Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch VI. Innere Streitigkeiten.
der Papst den Kopf abschlagen lassen: er wisse wohl, der
König werde ihn rächen und seine Treue an seinen Kin-
dern belohnen. Sixtus V. dagegen war in Feuer und
Flamme. "Keinem Fürsten der Welt stehe es zu, einen
Papst belehren zu wollen, der doch von Gott zum Meister
der Andern gesetzt sey: ganz ruchlos aber betrage sich der
Botschafter: seine Instruction ermächtige ihn nur dann zu
einer Protestation, wenn sich der Papst in Sachen der Li-
gue lau bezeigen sollte. Wie? wolle der Botschafter die
Schritte S. Heiligkeit richten?"

Der echte Katholicismus schien nur Ein Ziel, Eine
ungetheilte Gesinnung zu haben: im Laufe des Sieges
schien er begriffen zu seyn, nahe dem Ausschlag des Gelin-
gens: unerwartet haben sich innerhalb desselben zwei Seiten,
zwei Meinungen ausgebildet, politisch und kirchlich einan-
der entgegengesetzt, die eine Angriff, die andere Widerstand.
Sie beginnen ihren Kampf damit, daß sich jede aus al-
len Kräften anstrengt das Oberhaupt der Kirche für sich
zu gewinnen. Die eine hat den Papst besessen: mit Bit-
terkeit, mit Drohungen, fast mit Gewalt sucht sie ihn festzu-
halten. Der andern hat er sich durch eine innere Bewe-
gung im entscheidenden Augenblicke zugeneigt: sie sucht ihn
ganz an sich zu reißen: durch Versprechungen sucht sie ihn
zu verführen: die glänzendsten Aussichten stellt sie ihm vor.
Für die Entscheidung ihres Kampfes ist es von der höch-
sten Bedeutung welche Seite er ergreifen wird.

Die Haltung dieses Papstes, der wegen seiner That-
kraft und Entschlossenheit so berühmt ist, erfüllt uns mit
Erstaunen.


Buch VI. Innere Streitigkeiten.
der Papſt den Kopf abſchlagen laſſen: er wiſſe wohl, der
Koͤnig werde ihn raͤchen und ſeine Treue an ſeinen Kin-
dern belohnen. Sixtus V. dagegen war in Feuer und
Flamme. „Keinem Fuͤrſten der Welt ſtehe es zu, einen
Papſt belehren zu wollen, der doch von Gott zum Meiſter
der Andern geſetzt ſey: ganz ruchlos aber betrage ſich der
Botſchafter: ſeine Inſtruction ermaͤchtige ihn nur dann zu
einer Proteſtation, wenn ſich der Papſt in Sachen der Li-
gue lau bezeigen ſollte. Wie? wolle der Botſchafter die
Schritte S. Heiligkeit richten?“

Der echte Katholicismus ſchien nur Ein Ziel, Eine
ungetheilte Geſinnung zu haben: im Laufe des Sieges
ſchien er begriffen zu ſeyn, nahe dem Ausſchlag des Gelin-
gens: unerwartet haben ſich innerhalb deſſelben zwei Seiten,
zwei Meinungen ausgebildet, politiſch und kirchlich einan-
der entgegengeſetzt, die eine Angriff, die andere Widerſtand.
Sie beginnen ihren Kampf damit, daß ſich jede aus al-
len Kraͤften anſtrengt das Oberhaupt der Kirche fuͤr ſich
zu gewinnen. Die eine hat den Papſt beſeſſen: mit Bit-
terkeit, mit Drohungen, faſt mit Gewalt ſucht ſie ihn feſtzu-
halten. Der andern hat er ſich durch eine innere Bewe-
gung im entſcheidenden Augenblicke zugeneigt: ſie ſucht ihn
ganz an ſich zu reißen: durch Verſprechungen ſucht ſie ihn
zu verfuͤhren: die glaͤnzendſten Ausſichten ſtellt ſie ihm vor.
Fuͤr die Entſcheidung ihres Kampfes iſt es von der hoͤch-
ſten Bedeutung welche Seite er ergreifen wird.

Die Haltung dieſes Papſtes, der wegen ſeiner That-
kraft und Entſchloſſenheit ſo beruͤhmt iſt, erfuͤllt uns mit
Erſtaunen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0224" n="212"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">VI.</hi><hi rendition="#g">Innere Streitigkeiten</hi>.</fw><lb/>
der Pap&#x017F;t den Kopf ab&#x017F;chlagen la&#x017F;&#x017F;en: er wi&#x017F;&#x017F;e wohl, der<lb/>
Ko&#x0364;nig werde ihn ra&#x0364;chen und &#x017F;eine Treue an &#x017F;einen Kin-<lb/>
dern belohnen. Sixtus <hi rendition="#aq">V.</hi> dagegen war in Feuer und<lb/>
Flamme. &#x201E;Keinem Fu&#x0364;r&#x017F;ten der Welt &#x017F;tehe es zu, einen<lb/>
Pap&#x017F;t belehren zu wollen, der doch von Gott zum Mei&#x017F;ter<lb/>
der Andern ge&#x017F;etzt &#x017F;ey: ganz ruchlos aber betrage &#x017F;ich der<lb/>
Bot&#x017F;chafter: &#x017F;eine In&#x017F;truction erma&#x0364;chtige ihn nur dann zu<lb/>
einer Prote&#x017F;tation, wenn &#x017F;ich der Pap&#x017F;t in Sachen der Li-<lb/>
gue lau bezeigen &#x017F;ollte. Wie? wolle der Bot&#x017F;chafter die<lb/>
Schritte S. Heiligkeit richten?&#x201C;</p><lb/>
          <p>Der echte Katholicismus &#x017F;chien nur Ein Ziel, Eine<lb/>
ungetheilte Ge&#x017F;innung zu haben: im Laufe des Sieges<lb/>
&#x017F;chien er begriffen zu &#x017F;eyn, nahe dem Aus&#x017F;chlag des Gelin-<lb/>
gens: unerwartet haben &#x017F;ich innerhalb de&#x017F;&#x017F;elben zwei Seiten,<lb/>
zwei Meinungen ausgebildet, politi&#x017F;ch und kirchlich einan-<lb/>
der entgegenge&#x017F;etzt, die eine Angriff, die andere Wider&#x017F;tand.<lb/>
Sie beginnen ihren Kampf damit, daß &#x017F;ich jede aus al-<lb/>
len Kra&#x0364;ften an&#x017F;trengt das Oberhaupt der Kirche fu&#x0364;r &#x017F;ich<lb/>
zu gewinnen. Die eine hat den Pap&#x017F;t be&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en: mit Bit-<lb/>
terkeit, mit Drohungen, fa&#x017F;t mit Gewalt &#x017F;ucht &#x017F;ie ihn fe&#x017F;tzu-<lb/>
halten. Der andern hat er &#x017F;ich durch eine innere Bewe-<lb/>
gung im ent&#x017F;cheidenden Augenblicke zugeneigt: &#x017F;ie &#x017F;ucht ihn<lb/>
ganz an &#x017F;ich zu reißen: durch Ver&#x017F;prechungen &#x017F;ucht &#x017F;ie ihn<lb/>
zu verfu&#x0364;hren: die gla&#x0364;nzend&#x017F;ten Aus&#x017F;ichten &#x017F;tellt &#x017F;ie ihm vor.<lb/>
Fu&#x0364;r die Ent&#x017F;cheidung ihres Kampfes i&#x017F;t es von der ho&#x0364;ch-<lb/>
&#x017F;ten Bedeutung welche Seite er ergreifen wird.</p><lb/>
          <p>Die Haltung die&#x017F;es Pap&#x017F;tes, der wegen &#x017F;einer That-<lb/>
kraft und Ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enheit &#x017F;o beru&#x0364;hmt i&#x017F;t, erfu&#x0364;llt uns mit<lb/>
Er&#x017F;taunen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212/0224] Buch VI. Innere Streitigkeiten. der Papſt den Kopf abſchlagen laſſen: er wiſſe wohl, der Koͤnig werde ihn raͤchen und ſeine Treue an ſeinen Kin- dern belohnen. Sixtus V. dagegen war in Feuer und Flamme. „Keinem Fuͤrſten der Welt ſtehe es zu, einen Papſt belehren zu wollen, der doch von Gott zum Meiſter der Andern geſetzt ſey: ganz ruchlos aber betrage ſich der Botſchafter: ſeine Inſtruction ermaͤchtige ihn nur dann zu einer Proteſtation, wenn ſich der Papſt in Sachen der Li- gue lau bezeigen ſollte. Wie? wolle der Botſchafter die Schritte S. Heiligkeit richten?“ Der echte Katholicismus ſchien nur Ein Ziel, Eine ungetheilte Geſinnung zu haben: im Laufe des Sieges ſchien er begriffen zu ſeyn, nahe dem Ausſchlag des Gelin- gens: unerwartet haben ſich innerhalb deſſelben zwei Seiten, zwei Meinungen ausgebildet, politiſch und kirchlich einan- der entgegengeſetzt, die eine Angriff, die andere Widerſtand. Sie beginnen ihren Kampf damit, daß ſich jede aus al- len Kraͤften anſtrengt das Oberhaupt der Kirche fuͤr ſich zu gewinnen. Die eine hat den Papſt beſeſſen: mit Bit- terkeit, mit Drohungen, faſt mit Gewalt ſucht ſie ihn feſtzu- halten. Der andern hat er ſich durch eine innere Bewe- gung im entſcheidenden Augenblicke zugeneigt: ſie ſucht ihn ganz an ſich zu reißen: durch Verſprechungen ſucht ſie ihn zu verfuͤhren: die glaͤnzendſten Ausſichten ſtellt ſie ihm vor. Fuͤr die Entſcheidung ihres Kampfes iſt es von der hoͤch- ſten Bedeutung welche Seite er ergreifen wird. Die Haltung dieſes Papſtes, der wegen ſeiner That- kraft und Entſchloſſenheit ſo beruͤhmt iſt, erfuͤllt uns mit Erſtaunen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/224
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/224>, abgerufen am 24.11.2024.