unirten Provinzen von Polen ohne Weiteres griechische Bi- schöfe ein 1); die Erhebung von Preußen gab allmählig den deutschen Protestanten wieder ein Gefühl von Selbständig- keit und Kraft, wie sie es lange nicht gehabt; je entschie- dener sich die protestantische Macht von England zur See- herrschaft erhob, desto mehr mußten die katholischen Mis- sionen in Schatten treten und an ihrer Wirksamkeit ver- lieren, die ja einstmals auch auf politischem Einfluß be- ruhte.
Aber auch in weiterm Sinne. Noch in der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts, als England an die französische Politik geknüpft, Rußland von dem übrigen Europa so gut wie getrennt war, die brandenburgisch-preu- ßische Macht sich eben erst erhob, hatten die katholischen Mächte, Frankreich, Spanien, Oestreich, Polen selbst in ih- rer Entzweiung die europäische Welt beherrscht. Es mußte, däucht mich, das Gefühl des Daseyns umwandeln, daß dieß so sehr verändert war; das Selbstgefühl einer unbe- dingten Bedeutung mußte beschränkt werden, verschwinden. Der Papst ward jetzt erst inne, daß er nicht mehr an der Spitze der vorwaltenden Weltmacht stand.
Endlich aber, sollte man nicht daran denken, woher die Veränderung kam? Jede Niederlage, jeder Verlust wird bei dem Besiegten, der noch nicht an sich verzwei- felt, eine innere Gährung hervorrufen, Nachahmung des überlegenen Gegners, Wetteifer mit ihm. Die strenger mo- narchischen, militärisch-commerciellen Tendenzen des unka- tholischen Theiles drangen jetzt in die katholischen Staaten
1)Rulhiere: Histoire de l'anarchie de Pologne I, 181.
BuchVIII.Spaͤtere Epochen.
unirten Provinzen von Polen ohne Weiteres griechiſche Bi- ſchoͤfe ein 1); die Erhebung von Preußen gab allmaͤhlig den deutſchen Proteſtanten wieder ein Gefuͤhl von Selbſtaͤndig- keit und Kraft, wie ſie es lange nicht gehabt; je entſchie- dener ſich die proteſtantiſche Macht von England zur See- herrſchaft erhob, deſto mehr mußten die katholiſchen Miſ- ſionen in Schatten treten und an ihrer Wirkſamkeit ver- lieren, die ja einſtmals auch auf politiſchem Einfluß be- ruhte.
Aber auch in weiterm Sinne. Noch in der zweiten Haͤlfte des ſiebzehnten Jahrhunderts, als England an die franzoͤſiſche Politik geknuͤpft, Rußland von dem uͤbrigen Europa ſo gut wie getrennt war, die brandenburgiſch-preu- ßiſche Macht ſich eben erſt erhob, hatten die katholiſchen Maͤchte, Frankreich, Spanien, Oeſtreich, Polen ſelbſt in ih- rer Entzweiung die europaͤiſche Welt beherrſcht. Es mußte, daͤucht mich, das Gefuͤhl des Daſeyns umwandeln, daß dieß ſo ſehr veraͤndert war; das Selbſtgefuͤhl einer unbe- dingten Bedeutung mußte beſchraͤnkt werden, verſchwinden. Der Papſt ward jetzt erſt inne, daß er nicht mehr an der Spitze der vorwaltenden Weltmacht ſtand.
Endlich aber, ſollte man nicht daran denken, woher die Veraͤnderung kam? Jede Niederlage, jeder Verluſt wird bei dem Beſiegten, der noch nicht an ſich verzwei- felt, eine innere Gaͤhrung hervorrufen, Nachahmung des uͤberlegenen Gegners, Wetteifer mit ihm. Die ſtrenger mo- narchiſchen, militaͤriſch-commerciellen Tendenzen des unka- tholiſchen Theiles drangen jetzt in die katholiſchen Staaten
1)Rulhière: Histoire de l’anarchie de Pologne I, 181.
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Buch VIII. Spaͤtere Epochen.
unirten Provinzen von Polen ohne Weiteres griechiſche Bi-
ſchoͤfe ein 1); die Erhebung von Preußen gab allmaͤhlig den
deutſchen Proteſtanten wieder ein Gefuͤhl von Selbſtaͤndig-
keit und Kraft, wie ſie es lange nicht gehabt; je entſchie-
dener ſich die proteſtantiſche Macht von England zur See-
herrſchaft erhob, deſto mehr mußten die katholiſchen Miſ-
ſionen in Schatten treten und an ihrer Wirkſamkeit ver-
lieren, die ja einſtmals auch auf politiſchem Einfluß be-
ruhte.
Aber auch in weiterm Sinne. Noch in der zweiten
Haͤlfte des ſiebzehnten Jahrhunderts, als England an die
franzoͤſiſche Politik geknuͤpft, Rußland von dem uͤbrigen
Europa ſo gut wie getrennt war, die brandenburgiſch-preu-
ßiſche Macht ſich eben erſt erhob, hatten die katholiſchen
Maͤchte, Frankreich, Spanien, Oeſtreich, Polen ſelbſt in ih-
rer Entzweiung die europaͤiſche Welt beherrſcht. Es mußte,
daͤucht mich, das Gefuͤhl des Daſeyns umwandeln, daß
dieß ſo ſehr veraͤndert war; das Selbſtgefuͤhl einer unbe-
dingten Bedeutung mußte beſchraͤnkt werden, verſchwinden.
Der Papſt ward jetzt erſt inne, daß er nicht mehr an der
Spitze der vorwaltenden Weltmacht ſtand.
Endlich aber, ſollte man nicht daran denken, woher
die Veraͤnderung kam? Jede Niederlage, jeder Verluſt
wird bei dem Beſiegten, der noch nicht an ſich verzwei-
felt, eine innere Gaͤhrung hervorrufen, Nachahmung des
uͤberlegenen Gegners, Wetteifer mit ihm. Die ſtrenger mo-
narchiſchen, militaͤriſch-commerciellen Tendenzen des unka-
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1) Rulhière: Histoire de l’anarchie de Pologne I, 181.
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/196>, abgerufen am 16.07.2024.
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