a veritatis hostibus evulgatae elenchus*); ein ungeheures Ma- terial häufte er auf: ehe er es bearbeitet, starb er, 1651.
Der Jesuitengeneral Goswin Nickel wählte zur Ausarbeitung desselben einen andern seiner Ordensbrüder, der schon ein gewisses literarisches Talent bewährt hatte, Sforza Pallavicini; er machte ihn frei von andern Geschäften -- "wie ein Condottiere einen Sol- daten", sagt Pallavicini selbst, habe ihn der General zu dieser Ar- beit angestellt.
In drei dicken Quartanten förderte Pallavicini seit dem Jahre 1656 diese Arbeit ans Licht.
Ein Werk das in der That einen ungeheuren Stoff enthält, und für die Geschichte des 16ten Jahrhunderts -- denn es fängt auch vom Ursprung der Reformation an -- von der größten Wichtigkeit ist. Die Archive waren dem Autor aufgethan, was die römischen Bibliotheken von Materialien die er brauchen konnte enthielten, war ihm zugäng- lich; nicht allein die Acten des Conciliums auf das ausführlichste, sondern auch der Briefwechsel der Legaten mit Rom und eine große Menge anderer Informationen kamen ihm zu Gute: er ist weit entfernt seine Quellen zu verschweigen: er macht eher mit ihren Titeln auf dem Rande seines Buches Parade: es ist ihrer eine Unzahl.
Sein vornehmstes Geschäft ist nun, Sarpi zu widerlegen. Hin- ter jedem Bande läßt er einen Catalog "der Irrthümer in den That- sachen" folgen, deren er seinen Gegner überwiesen zu haben behaup- tet; er zählt ihrer 361. Allein unzählige andere, fügt er hinzu, die er auch widerlegt habe, seyen in diesen Catalogen gar nicht auf- geführt.
In seiner Vorrede sagt er: "in kleine Scharmützel werde er sich nicht einlassen: wer ihn angreifen wolle, möge mit ordentlicher Heeresmacht anrücken, und sein ganzes Buch widerlegen, wie er Paul Sarpi ganz widerlege." Was wollte das für ein Werk ge- geben haben. Wir können nicht versucht seyn, auf eine ähnliche Weise zu verfahren.
Es muß uns genügen, wie gesagt, uns an einigen Beispielen einen Begriff von der Methode des Pallavicini zu bilden.
Da er nun aus so vielen geheimen Urkunden schöpfte, und ei- gentlich das ganze Buch aus ihnen zusammenwebte, so kommt es vor allem darauf an, sich zu vergegenwärtigen, wie er diese be- nutzt hat.
Es wird uns dieß besonders da möglich seyn, wo etwa die Ur- kunden, deren er sich bediente, nachher gedruckt worden sind. Auch ist es mir geglückt eine ganze Reihe von Documenten einzusehen, die niemals gedruckt worden, und die er citirt; es ist nothwendig, die Originale mit seiner Bearbeitung zu vergleichen.
Ich will dieß in einigen Punkten nach einander thun.
1. Und da ist nun zuerst zu bekennen, daß die Instructionen und Papiere, welche Pallavicini vorlagen, von ihm oft ganz genü- gend excerpirt und benutzt worden sind. Ich habe z. B. eine In- struction, welche der spanische Gesandte im November 1562 erhielt,
*) So heißt er bei Mazzuchelli.
Pallavicini.
a veritatis hostibus evulgatae elenchus*); ein ungeheures Ma- terial haͤufte er auf: ehe er es bearbeitet, ſtarb er, 1651.
Der Jeſuitengeneral Goswin Nickel waͤhlte zur Ausarbeitung deſſelben einen andern ſeiner Ordensbruͤder, der ſchon ein gewiſſes literariſches Talent bewaͤhrt hatte, Sforza Pallavicini; er machte ihn frei von andern Geſchaͤften — „wie ein Condottiere einen Sol- daten“, ſagt Pallavicini ſelbſt, habe ihn der General zu dieſer Ar- beit angeſtellt.
In drei dicken Quartanten foͤrderte Pallavicini ſeit dem Jahre 1656 dieſe Arbeit ans Licht.
Ein Werk das in der That einen ungeheuren Stoff enthaͤlt, und fuͤr die Geſchichte des 16ten Jahrhunderts — denn es faͤngt auch vom Urſprung der Reformation an — von der groͤßten Wichtigkeit iſt. Die Archive waren dem Autor aufgethan, was die roͤmiſchen Bibliotheken von Materialien die er brauchen konnte enthielten, war ihm zugaͤng- lich; nicht allein die Acten des Conciliums auf das ausfuͤhrlichſte, ſondern auch der Briefwechſel der Legaten mit Rom und eine große Menge anderer Informationen kamen ihm zu Gute: er iſt weit entfernt ſeine Quellen zu verſchweigen: er macht eher mit ihren Titeln auf dem Rande ſeines Buches Parade: es iſt ihrer eine Unzahl.
Sein vornehmſtes Geſchaͤft iſt nun, Sarpi zu widerlegen. Hin- ter jedem Bande laͤßt er einen Catalog „der Irrthuͤmer in den That- ſachen“ folgen, deren er ſeinen Gegner uͤberwieſen zu haben behaup- tet; er zaͤhlt ihrer 361. Allein unzaͤhlige andere, fuͤgt er hinzu, die er auch widerlegt habe, ſeyen in dieſen Catalogen gar nicht auf- gefuͤhrt.
In ſeiner Vorrede ſagt er: „in kleine Scharmuͤtzel werde er ſich nicht einlaſſen: wer ihn angreifen wolle, moͤge mit ordentlicher Heeresmacht anruͤcken, und ſein ganzes Buch widerlegen, wie er Paul Sarpi ganz widerlege.“ Was wollte das fuͤr ein Werk ge- geben haben. Wir koͤnnen nicht verſucht ſeyn, auf eine aͤhnliche Weiſe zu verfahren.
Es muß uns genuͤgen, wie geſagt, uns an einigen Beiſpielen einen Begriff von der Methode des Pallavicini zu bilden.
Da er nun aus ſo vielen geheimen Urkunden ſchoͤpfte, und ei- gentlich das ganze Buch aus ihnen zuſammenwebte, ſo kommt es vor allem darauf an, ſich zu vergegenwaͤrtigen, wie er dieſe be- nutzt hat.
Es wird uns dieß beſonders da moͤglich ſeyn, wo etwa die Ur- kunden, deren er ſich bediente, nachher gedruckt worden ſind. Auch iſt es mir gegluͤckt eine ganze Reihe von Documenten einzuſehen, die niemals gedruckt worden, und die er citirt; es iſt nothwendig, die Originale mit ſeiner Bearbeitung zu vergleichen.
Ich will dieß in einigen Punkten nach einander thun.
1. Und da iſt nun zuerſt zu bekennen, daß die Inſtructionen und Papiere, welche Pallavicini vorlagen, von ihm oft ganz genuͤ- gend excerpirt und benutzt worden ſind. Ich habe z. B. eine In- ſtruction, welche der ſpaniſche Geſandte im November 1562 erhielt,
*) So heißt er bei Mazzuchelli.
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Der Jeſuitengeneral Goswin Nickel waͤhlte zur Ausarbeitung
deſſelben einen andern ſeiner Ordensbruͤder, der ſchon ein gewiſſes
literariſches Talent bewaͤhrt hatte, Sforza Pallavicini; er machte
ihn frei von andern Geſchaͤften — „wie ein Condottiere einen Sol-
daten“, ſagt Pallavicini ſelbſt, habe ihn der General zu dieſer Ar-
beit angeſtellt.
In drei dicken Quartanten foͤrderte Pallavicini ſeit dem Jahre
1656 dieſe Arbeit ans Licht.
Ein Werk das in der That einen ungeheuren Stoff enthaͤlt,
und fuͤr die Geſchichte des 16ten Jahrhunderts — denn es faͤngt auch
vom Urſprung der Reformation an — von der groͤßten Wichtigkeit iſt.
Die Archive waren dem Autor aufgethan, was die roͤmiſchen Bibliotheken
von Materialien die er brauchen konnte enthielten, war ihm zugaͤng-
lich; nicht allein die Acten des Conciliums auf das ausfuͤhrlichſte,
ſondern auch der Briefwechſel der Legaten mit Rom und eine große
Menge anderer Informationen kamen ihm zu Gute: er iſt weit
entfernt ſeine Quellen zu verſchweigen: er macht eher mit ihren
Titeln auf dem Rande ſeines Buches Parade: es iſt ihrer eine
Unzahl.
Sein vornehmſtes Geſchaͤft iſt nun, Sarpi zu widerlegen. Hin-
ter jedem Bande laͤßt er einen Catalog „der Irrthuͤmer in den That-
ſachen“ folgen, deren er ſeinen Gegner uͤberwieſen zu haben behaup-
tet; er zaͤhlt ihrer 361. Allein unzaͤhlige andere, fuͤgt er hinzu, die
er auch widerlegt habe, ſeyen in dieſen Catalogen gar nicht auf-
gefuͤhrt.
In ſeiner Vorrede ſagt er: „in kleine Scharmuͤtzel werde er
ſich nicht einlaſſen: wer ihn angreifen wolle, moͤge mit ordentlicher
Heeresmacht anruͤcken, und ſein ganzes Buch widerlegen, wie er
Paul Sarpi ganz widerlege.“ Was wollte das fuͤr ein Werk ge-
geben haben. Wir koͤnnen nicht verſucht ſeyn, auf eine aͤhnliche
Weiſe zu verfahren.
Es muß uns genuͤgen, wie geſagt, uns an einigen Beiſpielen
einen Begriff von der Methode des Pallavicini zu bilden.
Da er nun aus ſo vielen geheimen Urkunden ſchoͤpfte, und ei-
gentlich das ganze Buch aus ihnen zuſammenwebte, ſo kommt es
vor allem darauf an, ſich zu vergegenwaͤrtigen, wie er dieſe be-
nutzt hat.
Es wird uns dieß beſonders da moͤglich ſeyn, wo etwa die Ur-
kunden, deren er ſich bediente, nachher gedruckt worden ſind. Auch
iſt es mir gegluͤckt eine ganze Reihe von Documenten einzuſehen,
die niemals gedruckt worden, und die er citirt; es iſt nothwendig,
die Originale mit ſeiner Bearbeitung zu vergleichen.
Ich will dieß in einigen Punkten nach einander thun.
1. Und da iſt nun zuerſt zu bekennen, daß die Inſtructionen
und Papiere, welche Pallavicini vorlagen, von ihm oft ganz genuͤ-
gend excerpirt und benutzt worden ſind. Ich habe z. B. eine In-
ſtruction, welche der ſpaniſche Geſandte im November 1562 erhielt,
*) So heißt er bei Mazzuchelli.
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/294>, abgerufen am 16.02.2025.
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