stitution nach sich ziehe, ward der gute Mensch wirklich vermocht, obwohl unter bittern Schmerzen und heftigem Sträuben, dieses Recht doch eigentlich aufzugeben. Denn was heißt es anders, wenn er es den Metropolitanen über- trägt, so oft als er selbst aus einem andern Grunde als wegen persönlicher Unwürdigkeit länger als sechs Monat zögere es auszuüben. Er verzichtete auf ein Recht, worin doch in Wahrheit seine letzte Waffe bestand.
Allein das war noch nicht alles was man von ihm wollte. In ungeduldiger Eile, die seine körperliche Schwach- heit noch vermehrte, führte man ihn nach Fontainebleau: es folgten neue Bestürmungen, die dringendsten Aufforderungen den Frieden der Kirche vollkommen herzustellen. Endlich gab der Papst auch in den übrigen, den entscheidenden Punk- ten nach. Er willigte ein, in Frankreich zu residiren; die wesentlichsten Bestimmungen jenes Senatusconsults gab er zu. Das Concordat von Fontainebleau -- 25. Januar 1813 -- ist in der Voraussetzung abgefaßt, daß er nicht wieder nach Rom zurückkehren werde 1).
Was niemals ein früherer katholischer Fürst auch nur ernstlich in Absicht zu fassen gewagt hatte, war hiemit dem Autokraten der Revolution wirklich gelungen. Der Papst willigte ein, sich dem französischen Reiche zu unterwerfen. Seine Autorität wäre auf alle Zeiten ein Werkzeug in der Hand dieser neuen Dynastie geworden: sie hätte den innern Gehorsam und die Verhältnisse der Abhängigkeit der noch
1)Bart. Pacca: Memorie storiche del ministero de' due viaggi in Francia etc. p. 323. Historisch politische Zeitschrift I, IV, 642.
BuchVIII.Spaͤtere Epochen.
ſtitution nach ſich ziehe, ward der gute Menſch wirklich vermocht, obwohl unter bittern Schmerzen und heftigem Straͤuben, dieſes Recht doch eigentlich aufzugeben. Denn was heißt es anders, wenn er es den Metropolitanen uͤber- traͤgt, ſo oft als er ſelbſt aus einem andern Grunde als wegen perſoͤnlicher Unwuͤrdigkeit laͤnger als ſechs Monat zoͤgere es auszuuͤben. Er verzichtete auf ein Recht, worin doch in Wahrheit ſeine letzte Waffe beſtand.
Allein das war noch nicht alles was man von ihm wollte. In ungeduldiger Eile, die ſeine koͤrperliche Schwach- heit noch vermehrte, fuͤhrte man ihn nach Fontainebleau: es folgten neue Beſtuͤrmungen, die dringendſten Aufforderungen den Frieden der Kirche vollkommen herzuſtellen. Endlich gab der Papſt auch in den uͤbrigen, den entſcheidenden Punk- ten nach. Er willigte ein, in Frankreich zu reſidiren; die weſentlichſten Beſtimmungen jenes Senatusconſults gab er zu. Das Concordat von Fontainebleau — 25. Januar 1813 — iſt in der Vorausſetzung abgefaßt, daß er nicht wieder nach Rom zuruͤckkehren werde 1).
Was niemals ein fruͤherer katholiſcher Fuͤrſt auch nur ernſtlich in Abſicht zu faſſen gewagt hatte, war hiemit dem Autokraten der Revolution wirklich gelungen. Der Papſt willigte ein, ſich dem franzoͤſiſchen Reiche zu unterwerfen. Seine Autoritaͤt waͤre auf alle Zeiten ein Werkzeug in der Hand dieſer neuen Dynaſtie geworden: ſie haͤtte den innern Gehorſam und die Verhaͤltniſſe der Abhaͤngigkeit der noch
1)Bart. Pacca: Memorie storiche del ministero de’ due viaggi in Francia etc. p. 323. Hiſtoriſch politiſche Zeitſchrift I, IV, 642.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0228"n="216"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Buch</hi><hirendition="#aq">VIII.</hi><hirendition="#g">Spaͤtere Epochen</hi>.</fw><lb/>ſtitution nach ſich ziehe, ward der gute Menſch wirklich<lb/>
vermocht, obwohl unter bittern Schmerzen und heftigem<lb/>
Straͤuben, dieſes Recht doch eigentlich aufzugeben. Denn<lb/>
was heißt es anders, wenn er es den Metropolitanen uͤber-<lb/>
traͤgt, ſo oft als er ſelbſt aus einem andern Grunde als<lb/>
wegen perſoͤnlicher Unwuͤrdigkeit laͤnger als ſechs Monat<lb/>
zoͤgere es auszuuͤben. Er verzichtete auf ein Recht, worin<lb/>
doch in Wahrheit ſeine letzte Waffe beſtand.</p><lb/><p>Allein das war noch nicht alles was man von ihm<lb/>
wollte. In ungeduldiger Eile, die ſeine koͤrperliche Schwach-<lb/>
heit noch vermehrte, fuͤhrte man ihn nach Fontainebleau: es<lb/>
folgten neue Beſtuͤrmungen, die dringendſten Aufforderungen<lb/>
den Frieden der Kirche vollkommen herzuſtellen. Endlich<lb/>
gab der Papſt auch in den uͤbrigen, den entſcheidenden Punk-<lb/>
ten nach. Er willigte ein, in Frankreich zu reſidiren; die<lb/>
weſentlichſten Beſtimmungen jenes Senatusconſults gab er<lb/>
zu. Das Concordat von Fontainebleau — 25. Januar<lb/>
1813 — iſt in der Vorausſetzung abgefaßt, daß er nicht<lb/>
wieder nach Rom zuruͤckkehren werde <noteplace="foot"n="1)"><hirendition="#aq">Bart. Pacca: Memorie storiche del ministero de’ due<lb/>
viaggi in Francia etc. p.</hi> 323. Hiſtoriſch politiſche Zeitſchrift<lb/><hirendition="#aq">I, IV,</hi> 642.</note>.</p><lb/><p>Was niemals ein fruͤherer katholiſcher Fuͤrſt auch nur<lb/>
ernſtlich in Abſicht zu faſſen gewagt hatte, war hiemit dem<lb/>
Autokraten der Revolution wirklich gelungen. Der Papſt<lb/>
willigte ein, ſich dem franzoͤſiſchen Reiche zu unterwerfen.<lb/>
Seine Autoritaͤt waͤre auf alle Zeiten ein Werkzeug in der<lb/>
Hand dieſer neuen Dynaſtie geworden: ſie haͤtte den innern<lb/>
Gehorſam und die Verhaͤltniſſe der Abhaͤngigkeit der noch<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[216/0228]
Buch VIII. Spaͤtere Epochen.
ſtitution nach ſich ziehe, ward der gute Menſch wirklich
vermocht, obwohl unter bittern Schmerzen und heftigem
Straͤuben, dieſes Recht doch eigentlich aufzugeben. Denn
was heißt es anders, wenn er es den Metropolitanen uͤber-
traͤgt, ſo oft als er ſelbſt aus einem andern Grunde als
wegen perſoͤnlicher Unwuͤrdigkeit laͤnger als ſechs Monat
zoͤgere es auszuuͤben. Er verzichtete auf ein Recht, worin
doch in Wahrheit ſeine letzte Waffe beſtand.
Allein das war noch nicht alles was man von ihm
wollte. In ungeduldiger Eile, die ſeine koͤrperliche Schwach-
heit noch vermehrte, fuͤhrte man ihn nach Fontainebleau: es
folgten neue Beſtuͤrmungen, die dringendſten Aufforderungen
den Frieden der Kirche vollkommen herzuſtellen. Endlich
gab der Papſt auch in den uͤbrigen, den entſcheidenden Punk-
ten nach. Er willigte ein, in Frankreich zu reſidiren; die
weſentlichſten Beſtimmungen jenes Senatusconſults gab er
zu. Das Concordat von Fontainebleau — 25. Januar
1813 — iſt in der Vorausſetzung abgefaßt, daß er nicht
wieder nach Rom zuruͤckkehren werde 1).
Was niemals ein fruͤherer katholiſcher Fuͤrſt auch nur
ernſtlich in Abſicht zu faſſen gewagt hatte, war hiemit dem
Autokraten der Revolution wirklich gelungen. Der Papſt
willigte ein, ſich dem franzoͤſiſchen Reiche zu unterwerfen.
Seine Autoritaͤt waͤre auf alle Zeiten ein Werkzeug in der
Hand dieſer neuen Dynaſtie geworden: ſie haͤtte den innern
Gehorſam und die Verhaͤltniſſe der Abhaͤngigkeit der noch
1) Bart. Pacca: Memorie storiche del ministero de’ due
viaggi in Francia etc. p. 323. Hiſtoriſch politiſche Zeitſchrift
I, IV, 642.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/228>, abgerufen am 30.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.