Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Wahl Clemens VIII.
auf diejenigen, die Sanseverina'n ihr Wort gegeben; gar
Manche unter ihnen verwarfen ihn im Herzen. Dem Wun-
sche des Königs und Montaltos hatten sie sich bequemt,
doch erwarteten sie nur eine Gelegenheit um abtrünnig zu
werden. Bei dem Eintritt in die Wahlkapelle zeigte sich
eine Unruhe, eine Bewegung, die bei einem entschiedenen
Falle ganz ungewöhnlich war. Man machte einen Anfang
die Stimmen zu zählen: man schien damit nicht zu Stande
kommen zu wollen: die eigenen Landsleute Sanseverinas
legten ihm Hindernisse in Weg 1). Es fehlte nur an Je-
mand, der dem Gedanken, den so Viele hegten, Bahn brä-
che. Endlich faßte sich Ascanio Colonna das Herz
dieß zu thun. Er gehörte zu den römischen Baronen,
welche vor allem die inquisitorische Härte Sanseverinas
fürchteten. Er rief aus: "ich sehe, Gott will Sanseverina
nicht, auch Ascanio Colonna will ihn nicht." Er verließ
die Paolina und begab sich zu den Gegnern in der Sistina.

Hiemit hatten diese gewonnen. Es ward ein gehei-
mes Scrutinium beliebt. Es gab Einige, die es nie ge-
wagt hätten öffentlich und laut ihre bereits zugesagte
Stimme zurückzuziehen, die das aber wohl insgeheim tha-
ten, sobald sie nur wußten, daß ihre Namen verschwiegen
bleiben würden. Als die Zettel eröffnet wurden, fanden sich
nur 30 Stimmen für den Vorgeschlagenen.

Seiner Sache gewiß war Sanseverina gekommen: die
Fülle der geistlichen Gewalt, die er so hoch anschlug, die

1) Wir haben hierüber außer den Berichten in gedruckten und
handschriftlichen Conclaven auch die Erzählung S. Severinas selbst,
die ich in den Anhang aufnehmen will.

Wahl Clemens VIII.
auf diejenigen, die Sanſeverina’n ihr Wort gegeben; gar
Manche unter ihnen verwarfen ihn im Herzen. Dem Wun-
ſche des Koͤnigs und Montaltos hatten ſie ſich bequemt,
doch erwarteten ſie nur eine Gelegenheit um abtruͤnnig zu
werden. Bei dem Eintritt in die Wahlkapelle zeigte ſich
eine Unruhe, eine Bewegung, die bei einem entſchiedenen
Falle ganz ungewoͤhnlich war. Man machte einen Anfang
die Stimmen zu zaͤhlen: man ſchien damit nicht zu Stande
kommen zu wollen: die eigenen Landsleute Sanſeverinas
legten ihm Hinderniſſe in Weg 1). Es fehlte nur an Je-
mand, der dem Gedanken, den ſo Viele hegten, Bahn braͤ-
che. Endlich faßte ſich Ascanio Colonna das Herz
dieß zu thun. Er gehoͤrte zu den roͤmiſchen Baronen,
welche vor allem die inquiſitoriſche Haͤrte Sanſeverinas
fuͤrchteten. Er rief aus: „ich ſehe, Gott will Sanſeverina
nicht, auch Ascanio Colonna will ihn nicht.“ Er verließ
die Paolina und begab ſich zu den Gegnern in der Siſtina.

Hiemit hatten dieſe gewonnen. Es ward ein gehei-
mes Scrutinium beliebt. Es gab Einige, die es nie ge-
wagt haͤtten oͤffentlich und laut ihre bereits zugeſagte
Stimme zuruͤckzuziehen, die das aber wohl insgeheim tha-
ten, ſobald ſie nur wußten, daß ihre Namen verſchwiegen
bleiben wuͤrden. Als die Zettel eroͤffnet wurden, fanden ſich
nur 30 Stimmen fuͤr den Vorgeſchlagenen.

Seiner Sache gewiß war Sanſeverina gekommen: die
Fuͤlle der geiſtlichen Gewalt, die er ſo hoch anſchlug, die

1) Wir haben hieruͤber außer den Berichten in gedruckten und
handſchriftlichen Conclaven auch die Erzaͤhlung S. Severinas ſelbſt,
die ich in den Anhang aufnehmen will.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0241" n="229"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Wahl Clemens</hi><hi rendition="#aq">VIII.</hi></fw><lb/>
auf diejenigen, die San&#x017F;everina&#x2019;n ihr Wort gegeben; gar<lb/>
Manche unter ihnen verwarfen ihn im Herzen. Dem Wun-<lb/>
&#x017F;che des Ko&#x0364;nigs und Montaltos hatten &#x017F;ie &#x017F;ich bequemt,<lb/>
doch erwarteten &#x017F;ie nur eine Gelegenheit um abtru&#x0364;nnig zu<lb/>
werden. Bei dem Eintritt in die Wahlkapelle zeigte &#x017F;ich<lb/>
eine Unruhe, eine Bewegung, die bei einem ent&#x017F;chiedenen<lb/>
Falle ganz ungewo&#x0364;hnlich war. Man machte einen Anfang<lb/>
die Stimmen zu za&#x0364;hlen: man &#x017F;chien damit nicht zu Stande<lb/>
kommen zu wollen: die eigenen Landsleute San&#x017F;everinas<lb/>
legten ihm Hinderni&#x017F;&#x017F;e in Weg <note place="foot" n="1)">Wir haben hieru&#x0364;ber außer den Berichten in gedruckten und<lb/>
hand&#x017F;chriftlichen Conclaven auch die Erza&#x0364;hlung S. Severinas &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
die ich in den Anhang aufnehmen will.</note>. Es fehlte nur an Je-<lb/>
mand, der dem Gedanken, den &#x017F;o Viele hegten, Bahn bra&#x0364;-<lb/>
che. Endlich faßte &#x017F;ich Ascanio Colonna das Herz<lb/>
dieß zu thun. Er geho&#x0364;rte zu den ro&#x0364;mi&#x017F;chen Baronen,<lb/>
welche vor allem die inqui&#x017F;itori&#x017F;che Ha&#x0364;rte San&#x017F;everinas<lb/>
fu&#x0364;rchteten. Er rief aus: &#x201E;ich &#x017F;ehe, Gott will San&#x017F;everina<lb/>
nicht, auch Ascanio Colonna will ihn nicht.&#x201C; Er verließ<lb/>
die Paolina und begab &#x017F;ich zu den Gegnern in der Si&#x017F;tina.</p><lb/>
          <p>Hiemit hatten die&#x017F;e gewonnen. Es ward ein gehei-<lb/>
mes Scrutinium beliebt. Es gab Einige, die es nie ge-<lb/>
wagt ha&#x0364;tten o&#x0364;ffentlich und laut ihre bereits zuge&#x017F;agte<lb/>
Stimme zuru&#x0364;ckzuziehen, die das aber wohl insgeheim tha-<lb/>
ten, &#x017F;obald &#x017F;ie nur wußten, daß ihre Namen ver&#x017F;chwiegen<lb/>
bleiben wu&#x0364;rden. Als die Zettel ero&#x0364;ffnet wurden, fanden &#x017F;ich<lb/>
nur 30 Stimmen fu&#x0364;r den Vorge&#x017F;chlagenen.</p><lb/>
          <p>Seiner Sache gewiß war San&#x017F;everina gekommen: die<lb/>
Fu&#x0364;lle der gei&#x017F;tlichen Gewalt, die er &#x017F;o hoch an&#x017F;chlug, die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[229/0241] Wahl Clemens VIII. auf diejenigen, die Sanſeverina’n ihr Wort gegeben; gar Manche unter ihnen verwarfen ihn im Herzen. Dem Wun- ſche des Koͤnigs und Montaltos hatten ſie ſich bequemt, doch erwarteten ſie nur eine Gelegenheit um abtruͤnnig zu werden. Bei dem Eintritt in die Wahlkapelle zeigte ſich eine Unruhe, eine Bewegung, die bei einem entſchiedenen Falle ganz ungewoͤhnlich war. Man machte einen Anfang die Stimmen zu zaͤhlen: man ſchien damit nicht zu Stande kommen zu wollen: die eigenen Landsleute Sanſeverinas legten ihm Hinderniſſe in Weg 1). Es fehlte nur an Je- mand, der dem Gedanken, den ſo Viele hegten, Bahn braͤ- che. Endlich faßte ſich Ascanio Colonna das Herz dieß zu thun. Er gehoͤrte zu den roͤmiſchen Baronen, welche vor allem die inquiſitoriſche Haͤrte Sanſeverinas fuͤrchteten. Er rief aus: „ich ſehe, Gott will Sanſeverina nicht, auch Ascanio Colonna will ihn nicht.“ Er verließ die Paolina und begab ſich zu den Gegnern in der Siſtina. Hiemit hatten dieſe gewonnen. Es ward ein gehei- mes Scrutinium beliebt. Es gab Einige, die es nie ge- wagt haͤtten oͤffentlich und laut ihre bereits zugeſagte Stimme zuruͤckzuziehen, die das aber wohl insgeheim tha- ten, ſobald ſie nur wußten, daß ihre Namen verſchwiegen bleiben wuͤrden. Als die Zettel eroͤffnet wurden, fanden ſich nur 30 Stimmen fuͤr den Vorgeſchlagenen. Seiner Sache gewiß war Sanſeverina gekommen: die Fuͤlle der geiſtlichen Gewalt, die er ſo hoch anſchlug, die 1) Wir haben hieruͤber außer den Berichten in gedruckten und handſchriftlichen Conclaven auch die Erzaͤhlung S. Severinas ſelbſt, die ich in den Anhang aufnehmen will.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/241
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/241>, abgerufen am 28.11.2024.