Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch VI. Innere Streitigkeiten.
eingesetzt: wie er sich denn von Gottes Gnaden nenne: in
dem einzigen Falle dürfe man ihm den Gehorsam versa-
gen, wenn er etwas fordere, was gegen Gottes Gebot
laufe 1). -- Aus diesem göttlichen Rechte leiteten sie dann
ab, daß es ihnen nicht allein erlaubt, sondern daß es
Pflicht für sie sey, auch einen protestantischen König an-
zuerkennen. Wie Gott den König gebe, so müsse der
Unterthan ihn annehmen: ihm zu gehorchen sey Gottes Ge-
bot: einen Grund, um einem Fürsten seiner Rechte zu be-
rauben, könne es überhaupt gar nicht geben 2). Sie be-
haupteten sogar, daß ihr Verfahren für die katholischen
Interessen das zuträglichste sey. Heinrich IV. sey ver-
ständig, gnädig, aufrichtig: nichts als Gutes lasse sich von
ihm erwarten: wollte man sich von ihm lossagen, so wür-
den sich allenthalben kleine Machthaber erheben, in der
allgemeinen Spaltung würde die protestantische Partei erst
vollends das Uebergewicht bekommen 3).

Dergestalt trat innerhalb der Grenzen des Katholicis-
mus selbst eine Opposition gegen die durch die Restaura-
tion entwickelten Bestrebungen des Papstthums hervor: und
es war gleich anfangs zweifelhaft, ob dieß vermögen werde
sie zu unterdrücken. Nicht allein war ihre Lehre, wenn
gleich noch minder ausgebildet, aber doch besser in den

1) Ich folge hier dem Auszug aus einer anonymen Schrift,
die 1588 zu Paris erschienen, bei Cayet. Collection universelle
des memoires tom. 56, p
. 44.
2) Etienne Pasquier: Recherches de France 341. 344.
3) Erklärung bei Thuanus lib. 97, p. 316: "sectarios dis-
soluto imperio et singulis regni partibus a reliquo corpore divi-
sis potentiores fore."

Buch VI. Innere Streitigkeiten.
eingeſetzt: wie er ſich denn von Gottes Gnaden nenne: in
dem einzigen Falle duͤrfe man ihm den Gehorſam verſa-
gen, wenn er etwas fordere, was gegen Gottes Gebot
laufe 1). — Aus dieſem goͤttlichen Rechte leiteten ſie dann
ab, daß es ihnen nicht allein erlaubt, ſondern daß es
Pflicht fuͤr ſie ſey, auch einen proteſtantiſchen Koͤnig an-
zuerkennen. Wie Gott den Koͤnig gebe, ſo muͤſſe der
Unterthan ihn annehmen: ihm zu gehorchen ſey Gottes Ge-
bot: einen Grund, um einem Fuͤrſten ſeiner Rechte zu be-
rauben, koͤnne es uͤberhaupt gar nicht geben 2). Sie be-
haupteten ſogar, daß ihr Verfahren fuͤr die katholiſchen
Intereſſen das zutraͤglichſte ſey. Heinrich IV. ſey ver-
ſtaͤndig, gnaͤdig, aufrichtig: nichts als Gutes laſſe ſich von
ihm erwarten: wollte man ſich von ihm losſagen, ſo wuͤr-
den ſich allenthalben kleine Machthaber erheben, in der
allgemeinen Spaltung wuͤrde die proteſtantiſche Partei erſt
vollends das Uebergewicht bekommen 3).

Dergeſtalt trat innerhalb der Grenzen des Katholicis-
mus ſelbſt eine Oppoſition gegen die durch die Reſtaura-
tion entwickelten Beſtrebungen des Papſtthums hervor: und
es war gleich anfangs zweifelhaft, ob dieß vermoͤgen werde
ſie zu unterdruͤcken. Nicht allein war ihre Lehre, wenn
gleich noch minder ausgebildet, aber doch beſſer in den

1) Ich folge hier dem Auszug aus einer anonymen Schrift,
die 1588 zu Paris erſchienen, bei Cayet. Collection universelle
des mémoires tom. 56, p
. 44.
2) Etienne Pasquier: Recherches de France 341. 344.
3) Erklaͤrung bei Thuanus lib. 97, p. 316: „sectarios dis-
soluto imperio et singulis regni partibus a reliquo corpore divi-
sis potentiores fore.“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0206" n="194"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">VI</hi>. <hi rendition="#g">Innere Streitigkeiten</hi>.</fw><lb/>
einge&#x017F;etzt: wie er &#x017F;ich denn von Gottes Gnaden nenne: in<lb/>
dem einzigen Falle du&#x0364;rfe man ihm den Gehor&#x017F;am ver&#x017F;a-<lb/>
gen, wenn er etwas fordere, was gegen Gottes Gebot<lb/>
laufe <note place="foot" n="1)">Ich folge hier dem Auszug aus einer anonymen Schrift,<lb/>
die 1588 zu Paris er&#x017F;chienen, bei Cayet. <hi rendition="#aq">Collection universelle<lb/>
des mémoires tom. 56, p</hi>. 44.</note>. &#x2014; Aus die&#x017F;em go&#x0364;ttlichen Rechte leiteten &#x017F;ie dann<lb/>
ab, daß es ihnen nicht allein erlaubt, &#x017F;ondern daß es<lb/>
Pflicht fu&#x0364;r &#x017F;ie &#x017F;ey, auch einen prote&#x017F;tanti&#x017F;chen Ko&#x0364;nig an-<lb/>
zuerkennen. Wie Gott den Ko&#x0364;nig gebe, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e der<lb/>
Unterthan ihn annehmen: ihm zu gehorchen &#x017F;ey Gottes Ge-<lb/>
bot: einen Grund, um einem Fu&#x0364;r&#x017F;ten &#x017F;einer Rechte zu be-<lb/>
rauben, ko&#x0364;nne es u&#x0364;berhaupt gar nicht geben <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Etienne Pasquier: Recherches de France</hi> 341. 344.</note>. Sie be-<lb/>
haupteten &#x017F;ogar, daß ihr Verfahren fu&#x0364;r die katholi&#x017F;chen<lb/>
Intere&#x017F;&#x017F;en das zutra&#x0364;glich&#x017F;te &#x017F;ey. Heinrich <hi rendition="#aq">IV</hi>. &#x017F;ey ver-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndig, gna&#x0364;dig, aufrichtig: nichts als Gutes la&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich von<lb/>
ihm erwarten: wollte man &#x017F;ich von ihm los&#x017F;agen, &#x017F;o wu&#x0364;r-<lb/>
den &#x017F;ich allenthalben kleine Machthaber erheben, in der<lb/>
allgemeinen Spaltung wu&#x0364;rde die prote&#x017F;tanti&#x017F;che Partei er&#x017F;t<lb/>
vollends das Uebergewicht bekommen <note place="foot" n="3)">Erkla&#x0364;rung bei <hi rendition="#aq">Thuanus lib. 97, p. 316: &#x201E;sectarios dis-<lb/>
soluto imperio et singulis regni partibus a reliquo corpore divi-<lb/>
sis potentiores fore.&#x201C;</hi></note>.</p><lb/>
          <p>Derge&#x017F;talt trat innerhalb der Grenzen des Katholicis-<lb/>
mus &#x017F;elb&#x017F;t eine Oppo&#x017F;ition gegen die durch die Re&#x017F;taura-<lb/>
tion entwickelten Be&#x017F;trebungen des Pap&#x017F;tthums hervor: und<lb/>
es war gleich anfangs zweifelhaft, ob dieß vermo&#x0364;gen werde<lb/>
&#x017F;ie zu unterdru&#x0364;cken. Nicht allein war ihre Lehre, wenn<lb/>
gleich noch minder ausgebildet, aber doch be&#x017F;&#x017F;er in den<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0206] Buch VI. Innere Streitigkeiten. eingeſetzt: wie er ſich denn von Gottes Gnaden nenne: in dem einzigen Falle duͤrfe man ihm den Gehorſam verſa- gen, wenn er etwas fordere, was gegen Gottes Gebot laufe 1). — Aus dieſem goͤttlichen Rechte leiteten ſie dann ab, daß es ihnen nicht allein erlaubt, ſondern daß es Pflicht fuͤr ſie ſey, auch einen proteſtantiſchen Koͤnig an- zuerkennen. Wie Gott den Koͤnig gebe, ſo muͤſſe der Unterthan ihn annehmen: ihm zu gehorchen ſey Gottes Ge- bot: einen Grund, um einem Fuͤrſten ſeiner Rechte zu be- rauben, koͤnne es uͤberhaupt gar nicht geben 2). Sie be- haupteten ſogar, daß ihr Verfahren fuͤr die katholiſchen Intereſſen das zutraͤglichſte ſey. Heinrich IV. ſey ver- ſtaͤndig, gnaͤdig, aufrichtig: nichts als Gutes laſſe ſich von ihm erwarten: wollte man ſich von ihm losſagen, ſo wuͤr- den ſich allenthalben kleine Machthaber erheben, in der allgemeinen Spaltung wuͤrde die proteſtantiſche Partei erſt vollends das Uebergewicht bekommen 3). Dergeſtalt trat innerhalb der Grenzen des Katholicis- mus ſelbſt eine Oppoſition gegen die durch die Reſtaura- tion entwickelten Beſtrebungen des Papſtthums hervor: und es war gleich anfangs zweifelhaft, ob dieß vermoͤgen werde ſie zu unterdruͤcken. Nicht allein war ihre Lehre, wenn gleich noch minder ausgebildet, aber doch beſſer in den 1) Ich folge hier dem Auszug aus einer anonymen Schrift, die 1588 zu Paris erſchienen, bei Cayet. Collection universelle des mémoires tom. 56, p. 44. 2) Etienne Pasquier: Recherches de France 341. 344. 3) Erklaͤrung bei Thuanus lib. 97, p. 316: „sectarios dis- soluto imperio et singulis regni partibus a reliquo corpore divi- sis potentiores fore.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/206
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/206>, abgerufen am 24.11.2024.