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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Buch VI. Innere Streitigkeiten.
Medici geliebt haben? Er war von Natur verschlossen,
zurückhaltend: nur zuweilen eröffnete er sich gegen seine
Vertrauten: dann ließ er wohl den Spruch hören: "Frage
deine Vorfahren, und sie werden dir deine Straße zei-
gen" 1). Es ist gewiß, daß er einmal beabsichtigte den
Staat von Florenz, wie er sich ausdrückte, zu reformiren.
Seine Hinneigung zu Frankreich liegt am Tage: er fand
das Papstthum im engsten Bunde mit Spanien, er führte
es bis nahe an eine Vereinigung mit Frankreich wider Spa-
nien. Wenn die Herstellung einer nationalen Macht in
Frankreich im Interesse der Kirche lag, so war sie doch
zugleich eine Sache der Neigung, eine persönliche Genug-
thuung. Jedoch war dieser Papst besonnen, vorsichtig, be-
hutsam: er griff nichts an, als was sich durchführen ließ.
Statt Florenz zu reformiren, reformirte er, wie ein Vene-
zianer sagt, seine eigenen Gedanken, als er sah, daß es
nicht ohne allgemeine Gefahr angehn werde 2). Die franzö-
sischen Waffen nach Italien zu rufen war nie seine Mei-
nung. Es war ihm genug, das Gleichgewicht herzustellen,
sich von der Uebermacht der Spanier loszumachen, der
kirchlichen Politik eine breitere Grundlage zu geben: auf

1) Delfino: La poca inclinatione che per natura e per he-
redita ha il papa a Spagnoli.
2) Venier: Vedendo le preparazioni e risolutioni di Vra
Sa et anco del granduca e che la nostra republica s'era dichia-
rata col mandar un ambasciatore espresso per questo negotio
a S. Sa, conoscendo ella che si sarebbe acceso un gran fuoco
in Italia e con pericolo di gravissimo incendio della chiesa, in
luogo di tentar la riforma dello stato di Firenze riformo i suoi
pensieri.

Buch VI. Innere Streitigkeiten.
Medici geliebt haben? Er war von Natur verſchloſſen,
zuruͤckhaltend: nur zuweilen eroͤffnete er ſich gegen ſeine
Vertrauten: dann ließ er wohl den Spruch hoͤren: „Frage
deine Vorfahren, und ſie werden dir deine Straße zei-
gen“ 1). Es iſt gewiß, daß er einmal beabſichtigte den
Staat von Florenz, wie er ſich ausdruͤckte, zu reformiren.
Seine Hinneigung zu Frankreich liegt am Tage: er fand
das Papſtthum im engſten Bunde mit Spanien, er fuͤhrte
es bis nahe an eine Vereinigung mit Frankreich wider Spa-
nien. Wenn die Herſtellung einer nationalen Macht in
Frankreich im Intereſſe der Kirche lag, ſo war ſie doch
zugleich eine Sache der Neigung, eine perſoͤnliche Genug-
thuung. Jedoch war dieſer Papſt beſonnen, vorſichtig, be-
hutſam: er griff nichts an, als was ſich durchfuͤhren ließ.
Statt Florenz zu reformiren, reformirte er, wie ein Vene-
zianer ſagt, ſeine eigenen Gedanken, als er ſah, daß es
nicht ohne allgemeine Gefahr angehn werde 2). Die franzoͤ-
ſiſchen Waffen nach Italien zu rufen war nie ſeine Mei-
nung. Es war ihm genug, das Gleichgewicht herzuſtellen,
ſich von der Uebermacht der Spanier loszumachen, der
kirchlichen Politik eine breitere Grundlage zu geben: auf

1) Delfino: La poca inclinatione che per natura e per he-
redità ha il papa a Spagnoli.
2) Venier: Vedendo le preparazioni e risolutioni di Vra
Sà et anco del granduca e che la nostra republica s’era dichia-
rata col mandar un ambasciatore espresso per questo negotio
a S. Sà, conoscendo ella che si sarebbe acceso un gran fuoco
in Italia e con pericolo di gravissimo incendio della chiesa, in
luogo di tentar la riforma dello stato di Firenze riformò i suoi
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[318/0330] Buch VI. Innere Streitigkeiten. Medici geliebt haben? Er war von Natur verſchloſſen, zuruͤckhaltend: nur zuweilen eroͤffnete er ſich gegen ſeine Vertrauten: dann ließ er wohl den Spruch hoͤren: „Frage deine Vorfahren, und ſie werden dir deine Straße zei- gen“ 1). Es iſt gewiß, daß er einmal beabſichtigte den Staat von Florenz, wie er ſich ausdruͤckte, zu reformiren. Seine Hinneigung zu Frankreich liegt am Tage: er fand das Papſtthum im engſten Bunde mit Spanien, er fuͤhrte es bis nahe an eine Vereinigung mit Frankreich wider Spa- nien. Wenn die Herſtellung einer nationalen Macht in Frankreich im Intereſſe der Kirche lag, ſo war ſie doch zugleich eine Sache der Neigung, eine perſoͤnliche Genug- thuung. Jedoch war dieſer Papſt beſonnen, vorſichtig, be- hutſam: er griff nichts an, als was ſich durchfuͤhren ließ. Statt Florenz zu reformiren, reformirte er, wie ein Vene- zianer ſagt, ſeine eigenen Gedanken, als er ſah, daß es nicht ohne allgemeine Gefahr angehn werde 2). Die franzoͤ- ſiſchen Waffen nach Italien zu rufen war nie ſeine Mei- nung. Es war ihm genug, das Gleichgewicht herzuſtellen, ſich von der Uebermacht der Spanier loszumachen, der kirchlichen Politik eine breitere Grundlage zu geben: auf 1) Delfino: La poca inclinatione che per natura e per he- redità ha il papa a Spagnoli. 2) Venier: Vedendo le preparazioni e risolutioni di Vra Sà et anco del granduca e che la nostra republica s’era dichia- rata col mandar un ambasciatore espresso per questo negotio a S. Sà, conoscendo ella che si sarebbe acceso un gran fuoco in Italia e con pericolo di gravissimo incendio della chiesa, in luogo di tentar la riforma dello stato di Firenze riformò i suoi pensieri.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/330>, abgerufen am 25.11.2024.