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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

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Sarpi.
lei gefordert wird: die Wiederherstellung des Conciliums nach Trient,
die Sendung eines Legaten nach Deutschland, und eine Bestimmung
wie es im Falle einer Sedisvacanz gehalten werden solle. Wörtlich
übersetzt dieß Sarpi; dann aber schaltet er eine Bemerkung ein: "der
dritte Punkt", sagt er, "wurde hinzugefügt, um den Papst an sein
hohes Alter, seinen nahen Tod zu erinnern, um ihn dadurch zu grö-
ßerer Nachgiebigkeit zu bewegen, denn er werde ja seinen Nachkommen
das Mißvergnügen des Kaisers nicht zum Erbtheile zurücklassen wollen."

In diesem Style sind seine Bemerkungen überhaupt, sie sind
sämmtlich von Bitterkeit und Galle durchdrungen. "Der Legat be-
rief die Versammlung und sagte zuerst seine Meinung; denn der h.
Geist, welcher die Legaten nach dem Sinne des Papstes und die
Bischöfe nach dem Sinne der Legaten zu bewegen pflegt, that auch
dießmal wie er gewohnt ist."

Nach Sleidan schickt man das Interim nach Rom, "denn es
war doch auch den Protestanten darin einiges bewilligt." Nach Sarpi
drangen darauf die deutschen Prälaten, "denn", sagt er, "von jeher
suchen sie die päpstliche Autorität in Ansehen zu erhalten, da diese al-
lein das Gegengewicht der kaiserlichen ausmacht, der sie ohne den
Papst nicht würden widerstehn können, besonders wenn einmal die
Kaiser nach dem Gebrauch der alten christlichen Kirche sie zu ihrer
Pflicht nöthigen und die Mißbräuche der sogenannten kirchlichen Frei-
heit in Schranken halten wollen."

Im Allgemeinen sehen wir wohl, wie sehr sich Sarpi von den
bisherigen Compilatoren unterscheidet. Der Auszug den er macht,
ist voll von Geist und Leben. Dem fremden Material zum Trotz
hat sein Ausdruck einen leichten, angenehmen und gleichmäßigen
Fluß. Man bemerkt es nicht, wo er von einem Autor zu einem
andern übergeht. Aber damit ist freilich auch verbunden, daß seine
Darstellung die Farbe seiner Stimmung trägt, der systematischen
Opposition, des Widerwillens oder des Hasses gegen den römischen
Hof. Um so größern Eindruck bringt sie hervor.

Aber, wie wir sahen, Paul Sarpi hatte noch ganz andere Ma-
terialien als gedruckte Autoren. Bei weitem der wichtigere Theil
seines Buches ist, was er aus diesen schöpfte.

Er selbst unterscheidet die interconciliaren und vorbereitenden
Ereignisse von der eigentlichen Geschichte des Conciliums. Er sagt,
er wolle jene mehr in Form eines Jahrbuchs, diese mehr in Form
eines Tagebuchs behandeln. Ein anderer Unterschied ist, daß er für
jene sich großentheils an die geläufigen und wohlbekannten Schrift-
steller gehalten, für diese dagegen aus neuen und eigenen Docu-
menten geschöpft hat.

Es fragt sich zunächst, welcher Art diese sind.

Da möchte ich nun nicht glauben, daß es im Einzelnen viel
wäre, was er von Männern wie jener Secretär des ersten Lega-
ten an dem Concilium, Oliva, oder von dem französischen Gesand-
ten Ferrier in Venedig, der auch am Concilium gewesen war, er-
halten konnte -- eben in Hinsicht Olivas begeht Sarpi einen starken
Fehler: er läßt ihn das Concilium eher verlassen, als dieß geschehen
ist -- die französischen Acten wurden gar bald gedruckt; die Einwirkung

18*

Sarpi.
lei gefordert wird: die Wiederherſtellung des Conciliums nach Trient,
die Sendung eines Legaten nach Deutſchland, und eine Beſtimmung
wie es im Falle einer Sedisvacanz gehalten werden ſolle. Woͤrtlich
uͤberſetzt dieß Sarpi; dann aber ſchaltet er eine Bemerkung ein: „der
dritte Punkt“, ſagt er, „wurde hinzugefuͤgt, um den Papſt an ſein
hohes Alter, ſeinen nahen Tod zu erinnern, um ihn dadurch zu groͤ-
ßerer Nachgiebigkeit zu bewegen, denn er werde ja ſeinen Nachkommen
das Mißvergnuͤgen des Kaiſers nicht zum Erbtheile zuruͤcklaſſen wollen.“

In dieſem Style ſind ſeine Bemerkungen uͤberhaupt, ſie ſind
ſaͤmmtlich von Bitterkeit und Galle durchdrungen. „Der Legat be-
rief die Verſammlung und ſagte zuerſt ſeine Meinung; denn der h.
Geiſt, welcher die Legaten nach dem Sinne des Papſtes und die
Biſchoͤfe nach dem Sinne der Legaten zu bewegen pflegt, that auch
dießmal wie er gewohnt iſt.“

Nach Sleidan ſchickt man das Interim nach Rom, „denn es
war doch auch den Proteſtanten darin einiges bewilligt.“ Nach Sarpi
drangen darauf die deutſchen Praͤlaten, „denn“, ſagt er, „von jeher
ſuchen ſie die paͤpſtliche Autoritaͤt in Anſehen zu erhalten, da dieſe al-
lein das Gegengewicht der kaiſerlichen ausmacht, der ſie ohne den
Papſt nicht wuͤrden widerſtehn koͤnnen, beſonders wenn einmal die
Kaiſer nach dem Gebrauch der alten chriſtlichen Kirche ſie zu ihrer
Pflicht noͤthigen und die Mißbraͤuche der ſogenannten kirchlichen Frei-
heit in Schranken halten wollen.“

Im Allgemeinen ſehen wir wohl, wie ſehr ſich Sarpi von den
bisherigen Compilatoren unterſcheidet. Der Auszug den er macht,
iſt voll von Geiſt und Leben. Dem fremden Material zum Trotz
hat ſein Ausdruck einen leichten, angenehmen und gleichmaͤßigen
Fluß. Man bemerkt es nicht, wo er von einem Autor zu einem
andern uͤbergeht. Aber damit iſt freilich auch verbunden, daß ſeine
Darſtellung die Farbe ſeiner Stimmung traͤgt, der ſyſtematiſchen
Oppoſition, des Widerwillens oder des Haſſes gegen den roͤmiſchen
Hof. Um ſo groͤßern Eindruck bringt ſie hervor.

Aber, wie wir ſahen, Paul Sarpi hatte noch ganz andere Ma-
terialien als gedruckte Autoren. Bei weitem der wichtigere Theil
ſeines Buches iſt, was er aus dieſen ſchoͤpfte.

Er ſelbſt unterſcheidet die interconciliaren und vorbereitenden
Ereigniſſe von der eigentlichen Geſchichte des Conciliums. Er ſagt,
er wolle jene mehr in Form eines Jahrbuchs, dieſe mehr in Form
eines Tagebuchs behandeln. Ein anderer Unterſchied iſt, daß er fuͤr
jene ſich großentheils an die gelaͤufigen und wohlbekannten Schrift-
ſteller gehalten, fuͤr dieſe dagegen aus neuen und eigenen Docu-
menten geſchoͤpft hat.

Es fragt ſich zunaͤchſt, welcher Art dieſe ſind.

Da moͤchte ich nun nicht glauben, daß es im Einzelnen viel
waͤre, was er von Maͤnnern wie jener Secretaͤr des erſten Lega-
ten an dem Concilium, Oliva, oder von dem franzoͤſiſchen Geſand-
ten Ferrier in Venedig, der auch am Concilium geweſen war, er-
halten konnte — eben in Hinſicht Olivas begeht Sarpi einen ſtarken
Fehler: er laͤßt ihn das Concilium eher verlaſſen, als dieß geſchehen
iſt — die franzoͤſiſchen Acten wurden gar bald gedruckt; die Einwirkung

18*
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[275/0287] Sarpi. lei gefordert wird: die Wiederherſtellung des Conciliums nach Trient, die Sendung eines Legaten nach Deutſchland, und eine Beſtimmung wie es im Falle einer Sedisvacanz gehalten werden ſolle. Woͤrtlich uͤberſetzt dieß Sarpi; dann aber ſchaltet er eine Bemerkung ein: „der dritte Punkt“, ſagt er, „wurde hinzugefuͤgt, um den Papſt an ſein hohes Alter, ſeinen nahen Tod zu erinnern, um ihn dadurch zu groͤ- ßerer Nachgiebigkeit zu bewegen, denn er werde ja ſeinen Nachkommen das Mißvergnuͤgen des Kaiſers nicht zum Erbtheile zuruͤcklaſſen wollen.“ In dieſem Style ſind ſeine Bemerkungen uͤberhaupt, ſie ſind ſaͤmmtlich von Bitterkeit und Galle durchdrungen. „Der Legat be- rief die Verſammlung und ſagte zuerſt ſeine Meinung; denn der h. Geiſt, welcher die Legaten nach dem Sinne des Papſtes und die Biſchoͤfe nach dem Sinne der Legaten zu bewegen pflegt, that auch dießmal wie er gewohnt iſt.“ Nach Sleidan ſchickt man das Interim nach Rom, „denn es war doch auch den Proteſtanten darin einiges bewilligt.“ Nach Sarpi drangen darauf die deutſchen Praͤlaten, „denn“, ſagt er, „von jeher ſuchen ſie die paͤpſtliche Autoritaͤt in Anſehen zu erhalten, da dieſe al- lein das Gegengewicht der kaiſerlichen ausmacht, der ſie ohne den Papſt nicht wuͤrden widerſtehn koͤnnen, beſonders wenn einmal die Kaiſer nach dem Gebrauch der alten chriſtlichen Kirche ſie zu ihrer Pflicht noͤthigen und die Mißbraͤuche der ſogenannten kirchlichen Frei- heit in Schranken halten wollen.“ Im Allgemeinen ſehen wir wohl, wie ſehr ſich Sarpi von den bisherigen Compilatoren unterſcheidet. Der Auszug den er macht, iſt voll von Geiſt und Leben. Dem fremden Material zum Trotz hat ſein Ausdruck einen leichten, angenehmen und gleichmaͤßigen Fluß. Man bemerkt es nicht, wo er von einem Autor zu einem andern uͤbergeht. Aber damit iſt freilich auch verbunden, daß ſeine Darſtellung die Farbe ſeiner Stimmung traͤgt, der ſyſtematiſchen Oppoſition, des Widerwillens oder des Haſſes gegen den roͤmiſchen Hof. Um ſo groͤßern Eindruck bringt ſie hervor. Aber, wie wir ſahen, Paul Sarpi hatte noch ganz andere Ma- terialien als gedruckte Autoren. Bei weitem der wichtigere Theil ſeines Buches iſt, was er aus dieſen ſchoͤpfte. Er ſelbſt unterſcheidet die interconciliaren und vorbereitenden Ereigniſſe von der eigentlichen Geſchichte des Conciliums. Er ſagt, er wolle jene mehr in Form eines Jahrbuchs, dieſe mehr in Form eines Tagebuchs behandeln. Ein anderer Unterſchied iſt, daß er fuͤr jene ſich großentheils an die gelaͤufigen und wohlbekannten Schrift- ſteller gehalten, fuͤr dieſe dagegen aus neuen und eigenen Docu- menten geſchoͤpft hat. Es fragt ſich zunaͤchſt, welcher Art dieſe ſind. Da moͤchte ich nun nicht glauben, daß es im Einzelnen viel waͤre, was er von Maͤnnern wie jener Secretaͤr des erſten Lega- ten an dem Concilium, Oliva, oder von dem franzoͤſiſchen Geſand- ten Ferrier in Venedig, der auch am Concilium geweſen war, er- halten konnte — eben in Hinſicht Olivas begeht Sarpi einen ſtarken Fehler: er laͤßt ihn das Concilium eher verlaſſen, als dieß geſchehen iſt — die franzoͤſiſchen Acten wurden gar bald gedruckt; die Einwirkung 18*

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/287>, abgerufen am 25.11.2024.