleinherrſchaft ſtreben, das Fremdartige weder verſtehn noch auch aner- kennen, und es zu zerſtoͤren entſchloſſen ſind, wenn ſie es nicht unterjochen koͤnnen.
Nichts deſto minder war Rom noch immer eine Haupt- ſtadt der Cultur, die in ſammelnder Gelehrſamkeit und einer Kunſtuͤbung wie ſie der Geſchmack jenes Zeitalters nun ein- mal beliebte, ihres Gleichen nicht hatte; productiv noch immer in der Muſik: — der concentirende Styl der Cantate trat damals dem Styl der Capelle zur Seite; — es entzuͤckte die Reiſenden. „Man muͤßte von der Natur verwahrloſt ſeyn,“ ruft Spon aus, der 1674 nach Rom kam, „wenn man nicht in irgend einem Zweige ſeine Befriedigung faͤnde“ 2). Er geht dieſe Zweige durch: die Bibliotheken, wo man die ſelten- ſten Werke ſtudiren, die Concerte in Kirchen und Pallaͤſten, wo man taͤglich die ſchoͤnſten Stimmen hoͤren koͤnne; ſo viel Sammlungen fuͤr alte und neue Sculptur und Male- rei; ſo viel herrliche Bauwerke aller Zeiten, ganze Villen mit Basreliefs und Inſcriptionen, deren er allein tauſend neue copirt hat, uͤberkleidet; die Gegenwart ſo vieler Frem- den von allen Laͤndern und Zungen; die Natur genieße man in den paradieſiſchen Gaͤrten; und wer die Uebungen der
1) Deone erzaͤhlt das ausfuͤhrlich.
2)Spon et Wheler: Voyage d’Italie, et de Grèce I, p. 39.
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Bauwerke der Paͤpſte.
ſeinen aͤlteſten Beſitz. Man mußte abſtehn, um keinen
Auflauf zu erregen 1).
Es haͤngt aber alles zuſammen. Die Epoche der Re-
ſtauration hat ihre beſonderen Ideen, Antriebe entwickelt:
die auch in Kunſt und Literatur nach der Alleinherrſchaft
ſtreben, das Fremdartige weder verſtehn noch auch aner-
kennen, und es zu zerſtoͤren entſchloſſen ſind, wenn ſie es
nicht unterjochen koͤnnen.
Nichts deſto minder war Rom noch immer eine Haupt-
ſtadt der Cultur, die in ſammelnder Gelehrſamkeit und einer
Kunſtuͤbung wie ſie der Geſchmack jenes Zeitalters nun ein-
mal beliebte, ihres Gleichen nicht hatte; productiv noch immer
in der Muſik: — der concentirende Styl der Cantate trat
damals dem Styl der Capelle zur Seite; — es entzuͤckte die
Reiſenden. „Man muͤßte von der Natur verwahrloſt ſeyn,“
ruft Spon aus, der 1674 nach Rom kam, „wenn man nicht
in irgend einem Zweige ſeine Befriedigung faͤnde“ 2). Er
geht dieſe Zweige durch: die Bibliotheken, wo man die ſelten-
ſten Werke ſtudiren, die Concerte in Kirchen und Pallaͤſten,
wo man taͤglich die ſchoͤnſten Stimmen hoͤren koͤnne; ſo
viel Sammlungen fuͤr alte und neue Sculptur und Male-
rei; ſo viel herrliche Bauwerke aller Zeiten, ganze Villen
mit Basreliefs und Inſcriptionen, deren er allein tauſend
neue copirt hat, uͤberkleidet; die Gegenwart ſo vieler Frem-
den von allen Laͤndern und Zungen; die Natur genieße man
in den paradieſiſchen Gaͤrten; und wer die Uebungen der
1) Deone erzaͤhlt das ausfuͤhrlich.
2) Spon et Wheler: Voyage d’Italie, et de Grèce I, p. 39.
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/89>, abgerufen am 27.11.2024.
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