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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Buch VI. Innere Streitigkeiten.
fremden Gesandten, so daß sie sämmtlich die Geschäfte in
seinen Händen zu sehen wünschten. Ursprünglich hatte er
dieselben mit seinem Vetter Cinthio theilen sollen, der auch
nicht ohne Geist war, besonders für die Literatur, allein
gar bald hatte er diesen Genossen verdrängt. Im J. 1603
finden wir Cardinal Pietro allmächtig an dem Hofe. "Die
gesammten Unterhandlungen, sagt eine Relation von die-
sem Jahre, alle Gunst und Gnade hängt von ihm ab,
Prälatur, Adel, Hofleute, Gesandte erfüllen sein Haus.
Man kann sagen, durch sein Ohr wird alles vernommen,
von seinem Gutachten hängt alles ab, aus seinem Munde
kommt die Eröffnung, in seinen Händen liegt die Ausfüh-
rung" 1).

Eine solche Gewalt, so unumschränkt, durchgreifend,
und dabei doch keinesweges gesetzmäßig, erweckte, trotz der
Freunde die sie finden mochte, in den Uebrigen einen gehei-
men, tiefen und allgemeinen Widerspruch. Bei einem ge-
ringfügigen Anlaß trat das unerwartet hervor.

Ein Mensch, den man um seiner Schulden willen fest-
genommen, wußte im rechten Augenblick seine Fesseln zu
zerreißen und in den Pallast Farnese zu entspringen, vor
dem man ihn eben vorbeiführte.

Schon lange hatten die Päpste von dem Rechte der

1) "Orbis in urbe". Doch finden sich auch hier geheime Mächte.
Ha diversi servitori, sagt dieselbe Relation, ma quel che assorbe
i favori di tutti, e il cavr Clemente Sennesio, mastro di came-
ra, salito a quel grado di privatissima fortuna, e che per am-
pliar maggiormente la sua autorita ha fatto salire il fratello al
segretariato della consulta: cosi possedendo tra lor due la som-
ma, l'uno della gratia del cardinale, l'altro della provisione d'of-
ficj e delle maggiori espeditioni.

Buch VI. Innere Streitigkeiten.
fremden Geſandten, ſo daß ſie ſaͤmmtlich die Geſchaͤfte in
ſeinen Haͤnden zu ſehen wuͤnſchten. Urſpruͤnglich hatte er
dieſelben mit ſeinem Vetter Cinthio theilen ſollen, der auch
nicht ohne Geiſt war, beſonders fuͤr die Literatur, allein
gar bald hatte er dieſen Genoſſen verdraͤngt. Im J. 1603
finden wir Cardinal Pietro allmaͤchtig an dem Hofe. „Die
geſammten Unterhandlungen, ſagt eine Relation von die-
ſem Jahre, alle Gunſt und Gnade haͤngt von ihm ab,
Praͤlatur, Adel, Hofleute, Geſandte erfuͤllen ſein Haus.
Man kann ſagen, durch ſein Ohr wird alles vernommen,
von ſeinem Gutachten haͤngt alles ab, aus ſeinem Munde
kommt die Eroͤffnung, in ſeinen Haͤnden liegt die Ausfuͤh-
rung“ 1).

Eine ſolche Gewalt, ſo unumſchraͤnkt, durchgreifend,
und dabei doch keinesweges geſetzmaͤßig, erweckte, trotz der
Freunde die ſie finden mochte, in den Uebrigen einen gehei-
men, tiefen und allgemeinen Widerſpruch. Bei einem ge-
ringfuͤgigen Anlaß trat das unerwartet hervor.

Ein Menſch, den man um ſeiner Schulden willen feſt-
genommen, wußte im rechten Augenblick ſeine Feſſeln zu
zerreißen und in den Pallaſt Farneſe zu entſpringen, vor
dem man ihn eben vorbeifuͤhrte.

Schon lange hatten die Paͤpſte von dem Rechte der

1) „Orbis in urbe“. Doch finden ſich auch hier geheime Maͤchte.
Ha diversi servitori, ſagt dieſelbe Relation, ma quel che assorbe
i favori di tutti, è il cavr Clemente Sennesio, mastro di came-
ra, salito a quel grado di privatissima fortuna, e che per am-
pliar maggiormente la sua autorità ha fatto salire il fratello al
segretariato della consulta: così possedendo tra lor due la som-
ma, l’uno della gratia del cardinale, l’altro della provisione d’of-
ficj e delle maggiori espeditioni.
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[312/0324] Buch VI. Innere Streitigkeiten. fremden Geſandten, ſo daß ſie ſaͤmmtlich die Geſchaͤfte in ſeinen Haͤnden zu ſehen wuͤnſchten. Urſpruͤnglich hatte er dieſelben mit ſeinem Vetter Cinthio theilen ſollen, der auch nicht ohne Geiſt war, beſonders fuͤr die Literatur, allein gar bald hatte er dieſen Genoſſen verdraͤngt. Im J. 1603 finden wir Cardinal Pietro allmaͤchtig an dem Hofe. „Die geſammten Unterhandlungen, ſagt eine Relation von die- ſem Jahre, alle Gunſt und Gnade haͤngt von ihm ab, Praͤlatur, Adel, Hofleute, Geſandte erfuͤllen ſein Haus. Man kann ſagen, durch ſein Ohr wird alles vernommen, von ſeinem Gutachten haͤngt alles ab, aus ſeinem Munde kommt die Eroͤffnung, in ſeinen Haͤnden liegt die Ausfuͤh- rung“ 1). Eine ſolche Gewalt, ſo unumſchraͤnkt, durchgreifend, und dabei doch keinesweges geſetzmaͤßig, erweckte, trotz der Freunde die ſie finden mochte, in den Uebrigen einen gehei- men, tiefen und allgemeinen Widerſpruch. Bei einem ge- ringfuͤgigen Anlaß trat das unerwartet hervor. Ein Menſch, den man um ſeiner Schulden willen feſt- genommen, wußte im rechten Augenblick ſeine Feſſeln zu zerreißen und in den Pallaſt Farneſe zu entſpringen, vor dem man ihn eben vorbeifuͤhrte. Schon lange hatten die Paͤpſte von dem Rechte der 1) „Orbis in urbe“. Doch finden ſich auch hier geheime Maͤchte. Ha diversi servitori, ſagt dieſelbe Relation, ma quel che assorbe i favori di tutti, è il cavr Clemente Sennesio, mastro di came- ra, salito a quel grado di privatissima fortuna, e che per am- pliar maggiormente la sua autorità ha fatto salire il fratello al segretariato della consulta: così possedendo tra lor due la som- ma, l’uno della gratia del cardinale, l’altro della provisione d’of- ficj e delle maggiori espeditioni.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/324>, abgerufen am 25.11.2024.