Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.Buch VII. Kap. 1. Fortschritte häusliche Beschäftigung, weibliche Handarbeit, das Salzdas die weibliche Seele vor Verderbung bewahre, durch welche den unnützen umherschweifenden Gedanken die Thür geschlossen werde. Doch sollte diese Arbeit, wie sie ferner anordnete, nicht kostbar, kunstreich, oder auf eine gewisse Zeit bestellt seyn: sie sollte doch das Gemüth nicht selbst beschäftigen. Ihre Absicht war, die Ruhe einer in Gott sich selbstbewußten Seele zu befördern, einer Seele, wie sie sagt, "die immer lebt als stünde sie vor Gottes Angesicht: die keinen Schmerz hat als seiner Gegenwart nicht zu ge- nießen": sie wollte hervorbringen, was sie das Gebet der Liebe nennt, "wo die Seele sich selbst vergißt, und die Stimme des himmlischen Meisters vernimmt" 1). Ein En- thusiasmus der wenigstens von ihr auf eine reine, großar- tige und naive Weise gefaßt ward, und in der ganzen ka- tholischen Welt den größten Eindruck machte. Gar bald ward man auch in Frankreich inne, daß man noch etwas anders bedürfe als die bloße Bußübung. Es ward ein eigener Abgeordneter nach Spanien geschickt, Pierre Be- rulle, der auch endlich, obwohl nicht ohne Schwierigkeiten den Orden nach Frankreich überpflanzte, wo er dann sehr bald Wurzel faßte und die schönsten Früchte trug. Auch die Stiftungen des Franz von Sales waren in die- 1) Diego de Yepes: Vita della gloriosa vergine S. Te-
resa di Giesu, fondatrice de' Carmelitani scalzi, Roma 1623, p. 303. Constituzioni principali § 3 p. 208. Die Exclamaciones o meditaciones de S. Teresa con algunos otros tratadillos, Brus- selas 1682, zeigen ihre Begeisterung für unser Gefühl fast in zu ho- hem Schwung. Buch VII. Kap. 1. Fortſchritte haͤusliche Beſchaͤftigung, weibliche Handarbeit, das Salzdas die weibliche Seele vor Verderbung bewahre, durch welche den unnuͤtzen umherſchweifenden Gedanken die Thuͤr geſchloſſen werde. Doch ſollte dieſe Arbeit, wie ſie ferner anordnete, nicht koſtbar, kunſtreich, oder auf eine gewiſſe Zeit beſtellt ſeyn: ſie ſollte doch das Gemuͤth nicht ſelbſt beſchaͤftigen. Ihre Abſicht war, die Ruhe einer in Gott ſich ſelbſtbewußten Seele zu befoͤrdern, einer Seele, wie ſie ſagt, „die immer lebt als ſtuͤnde ſie vor Gottes Angeſicht: die keinen Schmerz hat als ſeiner Gegenwart nicht zu ge- nießen“: ſie wollte hervorbringen, was ſie das Gebet der Liebe nennt, „wo die Seele ſich ſelbſt vergißt, und die Stimme des himmliſchen Meiſters vernimmt“ 1). Ein En- thuſiasmus der wenigſtens von ihr auf eine reine, großar- tige und naive Weiſe gefaßt ward, und in der ganzen ka- tholiſchen Welt den groͤßten Eindruck machte. Gar bald ward man auch in Frankreich inne, daß man noch etwas anders beduͤrfe als die bloße Bußuͤbung. Es ward ein eigener Abgeordneter nach Spanien geſchickt, Pierre Be- rulle, der auch endlich, obwohl nicht ohne Schwierigkeiten den Orden nach Frankreich uͤberpflanzte, wo er dann ſehr bald Wurzel faßte und die ſchoͤnſten Fruͤchte trug. Auch die Stiftungen des Franz von Sales waren in die- 1) Diego de Yepes: Vita della gloriosa vergine S. Te-
resa di Giesu, fondatrice de’ Carmelitani scalzi, Roma 1623, p. 303. Constituzioni principali § 3 p. 208. Die Exclamaciones o meditaciones de S. Teresa con algunos otros tratadillos, Brus- selas 1682, zeigen ihre Begeiſterung fuͤr unſer Gefuͤhl faſt in zu ho- hem Schwung. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0444" n="432"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">VII.</hi><hi rendition="#g">Kap. 1. Fortſchritte</hi></fw><lb/> haͤusliche Beſchaͤftigung, weibliche Handarbeit, das Salz<lb/> das die weibliche Seele vor Verderbung bewahre, durch<lb/> welche den unnuͤtzen umherſchweifenden Gedanken die Thuͤr<lb/> geſchloſſen werde. Doch ſollte dieſe Arbeit, wie ſie ferner<lb/> anordnete, nicht koſtbar, kunſtreich, oder auf eine gewiſſe<lb/> Zeit beſtellt ſeyn: ſie ſollte doch das Gemuͤth nicht ſelbſt<lb/> beſchaͤftigen. Ihre Abſicht war, die Ruhe einer in Gott<lb/> ſich ſelbſtbewußten Seele zu befoͤrdern, einer Seele, wie ſie<lb/> ſagt, „die immer lebt als ſtuͤnde ſie vor Gottes Angeſicht:<lb/> die keinen Schmerz hat als ſeiner Gegenwart nicht zu ge-<lb/> nießen“: ſie wollte hervorbringen, was ſie das Gebet der<lb/> Liebe nennt, „wo die Seele ſich ſelbſt vergißt, und die<lb/> Stimme des himmliſchen Meiſters vernimmt“ <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Diego de Yepes: Vita della gloriosa vergine S. Te-<lb/> resa di Giesu, fondatrice de’ Carmelitani scalzi, Roma 1623, p.<lb/> 303. Constituzioni principali § 3 p.</hi> 208. Die <hi rendition="#aq">Exclamaciones<lb/> o meditaciones de S. Teresa con algunos otros tratadillos, Brus-<lb/> selas</hi> 1682, zeigen ihre Begeiſterung fuͤr unſer Gefuͤhl faſt in zu ho-<lb/> hem Schwung.</note>. Ein En-<lb/> thuſiasmus der wenigſtens von ihr auf eine reine, großar-<lb/> tige und naive Weiſe gefaßt ward, und in der ganzen ka-<lb/> tholiſchen Welt den groͤßten Eindruck machte. Gar bald<lb/> ward man auch in Frankreich inne, daß man noch etwas<lb/> anders beduͤrfe als die bloße Bußuͤbung. Es ward ein<lb/> eigener Abgeordneter nach Spanien geſchickt, Pierre Be-<lb/> rulle, der auch endlich, obwohl nicht ohne Schwierigkeiten<lb/> den Orden nach Frankreich uͤberpflanzte, wo er dann ſehr<lb/> bald Wurzel faßte und die ſchoͤnſten Fruͤchte trug.</p><lb/> <p>Auch die Stiftungen des Franz von Sales waren in<lb/> <fw place="bottom" type="catch">die-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [432/0444]
Buch VII. Kap. 1. Fortſchritte
haͤusliche Beſchaͤftigung, weibliche Handarbeit, das Salz
das die weibliche Seele vor Verderbung bewahre, durch
welche den unnuͤtzen umherſchweifenden Gedanken die Thuͤr
geſchloſſen werde. Doch ſollte dieſe Arbeit, wie ſie ferner
anordnete, nicht koſtbar, kunſtreich, oder auf eine gewiſſe
Zeit beſtellt ſeyn: ſie ſollte doch das Gemuͤth nicht ſelbſt
beſchaͤftigen. Ihre Abſicht war, die Ruhe einer in Gott
ſich ſelbſtbewußten Seele zu befoͤrdern, einer Seele, wie ſie
ſagt, „die immer lebt als ſtuͤnde ſie vor Gottes Angeſicht:
die keinen Schmerz hat als ſeiner Gegenwart nicht zu ge-
nießen“: ſie wollte hervorbringen, was ſie das Gebet der
Liebe nennt, „wo die Seele ſich ſelbſt vergißt, und die
Stimme des himmliſchen Meiſters vernimmt“ 1). Ein En-
thuſiasmus der wenigſtens von ihr auf eine reine, großar-
tige und naive Weiſe gefaßt ward, und in der ganzen ka-
tholiſchen Welt den groͤßten Eindruck machte. Gar bald
ward man auch in Frankreich inne, daß man noch etwas
anders beduͤrfe als die bloße Bußuͤbung. Es ward ein
eigener Abgeordneter nach Spanien geſchickt, Pierre Be-
rulle, der auch endlich, obwohl nicht ohne Schwierigkeiten
den Orden nach Frankreich uͤberpflanzte, wo er dann ſehr
bald Wurzel faßte und die ſchoͤnſten Fruͤchte trug.
Auch die Stiftungen des Franz von Sales waren in
die-
1) Diego de Yepes: Vita della gloriosa vergine S. Te-
resa di Giesu, fondatrice de’ Carmelitani scalzi, Roma 1623, p.
303. Constituzioni principali § 3 p. 208. Die Exclamaciones
o meditaciones de S. Teresa con algunos otros tratadillos, Brus-
selas 1682, zeigen ihre Begeiſterung fuͤr unſer Gefuͤhl faſt in zu ho-
hem Schwung.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |