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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

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Jansenisten.
leben 1), der wahre freie Wille, d. i. ein Wille, befreit
von dem Bösen, erfüllt mit dem Guten.

Es ist an diesem Werke bewundernswürdig, in wie
hohem Grade philosophisch durchsichtig die dogmatischen
Entwickelungen gehalten sind, selbst in dem gelehrten Eifer
einer feindseligen Discussion: die Grundbegriffe sind zugleich
moralisch und religiös, speculativ und praktisch: jenem äu-
ßerlichen Sich-abfinden der jesuitischen Lehre setzt es strenge
Innerlichkeit, das Ideal einer in der Liebe zu Gott auf-
gehenden Thätigkeit entgegen.

Während aber Jansenius noch mit der Abfassung die-
ses Werkes beschäftigt war, versuchte sein Freund schon,
die Ideen die demselben zu Grunde lagen, zunächst in sei-
nem eigenen Leben darzustellen und in seiner Umgebung
praktisch auszubreiten.

St. Cyran, denn so ward Verger jetzt genannt, hatte
sich mitten in Paris eine gelehrte, ascetische Einsiedelei ge-
schaffen. In unermüdlichem Studium der heiligen Schrift
und der Kirchenväter suchte er sich mit ihrem Geiste zu
durchdringen. Die Lehren, die Jansenius mehr im Allge-
meinen ausgebildet, wandte er auf das Sacrament der
Buße an. Sich erniedrigen, dulden, von Gott abhangen,
der Welt völlig entsagen 2), sich mit alle seinem Thun und
Trachten der Liebe zu Gott widmen, das sind seine For-
derungen. Aber nach seiner Lehre muß die Gnade der Buße

1) Tom. III, lib. VII, c. IX: voluntas felix, immutabilis et
necessaria non peccandi recteque vivendi.
2) S'humilier, souffrir et dependre de Dieu est toute la vie
Chretienne.

Janſeniſten.
leben 1), der wahre freie Wille, d. i. ein Wille, befreit
von dem Boͤſen, erfuͤllt mit dem Guten.

Es iſt an dieſem Werke bewundernswuͤrdig, in wie
hohem Grade philoſophiſch durchſichtig die dogmatiſchen
Entwickelungen gehalten ſind, ſelbſt in dem gelehrten Eifer
einer feindſeligen Discuſſion: die Grundbegriffe ſind zugleich
moraliſch und religioͤs, ſpeculativ und praktiſch: jenem aͤu-
ßerlichen Sich-abfinden der jeſuitiſchen Lehre ſetzt es ſtrenge
Innerlichkeit, das Ideal einer in der Liebe zu Gott auf-
gehenden Thaͤtigkeit entgegen.

Waͤhrend aber Janſenius noch mit der Abfaſſung die-
ſes Werkes beſchaͤftigt war, verſuchte ſein Freund ſchon,
die Ideen die demſelben zu Grunde lagen, zunaͤchſt in ſei-
nem eigenen Leben darzuſtellen und in ſeiner Umgebung
praktiſch auszubreiten.

St. Cyran, denn ſo ward Verger jetzt genannt, hatte
ſich mitten in Paris eine gelehrte, ascetiſche Einſiedelei ge-
ſchaffen. In unermuͤdlichem Studium der heiligen Schrift
und der Kirchenvaͤter ſuchte er ſich mit ihrem Geiſte zu
durchdringen. Die Lehren, die Janſenius mehr im Allge-
meinen ausgebildet, wandte er auf das Sacrament der
Buße an. Sich erniedrigen, dulden, von Gott abhangen,
der Welt voͤllig entſagen 2), ſich mit alle ſeinem Thun und
Trachten der Liebe zu Gott widmen, das ſind ſeine For-
derungen. Aber nach ſeiner Lehre muß die Gnade der Buße

1) Tom. III, lib. VII, c. IX: voluntas felix, immutabilis et
necessaria non peccandi recteque vivendi.
2) S’humilier, souffrir et dépendre de Dieu est toute la vie
Chrétienne.
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[139/0151] Janſeniſten. leben 1), der wahre freie Wille, d. i. ein Wille, befreit von dem Boͤſen, erfuͤllt mit dem Guten. Es iſt an dieſem Werke bewundernswuͤrdig, in wie hohem Grade philoſophiſch durchſichtig die dogmatiſchen Entwickelungen gehalten ſind, ſelbſt in dem gelehrten Eifer einer feindſeligen Discuſſion: die Grundbegriffe ſind zugleich moraliſch und religioͤs, ſpeculativ und praktiſch: jenem aͤu- ßerlichen Sich-abfinden der jeſuitiſchen Lehre ſetzt es ſtrenge Innerlichkeit, das Ideal einer in der Liebe zu Gott auf- gehenden Thaͤtigkeit entgegen. Waͤhrend aber Janſenius noch mit der Abfaſſung die- ſes Werkes beſchaͤftigt war, verſuchte ſein Freund ſchon, die Ideen die demſelben zu Grunde lagen, zunaͤchſt in ſei- nem eigenen Leben darzuſtellen und in ſeiner Umgebung praktiſch auszubreiten. St. Cyran, denn ſo ward Verger jetzt genannt, hatte ſich mitten in Paris eine gelehrte, ascetiſche Einſiedelei ge- ſchaffen. In unermuͤdlichem Studium der heiligen Schrift und der Kirchenvaͤter ſuchte er ſich mit ihrem Geiſte zu durchdringen. Die Lehren, die Janſenius mehr im Allge- meinen ausgebildet, wandte er auf das Sacrament der Buße an. Sich erniedrigen, dulden, von Gott abhangen, der Welt voͤllig entſagen 2), ſich mit alle ſeinem Thun und Trachten der Liebe zu Gott widmen, das ſind ſeine For- derungen. Aber nach ſeiner Lehre muß die Gnade der Buße 1) Tom. III, lib. VII, c. IX: voluntas felix, immutabilis et necessaria non peccandi recteque vivendi. 2) S’humilier, souffrir et dépendre de Dieu est toute la vie Chrétienne.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/151>, abgerufen am 23.11.2024.