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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

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Buch VIII. Die Päpste um d. Mitte d. 17. Jahrh.

An sich war er ein Mann von keinesweges gemeinen
Eigenschaften. In seiner frühern Laufbahn, in der Rota,
als Nuntius, als Cardinal, hatte er sich thätig, unbe-
scholten und redlich gezeigt: auch jetzt bewährte er diesen
Ruf. Man fand seine Anstrengungen um so außerordent-
licher, da er schon 72 Jahre zählte als er gewählt wurde:
"dabei mache ihn", rühmte man, "die Arbeit nicht müde:
er sey nach derselben so frisch wie vorher: es mache ihm
Vergnügen Leute zu sprechen, und Jedermann lasse er aus-
reden." Der stolzen Zurückgezogenheit Urbans VIII. setzte
er Zugänglichkeit und muntere Laune entgegen. Besonders
ließ er sich die Ordnung und Ruhe von Rom angelegen
seyn. Er suchte einen Ehrgeiz darin, die Sicherheit des
Eigenthums, die Sicherheit der Personen bei Tag und
Nacht aufrecht zu erhalten, keine Mißhandlungen der Un-
tern von den Obern, der Schwachen von den Mächtigen
zuzulassen 1). Er nöthigte die Baronen ihre Schulden zu
bezahlen. Da der Herzog von Parma seine Gläubiger noch
immer nicht befriedigte, und der Papst sich in Rom nicht
zeigen durfte ohne daß man ihm zugerufen hätte, er möge
den Montisten Gerechtigkeit verschaffen, da überdieß auch
der Bischof von Castro, wie man glaubte, auf Veranstal-
tung der herzoglichen Regierung getödtet worden, so wur-
den endlich auch in dieser Sache durchgreifende Schritte

1) Relatione di Contarini 1648. Rimira solamente con ap-
plicatione alla quiete dello stato ecclesiastico e particolarmente
di Roma, accio goda ciascheduno delle proprie facolta e della
liberta del praticare la notte e non rimanga l'inferiore tiran-
neggiato dal superiore.
Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh.

An ſich war er ein Mann von keinesweges gemeinen
Eigenſchaften. In ſeiner fruͤhern Laufbahn, in der Rota,
als Nuntius, als Cardinal, hatte er ſich thaͤtig, unbe-
ſcholten und redlich gezeigt: auch jetzt bewaͤhrte er dieſen
Ruf. Man fand ſeine Anſtrengungen um ſo außerordent-
licher, da er ſchon 72 Jahre zaͤhlte als er gewaͤhlt wurde:
„dabei mache ihn“, ruͤhmte man, „die Arbeit nicht muͤde:
er ſey nach derſelben ſo friſch wie vorher: es mache ihm
Vergnuͤgen Leute zu ſprechen, und Jedermann laſſe er aus-
reden.“ Der ſtolzen Zuruͤckgezogenheit Urbans VIII. ſetzte
er Zugaͤnglichkeit und muntere Laune entgegen. Beſonders
ließ er ſich die Ordnung und Ruhe von Rom angelegen
ſeyn. Er ſuchte einen Ehrgeiz darin, die Sicherheit des
Eigenthums, die Sicherheit der Perſonen bei Tag und
Nacht aufrecht zu erhalten, keine Mißhandlungen der Un-
tern von den Obern, der Schwachen von den Maͤchtigen
zuzulaſſen 1). Er noͤthigte die Baronen ihre Schulden zu
bezahlen. Da der Herzog von Parma ſeine Glaͤubiger noch
immer nicht befriedigte, und der Papſt ſich in Rom nicht
zeigen durfte ohne daß man ihm zugerufen haͤtte, er moͤge
den Montiſten Gerechtigkeit verſchaffen, da uͤberdieß auch
der Biſchof von Caſtro, wie man glaubte, auf Veranſtal-
tung der herzoglichen Regierung getoͤdtet worden, ſo wur-
den endlich auch in dieſer Sache durchgreifende Schritte

1) Relatione di Contarini 1648. Rimira solamente con ap-
plicatione alla quiete dello stato ecclesiastico e particolarmente
di Roma, acciò goda ciascheduno delle proprie facoltà e della
libertà del praticare la notte e non rimanga l’inferiore tiran-
neggiato dal superiore.
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[44/0056] Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh. An ſich war er ein Mann von keinesweges gemeinen Eigenſchaften. In ſeiner fruͤhern Laufbahn, in der Rota, als Nuntius, als Cardinal, hatte er ſich thaͤtig, unbe- ſcholten und redlich gezeigt: auch jetzt bewaͤhrte er dieſen Ruf. Man fand ſeine Anſtrengungen um ſo außerordent- licher, da er ſchon 72 Jahre zaͤhlte als er gewaͤhlt wurde: „dabei mache ihn“, ruͤhmte man, „die Arbeit nicht muͤde: er ſey nach derſelben ſo friſch wie vorher: es mache ihm Vergnuͤgen Leute zu ſprechen, und Jedermann laſſe er aus- reden.“ Der ſtolzen Zuruͤckgezogenheit Urbans VIII. ſetzte er Zugaͤnglichkeit und muntere Laune entgegen. Beſonders ließ er ſich die Ordnung und Ruhe von Rom angelegen ſeyn. Er ſuchte einen Ehrgeiz darin, die Sicherheit des Eigenthums, die Sicherheit der Perſonen bei Tag und Nacht aufrecht zu erhalten, keine Mißhandlungen der Un- tern von den Obern, der Schwachen von den Maͤchtigen zuzulaſſen 1). Er noͤthigte die Baronen ihre Schulden zu bezahlen. Da der Herzog von Parma ſeine Glaͤubiger noch immer nicht befriedigte, und der Papſt ſich in Rom nicht zeigen durfte ohne daß man ihm zugerufen haͤtte, er moͤge den Montiſten Gerechtigkeit verſchaffen, da uͤberdieß auch der Biſchof von Caſtro, wie man glaubte, auf Veranſtal- tung der herzoglichen Regierung getoͤdtet worden, ſo wur- den endlich auch in dieſer Sache durchgreifende Schritte 1) Relatione di Contarini 1648. Rimira solamente con ap- plicatione alla quiete dello stato ecclesiastico e particolarmente di Roma, acciò goda ciascheduno delle proprie facoltà e della libertà del praticare la notte e non rimanga l’inferiore tiran- neggiato dal superiore.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/56>, abgerufen am 27.11.2024.