sich der größte Widerspruch anschloß welchen die Jesuiten überhaupt gefunden haben. Er entwickelte sich folgender- gestalt.
In den Jahren, in welchen die Streitigkeiten über die Gnadenmittel die theologische Welt in der katholischen Kirche in großer Spannung erhielten, studirten zu Löwen zwei junge Menschen, Cornelis Janse aus Holland und Jean du Verger ein Gascogner, die mit einmüthiger Ue- berzeugung für die strengeren Lehren, die ja in Löwen nie- mals untergegangen waren, Partei ergriffen, und einen hef- tigen Widerwillen gegen die Jesuiten faßten. Verger war vornehmer, wohlhabender: er nahm seinen Freund mit sich nach Bayonne. Hier vertieften sie sich in unablässig wie- derholtem Studium in die Werke des Augustinus: sie faß- ten für die Lehren dieses Kirchenvaters von Gnade und freiem Willen eine Begeisterung, die ihr ganzes folgendes Leben bestimmte 1).
Jansenius, welcher Professor zu Löwen, Bischof zu Ypern wurde, schlug mehr den theoretischen, Verger, der die Abtei St. Cyran bekam, mehr den praktischen, asceti- schen Weg ein um sie wieder geltend zu machen.
Das Buch, in welchem Jansenius seine Ueberzeugun- gen ausführlich und systematisch entwickelte, betitelt: Au- gustinus, ist doch sehr bedeutend, nicht allein weil es sich den Jesuiten in ihren dogmatischen und moralischen Ten-
1)Synopsis vitae Jansenii vor dem Augustinus: In Canta- briam deinde migravit, ubi eruditissimorum virorum consuetu- dine et familiari studiorum communione in SS. Patrum et prae- sertim Augustini intelligentia magnos progressus fecisse, saepe testatus est.
BuchVIII.Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh.
ſich der groͤßte Widerſpruch anſchloß welchen die Jeſuiten uͤberhaupt gefunden haben. Er entwickelte ſich folgender- geſtalt.
In den Jahren, in welchen die Streitigkeiten uͤber die Gnadenmittel die theologiſche Welt in der katholiſchen Kirche in großer Spannung erhielten, ſtudirten zu Loͤwen zwei junge Menſchen, Cornelis Janſe aus Holland und Jean du Verger ein Gascogner, die mit einmuͤthiger Ue- berzeugung fuͤr die ſtrengeren Lehren, die ja in Loͤwen nie- mals untergegangen waren, Partei ergriffen, und einen hef- tigen Widerwillen gegen die Jeſuiten faßten. Verger war vornehmer, wohlhabender: er nahm ſeinen Freund mit ſich nach Bayonne. Hier vertieften ſie ſich in unablaͤſſig wie- derholtem Studium in die Werke des Auguſtinus: ſie faß- ten fuͤr die Lehren dieſes Kirchenvaters von Gnade und freiem Willen eine Begeiſterung, die ihr ganzes folgendes Leben beſtimmte 1).
Janſenius, welcher Profeſſor zu Loͤwen, Biſchof zu Ypern wurde, ſchlug mehr den theoretiſchen, Verger, der die Abtei St. Cyran bekam, mehr den praktiſchen, asceti- ſchen Weg ein um ſie wieder geltend zu machen.
Das Buch, in welchem Janſenius ſeine Ueberzeugun- gen ausfuͤhrlich und ſyſtematiſch entwickelte, betitelt: Au- guſtinus, iſt doch ſehr bedeutend, nicht allein weil es ſich den Jeſuiten in ihren dogmatiſchen und moraliſchen Ten-
1)Synopsis vitae Jansenii vor dem Auguſtinus: In Canta- briam deinde migravit, ubi eruditissimorum virorum consuetu- dine et familiari studiorum communione in SS. Patrum et prae- sertim Augustini intelligentia magnos progressus fecisse, saepe testatus est.
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Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh.
ſich der groͤßte Widerſpruch anſchloß welchen die Jeſuiten
uͤberhaupt gefunden haben. Er entwickelte ſich folgender-
geſtalt.
In den Jahren, in welchen die Streitigkeiten uͤber
die Gnadenmittel die theologiſche Welt in der katholiſchen
Kirche in großer Spannung erhielten, ſtudirten zu Loͤwen
zwei junge Menſchen, Cornelis Janſe aus Holland und
Jean du Verger ein Gascogner, die mit einmuͤthiger Ue-
berzeugung fuͤr die ſtrengeren Lehren, die ja in Loͤwen nie-
mals untergegangen waren, Partei ergriffen, und einen hef-
tigen Widerwillen gegen die Jeſuiten faßten. Verger war
vornehmer, wohlhabender: er nahm ſeinen Freund mit ſich
nach Bayonne. Hier vertieften ſie ſich in unablaͤſſig wie-
derholtem Studium in die Werke des Auguſtinus: ſie faß-
ten fuͤr die Lehren dieſes Kirchenvaters von Gnade und
freiem Willen eine Begeiſterung, die ihr ganzes folgendes
Leben beſtimmte 1).
Janſenius, welcher Profeſſor zu Loͤwen, Biſchof zu
Ypern wurde, ſchlug mehr den theoretiſchen, Verger, der
die Abtei St. Cyran bekam, mehr den praktiſchen, asceti-
ſchen Weg ein um ſie wieder geltend zu machen.
Das Buch, in welchem Janſenius ſeine Ueberzeugun-
gen ausfuͤhrlich und ſyſtematiſch entwickelte, betitelt: Au-
guſtinus, iſt doch ſehr bedeutend, nicht allein weil es ſich
den Jeſuiten in ihren dogmatiſchen und moraliſchen Ten-
1) Synopsis vitae Jansenii vor dem Auguſtinus: In Canta-
briam deinde migravit, ubi eruditissimorum virorum consuetu-
dine et familiari studiorum communione in SS. Patrum et prae-
sertim Augustini intelligentia magnos progressus fecisse, saepe
testatus est.
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/148>, abgerufen am 30.07.2024.
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