Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.Buch VIII. Spätere Epochen. finden meinte, und in bei weitem größerer Ausdehnung alsin jenen fünf Sätzen, verurtheilt wurden 1). Es war die letzte Entscheidung in den alten durch Molina angeregten Glaubensfragen; der römische Stuhl trat nach so langem Zaudern endlich unzweifelhaft auf die jesuitische Seite. Da- durch gelang es ihm nun allerdings, den mächtigen Orden für sich zu gewinnen, der seitdem, was er früher wie wir sahen keinesweges immer that, die ultramontanen Doctri- nen, die Ansprüche der päpstlichen Gewalt auf das lebhaf- teste verfocht; es gelang ihm auch, mit der französischen Regierung in gutem Verhältniß zu bleiben, von der ja jene Entscheidung hervorgerufen worden; bald wurden nur noch Die angestellt, die sich der Bulle unterwarfen. Aber auf der andern Seite erhob sich auch die gewaltigste Oppo- sition: in den Gelehrten, die sich an Augustin, den Orden, die sich an Thomas von Aquino hielten; in den Parla- menten, welche in jedem neuen Acte des römischen Hofes eine Verletzung der gallicanischen Rechte sahen; jetzt end- lich ergriffen die Jansenisten für diese Freiheiten ernstlich Partei: mit immer weiter schreitender Kühnheit bildeten sie eine der römischen entgegenlaufende Doctrin über die Kirche aus; ja unter dem Schutze einer protestantischen Regierung 1) Die Memoires secrets sur la bulle Unigenitus I, p. 123
schildern den ersten Eindruck den sie hervorbrachte. Les uns pu- blioient qu'on y attaquoit de front les premiers principes de la foi et de la morale; les autres qu'on y condamnoit les senti- ments et les expressions des saints peres; d'autres qu'on y en- levoit a la charite sa preeminence et sa force; d'autres qu'on leur arrachoit des mains le pain celeste des ecritures; -- les nouveaux reunis a l'eglise se disoient trompes etc. etc. Buch VIII. Spaͤtere Epochen. finden meinte, und in bei weitem groͤßerer Ausdehnung alsin jenen fuͤnf Saͤtzen, verurtheilt wurden 1). Es war die letzte Entſcheidung in den alten durch Molina angeregten Glaubensfragen; der roͤmiſche Stuhl trat nach ſo langem Zaudern endlich unzweifelhaft auf die jeſuitiſche Seite. Da- durch gelang es ihm nun allerdings, den maͤchtigen Orden fuͤr ſich zu gewinnen, der ſeitdem, was er fruͤher wie wir ſahen keinesweges immer that, die ultramontanen Doctri- nen, die Anſpruͤche der paͤpſtlichen Gewalt auf das lebhaf- teſte verfocht; es gelang ihm auch, mit der franzoͤſiſchen Regierung in gutem Verhaͤltniß zu bleiben, von der ja jene Entſcheidung hervorgerufen worden; bald wurden nur noch Die angeſtellt, die ſich der Bulle unterwarfen. Aber auf der andern Seite erhob ſich auch die gewaltigſte Oppo- ſition: in den Gelehrten, die ſich an Auguſtin, den Orden, die ſich an Thomas von Aquino hielten; in den Parla- menten, welche in jedem neuen Acte des roͤmiſchen Hofes eine Verletzung der gallicaniſchen Rechte ſahen; jetzt end- lich ergriffen die Janſeniſten fuͤr dieſe Freiheiten ernſtlich Partei: mit immer weiter ſchreitender Kuͤhnheit bildeten ſie eine der roͤmiſchen entgegenlaufende Doctrin uͤber die Kirche aus; ja unter dem Schutze einer proteſtantiſchen Regierung 1) Die Mémoires secrets sur la bulle Unigenitus I, p. 123
ſchildern den erſten Eindruck den ſie hervorbrachte. Les uns pu- blioient qu’on y attaquoit de front les premiers principes de la foi et de la morale; les autres qu’on y condamnoit les senti- ments et les expressions des saints pères; d’autres qu’on y en- levoit à la charité sa prééminence et sa force; d’autres qu’on leur arrachoit des mains le pain céleste des écritures; — les nouveaux réunis à l’église se disoient trompés etc. etc. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0198" n="186"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">VIII.</hi><hi rendition="#g">Spaͤtere Epochen</hi>.</fw><lb/> finden meinte, und in bei weitem groͤßerer Ausdehnung als<lb/> in jenen fuͤnf Saͤtzen, verurtheilt wurden <note place="foot" n="1)">Die <hi rendition="#aq">Mémoires secrets sur la bulle Unigenitus I, p.</hi> 123<lb/> ſchildern den erſten Eindruck den ſie hervorbrachte. <hi rendition="#aq">Les uns pu-<lb/> blioient qu’on y attaquoit de front les premiers principes de la<lb/> foi et de la morale; les autres qu’on y condamnoit les senti-<lb/> ments et les expressions des saints pères; d’autres qu’on y en-<lb/> levoit à la charité sa prééminence et sa force; d’autres qu’on<lb/> leur arrachoit des mains le pain céleste des écritures; — les<lb/> nouveaux réunis à l’église se disoient trompés etc. etc.</hi></note>. Es war die<lb/> letzte Entſcheidung in den alten durch Molina angeregten<lb/> Glaubensfragen; der roͤmiſche Stuhl trat nach ſo langem<lb/> Zaudern endlich unzweifelhaft auf die jeſuitiſche Seite. Da-<lb/> durch gelang es ihm nun allerdings, den maͤchtigen Orden<lb/> fuͤr ſich zu gewinnen, der ſeitdem, was er fruͤher wie wir<lb/> ſahen keinesweges immer that, die ultramontanen Doctri-<lb/> nen, die Anſpruͤche der paͤpſtlichen Gewalt auf das lebhaf-<lb/> teſte verfocht; es gelang ihm auch, mit der franzoͤſiſchen<lb/> Regierung in gutem Verhaͤltniß zu bleiben, von der ja<lb/> jene Entſcheidung hervorgerufen worden; bald wurden nur<lb/> noch Die angeſtellt, die ſich der Bulle unterwarfen. Aber<lb/> auf der andern Seite erhob ſich auch die gewaltigſte Oppo-<lb/> ſition: in den Gelehrten, die ſich an Auguſtin, den Orden,<lb/> die ſich an Thomas von Aquino hielten; in den Parla-<lb/> menten, welche in jedem neuen Acte des roͤmiſchen Hofes<lb/> eine Verletzung der gallicaniſchen Rechte ſahen; jetzt end-<lb/> lich ergriffen die Janſeniſten fuͤr dieſe Freiheiten ernſtlich<lb/> Partei: mit immer weiter ſchreitender Kuͤhnheit bildeten ſie<lb/> eine der roͤmiſchen entgegenlaufende Doctrin uͤber die Kirche<lb/> aus; ja unter dem Schutze einer proteſtantiſchen Regierung<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [186/0198]
Buch VIII. Spaͤtere Epochen.
finden meinte, und in bei weitem groͤßerer Ausdehnung als
in jenen fuͤnf Saͤtzen, verurtheilt wurden 1). Es war die
letzte Entſcheidung in den alten durch Molina angeregten
Glaubensfragen; der roͤmiſche Stuhl trat nach ſo langem
Zaudern endlich unzweifelhaft auf die jeſuitiſche Seite. Da-
durch gelang es ihm nun allerdings, den maͤchtigen Orden
fuͤr ſich zu gewinnen, der ſeitdem, was er fruͤher wie wir
ſahen keinesweges immer that, die ultramontanen Doctri-
nen, die Anſpruͤche der paͤpſtlichen Gewalt auf das lebhaf-
teſte verfocht; es gelang ihm auch, mit der franzoͤſiſchen
Regierung in gutem Verhaͤltniß zu bleiben, von der ja
jene Entſcheidung hervorgerufen worden; bald wurden nur
noch Die angeſtellt, die ſich der Bulle unterwarfen. Aber
auf der andern Seite erhob ſich auch die gewaltigſte Oppo-
ſition: in den Gelehrten, die ſich an Auguſtin, den Orden,
die ſich an Thomas von Aquino hielten; in den Parla-
menten, welche in jedem neuen Acte des roͤmiſchen Hofes
eine Verletzung der gallicaniſchen Rechte ſahen; jetzt end-
lich ergriffen die Janſeniſten fuͤr dieſe Freiheiten ernſtlich
Partei: mit immer weiter ſchreitender Kuͤhnheit bildeten ſie
eine der roͤmiſchen entgegenlaufende Doctrin uͤber die Kirche
aus; ja unter dem Schutze einer proteſtantiſchen Regierung
1) Die Mémoires secrets sur la bulle Unigenitus I, p. 123
ſchildern den erſten Eindruck den ſie hervorbrachte. Les uns pu-
blioient qu’on y attaquoit de front les premiers principes de la
foi et de la morale; les autres qu’on y condamnoit les senti-
ments et les expressions des saints pères; d’autres qu’on y en-
levoit à la charité sa prééminence et sa force; d’autres qu’on
leur arrachoit des mains le pain céleste des écritures; — les
nouveaux réunis à l’église se disoient trompés etc. etc.
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