der Seele, das uns jetzt alle bedroht." Er hielt inne, und ließ die Bulle verlesen, in der alle, die sich von Don Ce- sare nicht absondern würden, bedroht wurden "als ver- dorrte Zweige von dem Baume des geistlichen Lebens abgehauen zu werden." Hierauf ward die Bulle an der Thüre ange- schlagen: die Kirche erfüllte sich mit Geschrei und Seufzen: die Erschütterung setzte sich in die Stadt fort.
Don Cesar war nicht der Mann, einer solchen Be- wegung Einhalt zu thun. Man hatte ihm gerathen Schwei- zer, Deutsche zu werben: allein er hatte sich nicht entschlie- ßen können. Katholische wollte er nicht, weil sie Anhän- ger des Papstes, aber noch weniger protestantische, weil sie Ketzer seyen: "gleich als komme es ihm zu", sagt Niccolo Contarini, "das Amt eines Inquisitors zu verwal- ten." Jetzt fragte er seinen Beichtvater, was er zu thun habe: es war ein Jesuit, Benedetto Palma: der rieth ihm sich zu unterwerfen.
So weit war Don Cesar gebracht, daß er um diese Unterwerfung unter günstigen Bedingungen zu bewerkstelli- gen sich eben an die wenden mußte, die er als seine hef- tigste Feindin kannte: der geheimen und in gewissem Sinne verrätherischen Verbindungen, in welche Lucrezia mit Rom getreten, war er genöthigt sich zu einem erträglichen Ab- kommen zu bedienen 1). In seinem Auftrag begab sie sich, nicht ohne die gewohnte Pracht, in das feindliche Lager.
1)Contarini: Come chi abandona ogni speranza, piu fa- cilmente si rimette nell' arbitrio dell' inimico che nella confi- denza dell' amico, ando (Cesare) a ritrovare la duchessa d'Ur- bino, et a lei, la qual ben sapeva haver pur troppo intelligenza col C1 Aldobrandino, rimise ogni sua fortuna. Accetto ella al-
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Eroberung von Ferrara.
der Seele, das uns jetzt alle bedroht.“ Er hielt inne, und ließ die Bulle verleſen, in der alle, die ſich von Don Ce- ſare nicht abſondern wuͤrden, bedroht wurden „als ver- dorrte Zweige von dem Baume des geiſtlichen Lebens abgehauen zu werden.“ Hierauf ward die Bulle an der Thuͤre ange- ſchlagen: die Kirche erfuͤllte ſich mit Geſchrei und Seufzen: die Erſchuͤtterung ſetzte ſich in die Stadt fort.
Don Ceſar war nicht der Mann, einer ſolchen Be- wegung Einhalt zu thun. Man hatte ihm gerathen Schwei- zer, Deutſche zu werben: allein er hatte ſich nicht entſchlie- ßen koͤnnen. Katholiſche wollte er nicht, weil ſie Anhaͤn- ger des Papſtes, aber noch weniger proteſtantiſche, weil ſie Ketzer ſeyen: „gleich als komme es ihm zu“, ſagt Niccolo Contarini, „das Amt eines Inquiſitors zu verwal- ten.“ Jetzt fragte er ſeinen Beichtvater, was er zu thun habe: es war ein Jeſuit, Benedetto Palma: der rieth ihm ſich zu unterwerfen.
So weit war Don Ceſar gebracht, daß er um dieſe Unterwerfung unter guͤnſtigen Bedingungen zu bewerkſtelli- gen ſich eben an die wenden mußte, die er als ſeine hef- tigſte Feindin kannte: der geheimen und in gewiſſem Sinne verraͤtheriſchen Verbindungen, in welche Lucrezia mit Rom getreten, war er genoͤthigt ſich zu einem ertraͤglichen Ab- kommen zu bedienen 1). In ſeinem Auftrag begab ſie ſich, nicht ohne die gewohnte Pracht, in das feindliche Lager.
1)Contarini: Come chi abandona ogni speranza, più fa- cilmente si rimette nell’ arbitrio dell’ inimico che nella confi- denza dell’ amico, andò (Cesare) a ritrovare la duchessa d’Ur- bino, et a lei, la qual ben sapeva haver pur troppo intelligenza col C1 Aldobrandino, rimise ogni sua fortuna. Accettò ella al-
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Eroberung von Ferrara.
der Seele, das uns jetzt alle bedroht.“ Er hielt inne, und
ließ die Bulle verleſen, in der alle, die ſich von Don Ce-
ſare nicht abſondern wuͤrden, bedroht wurden „als ver-
dorrte Zweige von dem Baume des geiſtlichen Lebens abgehauen
zu werden.“ Hierauf ward die Bulle an der Thuͤre ange-
ſchlagen: die Kirche erfuͤllte ſich mit Geſchrei und Seufzen:
die Erſchuͤtterung ſetzte ſich in die Stadt fort.
Don Ceſar war nicht der Mann, einer ſolchen Be-
wegung Einhalt zu thun. Man hatte ihm gerathen Schwei-
zer, Deutſche zu werben: allein er hatte ſich nicht entſchlie-
ßen koͤnnen. Katholiſche wollte er nicht, weil ſie Anhaͤn-
ger des Papſtes, aber noch weniger proteſtantiſche, weil
ſie Ketzer ſeyen: „gleich als komme es ihm zu“, ſagt
Niccolo Contarini, „das Amt eines Inquiſitors zu verwal-
ten.“ Jetzt fragte er ſeinen Beichtvater, was er zu thun
habe: es war ein Jeſuit, Benedetto Palma: der rieth ihm
ſich zu unterwerfen.
So weit war Don Ceſar gebracht, daß er um dieſe
Unterwerfung unter guͤnſtigen Bedingungen zu bewerkſtelli-
gen ſich eben an die wenden mußte, die er als ſeine hef-
tigſte Feindin kannte: der geheimen und in gewiſſem Sinne
verraͤtheriſchen Verbindungen, in welche Lucrezia mit Rom
getreten, war er genoͤthigt ſich zu einem ertraͤglichen Ab-
kommen zu bedienen 1). In ſeinem Auftrag begab ſie ſich,
nicht ohne die gewohnte Pracht, in das feindliche Lager.
1) Contarini: Come chi abandona ogni speranza, più fa-
cilmente si rimette nell’ arbitrio dell’ inimico che nella confi-
denza dell’ amico, andò (Cesare) a ritrovare la duchessa d’Ur-
bino, et a lei, la qual ben sapeva haver pur troppo intelligenza
col C1 Aldobrandino, rimise ogni sua fortuna. Accettò ella al-
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/287>, abgerufen am 16.02.2025.
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