Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch VIII. Die Päpste um d. Mitte d. 17. Jahrh.
auf dem betretenen Wege nicht durchdringen; sie mußte
eine Kirche, obwohl katholisch, doch nicht unter dem Ein-
fluß den sie beabsichtigte, sich bilden, sich erheben sehen,
und sich zu einer Abkunft mit derselben entschließen.

Damit hing dann zusammen, daß sogleich auch in
dem Innern starke Gegensätze sich erhoben, Streitigkeiten
über die wichtigsten Glaubenspunkte, über das Verhält-
niß der geistlichen zu der weltlichen Macht; -- an der Cu-
rie bildete sich der Nepotismus auf eine gefahrdrohende
Weise aus, -- die finanziellen Kräfte, statt vollständig zu
ihrem Zwecke verwandt zu werden, kamen zum großen
Theil einzelnen Familien zu Gute.

Noch immer aber hatte man ein großes und allge-
meines Ziel, nach welchem man mit außerordentlichem Glück
vorwärts schritt. In diesem höhern Streben wurden alle
Gegensätze vermittelt, die Streitigkeiten der Lehre und des
kirchlich weltlichen Anspruches beschwichtigt, die Entzweiun-
gen der Mächte versöhnt, der Fortgang der allgemeinen
Unternehmungen im Zuge erhalten: die Curie war der
den Weg anweisende Mittelpunkt der katholischen Welt:
im größten Styl setzten sich die Bekehrungen fort.

Aber wir sahen wie es geschah, daß man doch nicht
zum Ziel gelangte, sondern durch innern Zwist und äußern
Widerstand auf sich selbst zurückgeworfen wurde.

Seitdem nahmen nun auch alle Verhältnisse des Staa-
tes, der innern Entwickelung eine andere Gestalt an.

In dem Geiste der Eroberung und Erwerbung, der
sich einem großen Zweck widmet, liegt zugleich Hingebung,
mit einem beschränkten Egoismus verträgt er sich nicht;

Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh.
auf dem betretenen Wege nicht durchdringen; ſie mußte
eine Kirche, obwohl katholiſch, doch nicht unter dem Ein-
fluß den ſie beabſichtigte, ſich bilden, ſich erheben ſehen,
und ſich zu einer Abkunft mit derſelben entſchließen.

Damit hing dann zuſammen, daß ſogleich auch in
dem Innern ſtarke Gegenſaͤtze ſich erhoben, Streitigkeiten
uͤber die wichtigſten Glaubenspunkte, uͤber das Verhaͤlt-
niß der geiſtlichen zu der weltlichen Macht; — an der Cu-
rie bildete ſich der Nepotismus auf eine gefahrdrohende
Weiſe aus, — die finanziellen Kraͤfte, ſtatt vollſtaͤndig zu
ihrem Zwecke verwandt zu werden, kamen zum großen
Theil einzelnen Familien zu Gute.

Noch immer aber hatte man ein großes und allge-
meines Ziel, nach welchem man mit außerordentlichem Gluͤck
vorwaͤrts ſchritt. In dieſem hoͤhern Streben wurden alle
Gegenſaͤtze vermittelt, die Streitigkeiten der Lehre und des
kirchlich weltlichen Anſpruches beſchwichtigt, die Entzweiun-
gen der Maͤchte verſoͤhnt, der Fortgang der allgemeinen
Unternehmungen im Zuge erhalten: die Curie war der
den Weg anweiſende Mittelpunkt der katholiſchen Welt:
im groͤßten Styl ſetzten ſich die Bekehrungen fort.

Aber wir ſahen wie es geſchah, daß man doch nicht
zum Ziel gelangte, ſondern durch innern Zwiſt und aͤußern
Widerſtand auf ſich ſelbſt zuruͤckgeworfen wurde.

Seitdem nahmen nun auch alle Verhaͤltniſſe des Staa-
tes, der innern Entwickelung eine andere Geſtalt an.

In dem Geiſte der Eroberung und Erwerbung, der
ſich einem großen Zweck widmet, liegt zugleich Hingebung,
mit einem beſchraͤnkten Egoismus vertraͤgt er ſich nicht;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0170" n="158"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">VIII.</hi><hi rendition="#g">Die Pa&#x0364;p&#x017F;te um d. Mitte d. 17. Jahrh</hi>.</fw><lb/>
auf dem betretenen Wege nicht durchdringen; &#x017F;ie mußte<lb/>
eine Kirche, obwohl katholi&#x017F;ch, doch nicht unter dem Ein-<lb/>
fluß den &#x017F;ie beab&#x017F;ichtigte, &#x017F;ich bilden, &#x017F;ich erheben &#x017F;ehen,<lb/>
und &#x017F;ich zu einer Abkunft mit der&#x017F;elben ent&#x017F;chließen.</p><lb/>
          <p>Damit hing dann zu&#x017F;ammen, daß &#x017F;ogleich auch in<lb/>
dem Innern &#x017F;tarke Gegen&#x017F;a&#x0364;tze &#x017F;ich erhoben, Streitigkeiten<lb/>
u&#x0364;ber die wichtig&#x017F;ten Glaubenspunkte, u&#x0364;ber das Verha&#x0364;lt-<lb/>
niß der gei&#x017F;tlichen zu der weltlichen Macht; &#x2014; an der Cu-<lb/>
rie bildete &#x017F;ich der Nepotismus auf eine gefahrdrohende<lb/>
Wei&#x017F;e aus, &#x2014; die finanziellen Kra&#x0364;fte, &#x017F;tatt voll&#x017F;ta&#x0364;ndig zu<lb/>
ihrem Zwecke verwandt zu werden, kamen zum großen<lb/>
Theil einzelnen Familien zu Gute.</p><lb/>
          <p>Noch immer aber hatte man ein großes und allge-<lb/>
meines Ziel, nach welchem man mit außerordentlichem Glu&#x0364;ck<lb/>
vorwa&#x0364;rts &#x017F;chritt. In die&#x017F;em ho&#x0364;hern Streben wurden alle<lb/>
Gegen&#x017F;a&#x0364;tze vermittelt, die Streitigkeiten der Lehre und des<lb/>
kirchlich weltlichen An&#x017F;pruches be&#x017F;chwichtigt, die Entzweiun-<lb/>
gen der Ma&#x0364;chte ver&#x017F;o&#x0364;hnt, der Fortgang der allgemeinen<lb/>
Unternehmungen im Zuge erhalten: die Curie war der<lb/>
den Weg anwei&#x017F;ende Mittelpunkt der katholi&#x017F;chen Welt:<lb/>
im gro&#x0364;ßten Styl &#x017F;etzten &#x017F;ich die Bekehrungen fort.</p><lb/>
          <p>Aber wir &#x017F;ahen wie es ge&#x017F;chah, daß man doch nicht<lb/>
zum Ziel gelangte, &#x017F;ondern durch innern Zwi&#x017F;t und a&#x0364;ußern<lb/>
Wider&#x017F;tand auf &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zuru&#x0364;ckgeworfen wurde.</p><lb/>
          <p>Seitdem nahmen nun auch alle Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e des Staa-<lb/>
tes, der innern Entwickelung eine andere Ge&#x017F;talt an.</p><lb/>
          <p>In dem Gei&#x017F;te der Eroberung und Erwerbung, der<lb/>
&#x017F;ich einem großen Zweck widmet, liegt zugleich Hingebung,<lb/>
mit einem be&#x017F;chra&#x0364;nkten Egoismus vertra&#x0364;gt er &#x017F;ich nicht;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0170] Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh. auf dem betretenen Wege nicht durchdringen; ſie mußte eine Kirche, obwohl katholiſch, doch nicht unter dem Ein- fluß den ſie beabſichtigte, ſich bilden, ſich erheben ſehen, und ſich zu einer Abkunft mit derſelben entſchließen. Damit hing dann zuſammen, daß ſogleich auch in dem Innern ſtarke Gegenſaͤtze ſich erhoben, Streitigkeiten uͤber die wichtigſten Glaubenspunkte, uͤber das Verhaͤlt- niß der geiſtlichen zu der weltlichen Macht; — an der Cu- rie bildete ſich der Nepotismus auf eine gefahrdrohende Weiſe aus, — die finanziellen Kraͤfte, ſtatt vollſtaͤndig zu ihrem Zwecke verwandt zu werden, kamen zum großen Theil einzelnen Familien zu Gute. Noch immer aber hatte man ein großes und allge- meines Ziel, nach welchem man mit außerordentlichem Gluͤck vorwaͤrts ſchritt. In dieſem hoͤhern Streben wurden alle Gegenſaͤtze vermittelt, die Streitigkeiten der Lehre und des kirchlich weltlichen Anſpruches beſchwichtigt, die Entzweiun- gen der Maͤchte verſoͤhnt, der Fortgang der allgemeinen Unternehmungen im Zuge erhalten: die Curie war der den Weg anweiſende Mittelpunkt der katholiſchen Welt: im groͤßten Styl ſetzten ſich die Bekehrungen fort. Aber wir ſahen wie es geſchah, daß man doch nicht zum Ziel gelangte, ſondern durch innern Zwiſt und aͤußern Widerſtand auf ſich ſelbſt zuruͤckgeworfen wurde. Seitdem nahmen nun auch alle Verhaͤltniſſe des Staa- tes, der innern Entwickelung eine andere Geſtalt an. In dem Geiſte der Eroberung und Erwerbung, der ſich einem großen Zweck widmet, liegt zugleich Hingebung, mit einem beſchraͤnkten Egoismus vertraͤgt er ſich nicht;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/170
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/170>, abgerufen am 25.11.2024.