ten Ruf gerathen 1). Innocenz X. ward dadurch per- sönlich noch mehr, als er es von Natur war, launisch, wankelmüthig, eigensinnig, sich selber beschwerlich: noch in seinen letzten Tagen finden wir ihn mit Beraubung und neuer Entfernung seiner übrigen Verwandten beschäftigt: in diesem Unmuth starb er, 5. Januar 1655.
Drei Tage lag die Leiche, ohne daß einer seiner An- gehörigen, denen es nach dem Gebrauch des Hofes zuge- kommen wäre, Sorge für die Beerdigung derselben getragen hätte. Donna Olimpia sagte, sie sey eine arme Witwe, das gehe über ihre Kräfte: kein Anderer glaubte dem Ver- storbenen verpflichtet zu seyn. Ein Canonicus, der früher in päpstlichen Diensten gestanden, aber schon lange entfernt worden war, wendete endlich einen halben Scudo daran, und ließ ihm die letzte Ehre erweisen.
Glauben wir aber nicht, daß diese häuslichen Mißver- hältnisse bloß persönliche Folgen gehabt hätten.
Es liegt am Tage, daß die Nepotenregierung, die in den vorhergegangenen Pontificaten eine so vollkommene Gewalt in dem Staate, einen so mächtigen Einfluß auf die Kirche ausgeübt hatte, nachdem sie schon in den letz- ten Jahren Urbans VIII. einen starken Stoß erlitten, jetzt nicht einmal mehr zur Darstellung gekommen war und sich ihrem Sturze näherte.
1)Pallavicini: Fra pretiosi arredi oggetto fetente e stoma- chevole -- -- proruppe a varie dimostrationi quasi di smanie. -- -- Assai temuto, niente amato, non senza qualche gloria e felicita ne' successi esterni, ma inglorioso e miserabile per le continue o tragedie o comedie domestiche.
Päpste** 4
InnocenzX.
ten Ruf gerathen 1). Innocenz X. ward dadurch per- ſoͤnlich noch mehr, als er es von Natur war, launiſch, wankelmuͤthig, eigenſinnig, ſich ſelber beſchwerlich: noch in ſeinen letzten Tagen finden wir ihn mit Beraubung und neuer Entfernung ſeiner uͤbrigen Verwandten beſchaͤftigt: in dieſem Unmuth ſtarb er, 5. Januar 1655.
Drei Tage lag die Leiche, ohne daß einer ſeiner An- gehoͤrigen, denen es nach dem Gebrauch des Hofes zuge- kommen waͤre, Sorge fuͤr die Beerdigung derſelben getragen haͤtte. Donna Olimpia ſagte, ſie ſey eine arme Witwe, das gehe uͤber ihre Kraͤfte: kein Anderer glaubte dem Ver- ſtorbenen verpflichtet zu ſeyn. Ein Canonicus, der fruͤher in paͤpſtlichen Dienſten geſtanden, aber ſchon lange entfernt worden war, wendete endlich einen halben Scudo daran, und ließ ihm die letzte Ehre erweiſen.
Glauben wir aber nicht, daß dieſe haͤuslichen Mißver- haͤltniſſe bloß perſoͤnliche Folgen gehabt haͤtten.
Es liegt am Tage, daß die Nepotenregierung, die in den vorhergegangenen Pontificaten eine ſo vollkommene Gewalt in dem Staate, einen ſo maͤchtigen Einfluß auf die Kirche ausgeuͤbt hatte, nachdem ſie ſchon in den letz- ten Jahren Urbans VIII. einen ſtarken Stoß erlitten, jetzt nicht einmal mehr zur Darſtellung gekommen war und ſich ihrem Sturze naͤherte.
1)Pallavicini: Fra pretiosi arredi oggetto fetente e stoma- chevole — — proruppe a varie dimostrationi quasi di smanie. — — Assai temuto, niente amato, non senza qualche gloria e felicità ne’ successi esterni, ma inglorioso e miserabile per le continue o tragedie o comedie domestiche.
Päpſte** 4
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Innocenz X.
ten Ruf gerathen 1). Innocenz X. ward dadurch per-
ſoͤnlich noch mehr, als er es von Natur war, launiſch,
wankelmuͤthig, eigenſinnig, ſich ſelber beſchwerlich: noch in
ſeinen letzten Tagen finden wir ihn mit Beraubung und
neuer Entfernung ſeiner uͤbrigen Verwandten beſchaͤftigt:
in dieſem Unmuth ſtarb er, 5. Januar 1655.
Drei Tage lag die Leiche, ohne daß einer ſeiner An-
gehoͤrigen, denen es nach dem Gebrauch des Hofes zuge-
kommen waͤre, Sorge fuͤr die Beerdigung derſelben getragen
haͤtte. Donna Olimpia ſagte, ſie ſey eine arme Witwe,
das gehe uͤber ihre Kraͤfte: kein Anderer glaubte dem Ver-
ſtorbenen verpflichtet zu ſeyn. Ein Canonicus, der fruͤher
in paͤpſtlichen Dienſten geſtanden, aber ſchon lange entfernt
worden war, wendete endlich einen halben Scudo daran,
und ließ ihm die letzte Ehre erweiſen.
Glauben wir aber nicht, daß dieſe haͤuslichen Mißver-
haͤltniſſe bloß perſoͤnliche Folgen gehabt haͤtten.
Es liegt am Tage, daß die Nepotenregierung, die in
den vorhergegangenen Pontificaten eine ſo vollkommene
Gewalt in dem Staate, einen ſo maͤchtigen Einfluß auf
die Kirche ausgeuͤbt hatte, nachdem ſie ſchon in den letz-
ten Jahren Urbans VIII. einen ſtarken Stoß erlitten, jetzt
nicht einmal mehr zur Darſtellung gekommen war und ſich
ihrem Sturze naͤherte.
1) Pallavicini: Fra pretiosi arredi oggetto fetente e stoma-
chevole — — proruppe a varie dimostrationi quasi di smanie.
— — Assai temuto, niente amato, non senza qualche gloria e
felicità ne’ successi esterni, ma inglorioso e miserabile per le
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Päpſte** 4
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/61>, abgerufen am 16.02.2025.
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