wenn sie in ihrem Kirchen-Ornate, mit ihren Infuln ein- hertraten.
Diese Bewegung hatte sich in Baiern nicht viel min- der lebhaft fortgesetzt. Die große Mehrheit des Adels hatte die protestantischen Lehren ergriffen: ein guter Theil der Städte neigte sich entschieden dahin: der Herzog mußte auf seinen Landtagen, z. B. im Jahre 1556, Zugeständ- nisse machen, wie sie anderwärts zur vollkommenen Ein- führung des augsburgischen Bekenntnisses hingereicht hat- ten, und die auch hier dieselbe Folge haben zu müssen schienen. Der Herzog selbst war diesem Bekenntniß nicht so ganz entgegen, daß er nicht auch zuweilen einer prote- stantischen Predigt beigewohnt hätte 1).
Noch viel weiter aber war es in Oestreich gekommen. Der Adel studirte in Wittenberg: alle Landescollegien wa- ren mit Protestanten erfüllt: man wollte rechnen, daß viel- leicht nur noch der dreißigste Theil der Einwohner katho- lisch geblieben: schrittweise bildete sich eine landständische Verfassung aus, welche auf dem Princip des Protestantis- mus beruhete.
Von Baiern und Oestreich eingeschlossen, hatten auch die Erzbischöfe von Salzburg ihr Land nicht bei der alten Kirchenlehre behaupten können. Zwar ließen sie noch keine protestantischen Prediger zu: aber die Gesinnung der Ein- wohner sprach sich nichts desto minder entschieden aus. In der Hauptstadt ward die Messe nicht mehr besucht, weder Fasten noch Feiertag gehalten: wem die Prediger in den östreichischen Ortschaften zu entfernt waren, der erbaute sich
1) Sitzinger bei Strobel: Beiträge zur Literatur I, 313.
Lage des Proteſtantismus um das Jahr 1563.
wenn ſie in ihrem Kirchen-Ornate, mit ihren Infuln ein- hertraten.
Dieſe Bewegung hatte ſich in Baiern nicht viel min- der lebhaft fortgeſetzt. Die große Mehrheit des Adels hatte die proteſtantiſchen Lehren ergriffen: ein guter Theil der Staͤdte neigte ſich entſchieden dahin: der Herzog mußte auf ſeinen Landtagen, z. B. im Jahre 1556, Zugeſtaͤnd- niſſe machen, wie ſie anderwaͤrts zur vollkommenen Ein- fuͤhrung des augsburgiſchen Bekenntniſſes hingereicht hat- ten, und die auch hier dieſelbe Folge haben zu muͤſſen ſchienen. Der Herzog ſelbſt war dieſem Bekenntniß nicht ſo ganz entgegen, daß er nicht auch zuweilen einer prote- ſtantiſchen Predigt beigewohnt haͤtte 1).
Noch viel weiter aber war es in Oeſtreich gekommen. Der Adel ſtudirte in Wittenberg: alle Landescollegien wa- ren mit Proteſtanten erfuͤllt: man wollte rechnen, daß viel- leicht nur noch der dreißigſte Theil der Einwohner katho- liſch geblieben: ſchrittweiſe bildete ſich eine landſtaͤndiſche Verfaſſung aus, welche auf dem Princip des Proteſtantis- mus beruhete.
Von Baiern und Oeſtreich eingeſchloſſen, hatten auch die Erzbiſchoͤfe von Salzburg ihr Land nicht bei der alten Kirchenlehre behaupten koͤnnen. Zwar ließen ſie noch keine proteſtantiſchen Prediger zu: aber die Geſinnung der Ein- wohner ſprach ſich nichts deſto minder entſchieden aus. In der Hauptſtadt ward die Meſſe nicht mehr beſucht, weder Faſten noch Feiertag gehalten: wem die Prediger in den oͤſtreichiſchen Ortſchaften zu entfernt waren, der erbaute ſich
1) Sitzinger bei Strobel: Beitraͤge zur Literatur I, 313.
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Lage des Proteſtantismus um das Jahr 1563.
wenn ſie in ihrem Kirchen-Ornate, mit ihren Infuln ein-
hertraten.
Dieſe Bewegung hatte ſich in Baiern nicht viel min-
der lebhaft fortgeſetzt. Die große Mehrheit des Adels
hatte die proteſtantiſchen Lehren ergriffen: ein guter Theil der
Staͤdte neigte ſich entſchieden dahin: der Herzog mußte
auf ſeinen Landtagen, z. B. im Jahre 1556, Zugeſtaͤnd-
niſſe machen, wie ſie anderwaͤrts zur vollkommenen Ein-
fuͤhrung des augsburgiſchen Bekenntniſſes hingereicht hat-
ten, und die auch hier dieſelbe Folge haben zu muͤſſen
ſchienen. Der Herzog ſelbſt war dieſem Bekenntniß nicht
ſo ganz entgegen, daß er nicht auch zuweilen einer prote-
ſtantiſchen Predigt beigewohnt haͤtte 1).
Noch viel weiter aber war es in Oeſtreich gekommen.
Der Adel ſtudirte in Wittenberg: alle Landescollegien wa-
ren mit Proteſtanten erfuͤllt: man wollte rechnen, daß viel-
leicht nur noch der dreißigſte Theil der Einwohner katho-
liſch geblieben: ſchrittweiſe bildete ſich eine landſtaͤndiſche
Verfaſſung aus, welche auf dem Princip des Proteſtantis-
mus beruhete.
Von Baiern und Oeſtreich eingeſchloſſen, hatten auch
die Erzbiſchoͤfe von Salzburg ihr Land nicht bei der alten
Kirchenlehre behaupten koͤnnen. Zwar ließen ſie noch keine
proteſtantiſchen Prediger zu: aber die Geſinnung der Ein-
wohner ſprach ſich nichts deſto minder entſchieden aus. In
der Hauptſtadt ward die Meſſe nicht mehr beſucht, weder
Faſten noch Feiertag gehalten: wem die Prediger in den
oͤſtreichiſchen Ortſchaften zu entfernt waren, der erbaute ſich
1) Sitzinger bei Strobel: Beitraͤge zur Literatur I, 313.
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/21>, abgerufen am 31.01.2025.
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