gegenüber, beide gerüstet, jede immer voll Furcht über- rascht, angegriffen zu werden, keine vermögend die Sache zu einer großen Entscheidung zu bringen.
Es folgt, daß man in Deutschland keine Schwierig- keit mehr beseitigen, keine gemeinschaftliche Sache abthun kann.
Im Jahre 1611 soll zur Wahl eines römischen Kö- nigs geschritten werden: vergebens versammeln sich die Chur- fürsten: sie können sie nicht zu Stande bringen.
Im Jahr 1612 kann es doch selbst nach dem Tode Rudolfs lange zu keiner Wahl kommen. Die drei weltli- chen Churfürsten fordern die Einführung eines paritätischen Reichshofrathes durch die Wahlcapitulation: die drei geist- lichen setzen sich dieser Forderung entgegen. Nur dadurch daß Sachsen, das in allen diesen Dingen eine große Er- gebenheit gegen das Haus Oestreich zeigt, auf die katholi- sche Seite tritt, kann die Wahl vollzogen werden.
Was aber im Churfürstenrathe nicht durchgegangen, fordert die Union der Fürsten an dem Reichstag von 1613 desto ungestümer: eben so entschieden stellen sich ihr die Katholiken entgegen: es kommt zu keiner Berathschlagung mehr: die Protestanten wollen sich dem Joche der Stim- menmehrheit nicht mehr unterwerfen.
In Jülich und Cleve, wo trotz der wechselnden Stim- mungen der schwachen Regierung des letzten eingebornen Fürsten zuletzt doch durch den Einfluß der lothringischen Gemahlin desselben starke Maaßregeln für die Restaura- tion des Katholicismus ergriffen worden, schien es jetzt eine Zeitlang als müsse der Protestantismus die Oberhand be-
27*
der katholiſchen Reſtauration. Deutſchland.
gegenuͤber, beide geruͤſtet, jede immer voll Furcht uͤber- raſcht, angegriffen zu werden, keine vermoͤgend die Sache zu einer großen Entſcheidung zu bringen.
Es folgt, daß man in Deutſchland keine Schwierig- keit mehr beſeitigen, keine gemeinſchaftliche Sache abthun kann.
Im Jahre 1611 ſoll zur Wahl eines roͤmiſchen Koͤ- nigs geſchritten werden: vergebens verſammeln ſich die Chur- fuͤrſten: ſie koͤnnen ſie nicht zu Stande bringen.
Im Jahr 1612 kann es doch ſelbſt nach dem Tode Rudolfs lange zu keiner Wahl kommen. Die drei weltli- chen Churfuͤrſten fordern die Einfuͤhrung eines paritaͤtiſchen Reichshofrathes durch die Wahlcapitulation: die drei geiſt- lichen ſetzen ſich dieſer Forderung entgegen. Nur dadurch daß Sachſen, das in allen dieſen Dingen eine große Er- gebenheit gegen das Haus Oeſtreich zeigt, auf die katholi- ſche Seite tritt, kann die Wahl vollzogen werden.
Was aber im Churfuͤrſtenrathe nicht durchgegangen, fordert die Union der Fuͤrſten an dem Reichstag von 1613 deſto ungeſtuͤmer: eben ſo entſchieden ſtellen ſich ihr die Katholiken entgegen: es kommt zu keiner Berathſchlagung mehr: die Proteſtanten wollen ſich dem Joche der Stim- menmehrheit nicht mehr unterwerfen.
In Juͤlich und Cleve, wo trotz der wechſelnden Stim- mungen der ſchwachen Regierung des letzten eingebornen Fuͤrſten zuletzt doch durch den Einfluß der lothringiſchen Gemahlin deſſelben ſtarke Maaßregeln fuͤr die Reſtaura- tion des Katholicismus ergriffen worden, ſchien es jetzt eine Zeitlang als muͤſſe der Proteſtantismus die Oberhand be-
27*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0431"n="419"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">der katholiſchen Reſtauration. Deutſchland</hi>.</fw><lb/>
gegenuͤber, beide geruͤſtet, jede immer voll Furcht uͤber-<lb/>
raſcht, angegriffen zu werden, keine vermoͤgend die Sache<lb/>
zu einer großen Entſcheidung zu bringen.</p><lb/><p>Es folgt, daß man in Deutſchland keine Schwierig-<lb/>
keit mehr beſeitigen, keine gemeinſchaftliche Sache abthun<lb/>
kann.</p><lb/><p>Im Jahre 1611 ſoll zur Wahl eines roͤmiſchen Koͤ-<lb/>
nigs geſchritten werden: vergebens verſammeln ſich die Chur-<lb/>
fuͤrſten: ſie koͤnnen ſie nicht zu Stande bringen.</p><lb/><p>Im Jahr 1612 kann es doch ſelbſt nach dem Tode<lb/>
Rudolfs lange zu keiner Wahl kommen. Die drei weltli-<lb/>
chen Churfuͤrſten fordern die Einfuͤhrung eines paritaͤtiſchen<lb/>
Reichshofrathes durch die Wahlcapitulation: die drei geiſt-<lb/>
lichen ſetzen ſich dieſer Forderung entgegen. Nur dadurch<lb/>
daß Sachſen, das in allen dieſen Dingen eine große Er-<lb/>
gebenheit gegen das Haus Oeſtreich zeigt, auf die katholi-<lb/>ſche Seite tritt, kann die Wahl vollzogen werden.</p><lb/><p>Was aber im Churfuͤrſtenrathe nicht durchgegangen,<lb/>
fordert die Union der Fuͤrſten an dem Reichstag von 1613<lb/>
deſto ungeſtuͤmer: eben ſo entſchieden ſtellen ſich ihr die<lb/>
Katholiken entgegen: es kommt zu keiner Berathſchlagung<lb/>
mehr: die Proteſtanten wollen ſich dem Joche der Stim-<lb/>
menmehrheit nicht mehr unterwerfen.</p><lb/><p>In Juͤlich und Cleve, wo trotz der wechſelnden Stim-<lb/>
mungen der ſchwachen Regierung des letzten eingebornen<lb/>
Fuͤrſten zuletzt doch durch den Einfluß der lothringiſchen<lb/>
Gemahlin deſſelben ſtarke Maaßregeln fuͤr die Reſtaura-<lb/>
tion des Katholicismus ergriffen worden, ſchien es jetzt eine<lb/>
Zeitlang als muͤſſe der Proteſtantismus die Oberhand be-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">27*</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[419/0431]
der katholiſchen Reſtauration. Deutſchland.
gegenuͤber, beide geruͤſtet, jede immer voll Furcht uͤber-
raſcht, angegriffen zu werden, keine vermoͤgend die Sache
zu einer großen Entſcheidung zu bringen.
Es folgt, daß man in Deutſchland keine Schwierig-
keit mehr beſeitigen, keine gemeinſchaftliche Sache abthun
kann.
Im Jahre 1611 ſoll zur Wahl eines roͤmiſchen Koͤ-
nigs geſchritten werden: vergebens verſammeln ſich die Chur-
fuͤrſten: ſie koͤnnen ſie nicht zu Stande bringen.
Im Jahr 1612 kann es doch ſelbſt nach dem Tode
Rudolfs lange zu keiner Wahl kommen. Die drei weltli-
chen Churfuͤrſten fordern die Einfuͤhrung eines paritaͤtiſchen
Reichshofrathes durch die Wahlcapitulation: die drei geiſt-
lichen ſetzen ſich dieſer Forderung entgegen. Nur dadurch
daß Sachſen, das in allen dieſen Dingen eine große Er-
gebenheit gegen das Haus Oeſtreich zeigt, auf die katholi-
ſche Seite tritt, kann die Wahl vollzogen werden.
Was aber im Churfuͤrſtenrathe nicht durchgegangen,
fordert die Union der Fuͤrſten an dem Reichstag von 1613
deſto ungeſtuͤmer: eben ſo entſchieden ſtellen ſich ihr die
Katholiken entgegen: es kommt zu keiner Berathſchlagung
mehr: die Proteſtanten wollen ſich dem Joche der Stim-
menmehrheit nicht mehr unterwerfen.
In Juͤlich und Cleve, wo trotz der wechſelnden Stim-
mungen der ſchwachen Regierung des letzten eingebornen
Fuͤrſten zuletzt doch durch den Einfluß der lothringiſchen
Gemahlin deſſelben ſtarke Maaßregeln fuͤr die Reſtaura-
tion des Katholicismus ergriffen worden, ſchien es jetzt eine
Zeitlang als muͤſſe der Proteſtantismus die Oberhand be-
27*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/431>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.