sie beruhe allein auf den Bewilligungen des Fürsten. Der Fürst habe der Kirche Besitz und Gerichtsbarkeit verliehen, er sey ihr Protector, ihr allgemeiner Patron: von ihm hange billig die Ernennung der Geistlichen, die Publication der Bullen ab.
Der Fürst könne diese Gewalt selbst wenn er wolle nicht aufgeben, sie sey ein ihm anvertrautes Fideicom- miß: er sey in seinem Gewissen verbunden sie seinem Nach- folger unversehrt zu überliefern.
So tritt der Anspruch und die Theorie des Staates dem Anspruche und der Theorie der Kirche kühnlich gegenüber. Die Tendenzen kämpfender Gewalten sprechen sich in ent- gegengesetzten Systemen aus. Bei der innigen Verschmel- zung geistlicher und weltlicher Interessen in den europäischen Staaten gibt es ein weites Gebiet menschlicher Handlun- gen wo sich beide berühren, vermischen. Die Kirche hat schon lange dieses ganze Gebiet für sich in Anspruch ge- nommen und thut es jetzt aufs neue. Der Staat hat sei- nerseits auch zuweilen einen ähnlichen Anspruch erhoben: vielleicht aber bisher noch niemals so kühn, so systematisch, wie es hier geschah. Rechtlich ließen sich diese Ansprüche niemals ausgleichen: politisch war es nur durch wechsel- seitige Nachgiebigkeit möglich: sobald man diese nicht mehr für einander hatte, kam es zum Kampfe. Jeder Theil mußte versuchen, wie weit seine Kraft reichen würde. Strit- ten sie über das Recht auf den Gehorsam, so mußte es nun an Tag kommen, wer sich diesen zu verschaffen vermöge.
ch'hanno li detti ecclesiastici non e de jure divino, ma de jure humano (p. 62).
Venezianiſche Irrungen.
ſie beruhe allein auf den Bewilligungen des Fuͤrſten. Der Fuͤrſt habe der Kirche Beſitz und Gerichtsbarkeit verliehen, er ſey ihr Protector, ihr allgemeiner Patron: von ihm hange billig die Ernennung der Geiſtlichen, die Publication der Bullen ab.
Der Fuͤrſt koͤnne dieſe Gewalt ſelbſt wenn er wolle nicht aufgeben, ſie ſey ein ihm anvertrautes Fideicom- miß: er ſey in ſeinem Gewiſſen verbunden ſie ſeinem Nach- folger unverſehrt zu uͤberliefern.
So tritt der Anſpruch und die Theorie des Staates dem Anſpruche und der Theorie der Kirche kuͤhnlich gegenuͤber. Die Tendenzen kaͤmpfender Gewalten ſprechen ſich in ent- gegengeſetzten Syſtemen aus. Bei der innigen Verſchmel- zung geiſtlicher und weltlicher Intereſſen in den europaͤiſchen Staaten gibt es ein weites Gebiet menſchlicher Handlun- gen wo ſich beide beruͤhren, vermiſchen. Die Kirche hat ſchon lange dieſes ganze Gebiet fuͤr ſich in Anſpruch ge- nommen und thut es jetzt aufs neue. Der Staat hat ſei- nerſeits auch zuweilen einen aͤhnlichen Anſpruch erhoben: vielleicht aber bisher noch niemals ſo kuͤhn, ſo ſyſtematiſch, wie es hier geſchah. Rechtlich ließen ſich dieſe Anſpruͤche niemals ausgleichen: politiſch war es nur durch wechſel- ſeitige Nachgiebigkeit moͤglich: ſobald man dieſe nicht mehr fuͤr einander hatte, kam es zum Kampfe. Jeder Theil mußte verſuchen, wie weit ſeine Kraft reichen wuͤrde. Strit- ten ſie uͤber das Recht auf den Gehorſam, ſo mußte es nun an Tag kommen, wer ſich dieſen zu verſchaffen vermoͤge.
ch’hanno li detti ecclesiastici non è de jure divino, ma de jure humano (p. 62).
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Venezianiſche Irrungen.
ſie beruhe allein auf den Bewilligungen des Fuͤrſten. Der
Fuͤrſt habe der Kirche Beſitz und Gerichtsbarkeit verliehen,
er ſey ihr Protector, ihr allgemeiner Patron: von ihm hange
billig die Ernennung der Geiſtlichen, die Publication der
Bullen ab.
Der Fuͤrſt koͤnne dieſe Gewalt ſelbſt wenn er wolle
nicht aufgeben, ſie ſey ein ihm anvertrautes Fideicom-
miß: er ſey in ſeinem Gewiſſen verbunden ſie ſeinem Nach-
folger unverſehrt zu uͤberliefern.
So tritt der Anſpruch und die Theorie des Staates dem
Anſpruche und der Theorie der Kirche kuͤhnlich gegenuͤber.
Die Tendenzen kaͤmpfender Gewalten ſprechen ſich in ent-
gegengeſetzten Syſtemen aus. Bei der innigen Verſchmel-
zung geiſtlicher und weltlicher Intereſſen in den europaͤiſchen
Staaten gibt es ein weites Gebiet menſchlicher Handlun-
gen wo ſich beide beruͤhren, vermiſchen. Die Kirche hat
ſchon lange dieſes ganze Gebiet fuͤr ſich in Anſpruch ge-
nommen und thut es jetzt aufs neue. Der Staat hat ſei-
nerſeits auch zuweilen einen aͤhnlichen Anſpruch erhoben:
vielleicht aber bisher noch niemals ſo kuͤhn, ſo ſyſtematiſch,
wie es hier geſchah. Rechtlich ließen ſich dieſe Anſpruͤche
niemals ausgleichen: politiſch war es nur durch wechſel-
ſeitige Nachgiebigkeit moͤglich: ſobald man dieſe nicht mehr
fuͤr einander hatte, kam es zum Kampfe. Jeder Theil
mußte verſuchen, wie weit ſeine Kraft reichen wuͤrde. Strit-
ten ſie uͤber das Recht auf den Gehorſam, ſo mußte es
nun an Tag kommen, wer ſich dieſen zu verſchaffen vermoͤge.
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2) ch’hanno li detti ecclesiastici non è de jure divino, ma de jure
humano (p. 62).
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/353>, abgerufen am 25.11.2024.
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