Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch VII. Kap. 4.
liches Verfahren nicht zu. Man hatte ihnen nie glauben
wollen, so oft sie auch früher versicherten daß sie es beob-
achten, daß sie sich der Erbfolge des Nevers nicht wider-
setzen würden 1). Die spanischen Machthaber in Italien
hatten nun einmal den Verdacht auf sich geladen, auch auf
eine ungesetzliche Weise nach dem Besitz einer unumschränk-
ten Macht zu streben. Man ließ sich jetzt nicht ausreden,
daß sie ein ihnen ergebeneres Mitglied des Hauses Gonzaga
zu dem Herzogthume zu befördern suchen würden.

Gestehn wir aber, daß der Wunsch der Italiener
einen mit Frankreich natürlich verbündeten und von Spa-
nien unabhängigen Fürsten in Mantua zu sehen, an dieser
Meinung viel Antheil hatte. Sie wollten nicht glauben,
daß Spanien etwas zugeben würde, was ihnen im anti-
spanischen Interesse so erwünscht kam. Sie überredeten die
berechtigte Linie selbst hievon, und diese hielt für das Beste,
sich nur zuerst auf welche Weise auch immer in Besitz zu
setzen.

Man möchte sagen, es war wie in einem animalischen
Organismus. Die innere Krankheit suchte nur einen An-
laß, einen angegriffenen Punkt, um zum Ausbruch zu
kommen.

In tiefstem Geheimniß, noch vor dem Ableben Vincen-

1) Ne si deve dar credenza, sagt unter andern der veneziani-
sche Gesandte in Mantua, Mulla, 1615, a quello che si e lasciato
intender piu volte il marchese di Inoiosa, gia governator di Mi-
lano, che Spagnoli non porterebbono, quando venisse il caso,
mai altri allo stato di Mantoa che il duca di Nivers:
-- aber
warum nicht? Es ergibt sich nur das Factum: der Governator
sagt es, die Italiener glauben es nicht; dennoch ist es ohne Zwei-
fel so.

Buch VII. Kap. 4.
liches Verfahren nicht zu. Man hatte ihnen nie glauben
wollen, ſo oft ſie auch fruͤher verſicherten daß ſie es beob-
achten, daß ſie ſich der Erbfolge des Nevers nicht wider-
ſetzen wuͤrden 1). Die ſpaniſchen Machthaber in Italien
hatten nun einmal den Verdacht auf ſich geladen, auch auf
eine ungeſetzliche Weiſe nach dem Beſitz einer unumſchraͤnk-
ten Macht zu ſtreben. Man ließ ſich jetzt nicht ausreden,
daß ſie ein ihnen ergebeneres Mitglied des Hauſes Gonzaga
zu dem Herzogthume zu befoͤrdern ſuchen wuͤrden.

Geſtehn wir aber, daß der Wunſch der Italiener
einen mit Frankreich natuͤrlich verbuͤndeten und von Spa-
nien unabhaͤngigen Fuͤrſten in Mantua zu ſehen, an dieſer
Meinung viel Antheil hatte. Sie wollten nicht glauben,
daß Spanien etwas zugeben wuͤrde, was ihnen im anti-
ſpaniſchen Intereſſe ſo erwuͤnſcht kam. Sie uͤberredeten die
berechtigte Linie ſelbſt hievon, und dieſe hielt fuͤr das Beſte,
ſich nur zuerſt auf welche Weiſe auch immer in Beſitz zu
ſetzen.

Man moͤchte ſagen, es war wie in einem animaliſchen
Organismus. Die innere Krankheit ſuchte nur einen An-
laß, einen angegriffenen Punkt, um zum Ausbruch zu
kommen.

In tiefſtem Geheimniß, noch vor dem Ableben Vincen-

1) Nè si deve dar credenza, ſagt unter andern der veneziani-
ſche Geſandte in Mantua, Mulla, 1615, a quello che si è lasciato
intender più volte il marchese di Inoiosa, già governator di Mi-
lano, che Spagnoli non porterebbono, quando venisse il caso,
mai altri allo stato di Mantoa che il duca di Nivers:
— aber
warum nicht? Es ergibt ſich nur das Factum: der Governator
ſagt es, die Italiener glauben es nicht; dennoch iſt es ohne Zwei-
fel ſo.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0542" n="530"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">VII.</hi><hi rendition="#g">Kap</hi>. 4.</fw><lb/>
liches Verfahren nicht zu. Man hatte ihnen nie glauben<lb/>
wollen, &#x017F;o oft &#x017F;ie auch fru&#x0364;her ver&#x017F;icherten daß &#x017F;ie es beob-<lb/>
achten, daß &#x017F;ie &#x017F;ich der Erbfolge des Nevers nicht wider-<lb/>
&#x017F;etzen wu&#x0364;rden <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Nè si deve dar credenza,</hi> &#x017F;agt unter andern der veneziani-<lb/>
&#x017F;che Ge&#x017F;andte in Mantua, Mulla, 1615, <hi rendition="#aq">a quello che si è lasciato<lb/>
intender più volte il marchese di Inoiosa, già governator di Mi-<lb/>
lano, che Spagnoli non porterebbono, quando venisse il caso,<lb/>
mai altri allo stato di Mantoa che il duca di Nivers:</hi> &#x2014; aber<lb/>
warum nicht? Es ergibt &#x017F;ich nur das Factum: der Governator<lb/>
&#x017F;agt es, die Italiener glauben es nicht; dennoch i&#x017F;t es ohne Zwei-<lb/>
fel &#x017F;o.</note>. Die &#x017F;pani&#x017F;chen Machthaber in Italien<lb/>
hatten nun einmal den Verdacht auf &#x017F;ich geladen, auch auf<lb/>
eine unge&#x017F;etzliche Wei&#x017F;e nach dem Be&#x017F;itz einer unum&#x017F;chra&#x0364;nk-<lb/>
ten Macht zu &#x017F;treben. Man ließ &#x017F;ich jetzt nicht ausreden,<lb/>
daß &#x017F;ie ein ihnen ergebeneres Mitglied des Hau&#x017F;es Gonzaga<lb/>
zu dem Herzogthume zu befo&#x0364;rdern &#x017F;uchen wu&#x0364;rden.</p><lb/>
            <p>Ge&#x017F;tehn wir aber, daß der Wun&#x017F;ch der Italiener<lb/>
einen mit Frankreich natu&#x0364;rlich verbu&#x0364;ndeten und von Spa-<lb/>
nien unabha&#x0364;ngigen Fu&#x0364;r&#x017F;ten in Mantua zu &#x017F;ehen, an die&#x017F;er<lb/>
Meinung viel Antheil hatte. Sie wollten nicht glauben,<lb/>
daß Spanien etwas zugeben wu&#x0364;rde, was ihnen im anti-<lb/>
&#x017F;pani&#x017F;chen Intere&#x017F;&#x017F;e &#x017F;o erwu&#x0364;n&#x017F;cht kam. Sie u&#x0364;berredeten die<lb/>
berechtigte Linie &#x017F;elb&#x017F;t hievon, und die&#x017F;e hielt fu&#x0364;r das Be&#x017F;te,<lb/>
&#x017F;ich nur zuer&#x017F;t auf welche Wei&#x017F;e auch immer in Be&#x017F;itz zu<lb/>
&#x017F;etzen.</p><lb/>
            <p>Man mo&#x0364;chte &#x017F;agen, es war wie in einem animali&#x017F;chen<lb/>
Organismus. Die innere Krankheit &#x017F;uchte nur einen An-<lb/>
laß, einen angegriffenen Punkt, um zum Ausbruch zu<lb/>
kommen.</p><lb/>
            <p>In tief&#x017F;tem Geheimniß, noch vor dem Ableben Vincen-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[530/0542] Buch VII. Kap. 4. liches Verfahren nicht zu. Man hatte ihnen nie glauben wollen, ſo oft ſie auch fruͤher verſicherten daß ſie es beob- achten, daß ſie ſich der Erbfolge des Nevers nicht wider- ſetzen wuͤrden 1). Die ſpaniſchen Machthaber in Italien hatten nun einmal den Verdacht auf ſich geladen, auch auf eine ungeſetzliche Weiſe nach dem Beſitz einer unumſchraͤnk- ten Macht zu ſtreben. Man ließ ſich jetzt nicht ausreden, daß ſie ein ihnen ergebeneres Mitglied des Hauſes Gonzaga zu dem Herzogthume zu befoͤrdern ſuchen wuͤrden. Geſtehn wir aber, daß der Wunſch der Italiener einen mit Frankreich natuͤrlich verbuͤndeten und von Spa- nien unabhaͤngigen Fuͤrſten in Mantua zu ſehen, an dieſer Meinung viel Antheil hatte. Sie wollten nicht glauben, daß Spanien etwas zugeben wuͤrde, was ihnen im anti- ſpaniſchen Intereſſe ſo erwuͤnſcht kam. Sie uͤberredeten die berechtigte Linie ſelbſt hievon, und dieſe hielt fuͤr das Beſte, ſich nur zuerſt auf welche Weiſe auch immer in Beſitz zu ſetzen. Man moͤchte ſagen, es war wie in einem animaliſchen Organismus. Die innere Krankheit ſuchte nur einen An- laß, einen angegriffenen Punkt, um zum Ausbruch zu kommen. In tiefſtem Geheimniß, noch vor dem Ableben Vincen- 1) Nè si deve dar credenza, ſagt unter andern der veneziani- ſche Geſandte in Mantua, Mulla, 1615, a quello che si è lasciato intender più volte il marchese di Inoiosa, già governator di Mi- lano, che Spagnoli non porterebbono, quando venisse il caso, mai altri allo stato di Mantoa che il duca di Nivers: — aber warum nicht? Es ergibt ſich nur das Factum: der Governator ſagt es, die Italiener glauben es nicht; dennoch iſt es ohne Zwei- fel ſo.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/542
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 530. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/542>, abgerufen am 27.11.2024.