Stätte in Deutschland: im Jahre 1566 umfaßten sie Baiern und Tyrol: Franken und Schwaben: einen großen Theil der Rheinlande: Oestreich: in Ungarn, Böhmen und Mäh- ren waren sie vorgedrungen. Schon nahm man ihre Wir- kung wahr: im Jahre 1561 versichert der päpstliche Nun- tius, daß "sie viele Seelen gewinnen und dem heiligen Stuhl einen großen Dienst leisten." Es war der erste nachhaltige anti-protestantische Eindruck, welchen Deutsch- land empfing.
Vor allem arbeiteten sie auf den Universitäten. Sie hatten den Ehrgeiz mit dem Rufe der protestantischen zu wetteifern. Die ganze gelehrte Bildung jener Zeit beruhte auf dem Studium der alten Sprachen. Sie trieben die- selben mit frischem Eifer, und in Kurzem glaubte man wenigstens hie und da die jesuitischen Lehrer den Restaura- toren dieser Studien zur Seite setzen zu dürfen. Auch andere Wissenschaften cultivirten sie: Franz Koster trug zu Cöln die Astronomie eben so angenehm wie belehrend vor. Die Hauptsache aber, wie sich versteht, blieben die theolo- gischen Disciplinen. Die Jesuiten lasen mit dem größten Fleiße, auch während der Ferien: sie führten die Dispu- tirübungen wieder ein, ohne welche, wie sie sagten, aller Unterricht todt sey; die Disputationen, welche sie öffent- lich anstellten, waren anständig, gesittet, inhaltsreich, die glänzendsten welche man jemals erlebt hatte. Bald über- redete man sich in Ingolstadt dahin zu seyn, daß sich die Universität wenigstens im Fache der Theologie mit jeder andern deutschen messen könne. Ingolstadt bekam, wie-
wohl
Buch V. Gegenreformationen.
Staͤtte in Deutſchland: im Jahre 1566 umfaßten ſie Baiern und Tyrol: Franken und Schwaben: einen großen Theil der Rheinlande: Oeſtreich: in Ungarn, Boͤhmen und Maͤh- ren waren ſie vorgedrungen. Schon nahm man ihre Wir- kung wahr: im Jahre 1561 verſichert der paͤpſtliche Nun- tius, daß „ſie viele Seelen gewinnen und dem heiligen Stuhl einen großen Dienſt leiſten.“ Es war der erſte nachhaltige anti-proteſtantiſche Eindruck, welchen Deutſch- land empfing.
Vor allem arbeiteten ſie auf den Univerſitaͤten. Sie hatten den Ehrgeiz mit dem Rufe der proteſtantiſchen zu wetteifern. Die ganze gelehrte Bildung jener Zeit beruhte auf dem Studium der alten Sprachen. Sie trieben die- ſelben mit friſchem Eifer, und in Kurzem glaubte man wenigſtens hie und da die jeſuitiſchen Lehrer den Reſtaura- toren dieſer Studien zur Seite ſetzen zu duͤrfen. Auch andere Wiſſenſchaften cultivirten ſie: Franz Koſter trug zu Coͤln die Aſtronomie eben ſo angenehm wie belehrend vor. Die Hauptſache aber, wie ſich verſteht, blieben die theolo- giſchen Disciplinen. Die Jeſuiten laſen mit dem groͤßten Fleiße, auch waͤhrend der Ferien: ſie fuͤhrten die Dispu- tiruͤbungen wieder ein, ohne welche, wie ſie ſagten, aller Unterricht todt ſey; die Disputationen, welche ſie oͤffent- lich anſtellten, waren anſtaͤndig, geſittet, inhaltsreich, die glaͤnzendſten welche man jemals erlebt hatte. Bald uͤber- redete man ſich in Ingolſtadt dahin zu ſeyn, daß ſich die Univerſitaͤt wenigſtens im Fache der Theologie mit jeder andern deutſchen meſſen koͤnne. Ingolſtadt bekam, wie-
wohl
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Buch V. Gegenreformationen.
Staͤtte in Deutſchland: im Jahre 1566 umfaßten ſie Baiern
und Tyrol: Franken und Schwaben: einen großen Theil
der Rheinlande: Oeſtreich: in Ungarn, Boͤhmen und Maͤh-
ren waren ſie vorgedrungen. Schon nahm man ihre Wir-
kung wahr: im Jahre 1561 verſichert der paͤpſtliche Nun-
tius, daß „ſie viele Seelen gewinnen und dem heiligen
Stuhl einen großen Dienſt leiſten.“ Es war der erſte
nachhaltige anti-proteſtantiſche Eindruck, welchen Deutſch-
land empfing.
Vor allem arbeiteten ſie auf den Univerſitaͤten. Sie
hatten den Ehrgeiz mit dem Rufe der proteſtantiſchen zu
wetteifern. Die ganze gelehrte Bildung jener Zeit beruhte
auf dem Studium der alten Sprachen. Sie trieben die-
ſelben mit friſchem Eifer, und in Kurzem glaubte man
wenigſtens hie und da die jeſuitiſchen Lehrer den Reſtaura-
toren dieſer Studien zur Seite ſetzen zu duͤrfen. Auch
andere Wiſſenſchaften cultivirten ſie: Franz Koſter trug zu
Coͤln die Aſtronomie eben ſo angenehm wie belehrend vor.
Die Hauptſache aber, wie ſich verſteht, blieben die theolo-
giſchen Disciplinen. Die Jeſuiten laſen mit dem groͤßten
Fleiße, auch waͤhrend der Ferien: ſie fuͤhrten die Dispu-
tiruͤbungen wieder ein, ohne welche, wie ſie ſagten, aller
Unterricht todt ſey; die Disputationen, welche ſie oͤffent-
lich anſtellten, waren anſtaͤndig, geſittet, inhaltsreich, die
glaͤnzendſten welche man jemals erlebt hatte. Bald uͤber-
redete man ſich in Ingolſtadt dahin zu ſeyn, daß ſich die
Univerſitaͤt wenigſtens im Fache der Theologie mit jeder
andern deutſchen meſſen koͤnne. Ingolſtadt bekam, wie-
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/44>, abgerufen am 23.11.2024.
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