daß ihr Einfluß gerade dadurch so umfassend und durchgrei- fend wurde, weil sie mit einander in einem so heftigen Widerspruch lagen, weil sie ihren Gegensatz in sich selber trugen.
War dieß nun auf beiden Seiten der Fall, so lag es doch auf der katholischen am meisten zu Tage. Hier wa- ren die Ideen und Institute, welche das Gemüth unmit- telbar in Zucht und Leitung nehmen, am zweckmäßigsten ausgebildet: man konnte gar nicht mehr ohne Beichtvater leben. Hier machten ferner die Geistlichen entweder als Genossen eines Ordens, oder doch als Mitglieder der Hie- rarchie überhaupt eine in strenger Unterordnung zusammen- gehaltene Corporation aus, die in Einem Sinne zu Werke ging. Das Haupt dieses hierarchischen Körpers, der Papst zu Rom, bekam wieder einen nicht viel geringeren Ein- fluß, als er im elften und zwölften Jahrhundert besessen hatte: durch die Unternehmungen, die er aus dem religiö- sen Gesichtspunkt unaufhörlich in Anregung brachte, hielt er die Welt in Athem.
Unter diesen Umständen erwachten die kühnsten An- sprüche hildebrandischer Zeiten, Grundsätze, die bisher in den Rüsthäusern des canonischen Rechtes mehr als Anti- quitäten aufbewahrt worden, aufs neue zu voller Wirksam- keit und Geltung.
Unser europäisches Gemeinwesen hat sich noch niemals dem Gebote der reinen Gewalt unterworfen: noch ist es in jedem Momente mit Ideen erfüllt gewesen: es kann kein wichtiges Unternehmen gelingen, keine Macht zu allgemei- ner Bedeutung emporsteigen, ohne daß zugleich in den Gei-
BuchVI.Innere Streitigkeiten.
daß ihr Einfluß gerade dadurch ſo umfaſſend und durchgrei- fend wurde, weil ſie mit einander in einem ſo heftigen Widerſpruch lagen, weil ſie ihren Gegenſatz in ſich ſelber trugen.
War dieß nun auf beiden Seiten der Fall, ſo lag es doch auf der katholiſchen am meiſten zu Tage. Hier wa- ren die Ideen und Inſtitute, welche das Gemuͤth unmit- telbar in Zucht und Leitung nehmen, am zweckmaͤßigſten ausgebildet: man konnte gar nicht mehr ohne Beichtvater leben. Hier machten ferner die Geiſtlichen entweder als Genoſſen eines Ordens, oder doch als Mitglieder der Hie- rarchie uͤberhaupt eine in ſtrenger Unterordnung zuſammen- gehaltene Corporation aus, die in Einem Sinne zu Werke ging. Das Haupt dieſes hierarchiſchen Koͤrpers, der Papſt zu Rom, bekam wieder einen nicht viel geringeren Ein- fluß, als er im elften und zwoͤlften Jahrhundert beſeſſen hatte: durch die Unternehmungen, die er aus dem religioͤ- ſen Geſichtspunkt unaufhoͤrlich in Anregung brachte, hielt er die Welt in Athem.
Unter dieſen Umſtaͤnden erwachten die kuͤhnſten An- ſpruͤche hildebrandiſcher Zeiten, Grundſaͤtze, die bisher in den Ruͤſthaͤuſern des canoniſchen Rechtes mehr als Anti- quitaͤten aufbewahrt worden, aufs neue zu voller Wirkſam- keit und Geltung.
Unſer europaͤiſches Gemeinweſen hat ſich noch niemals dem Gebote der reinen Gewalt unterworfen: noch iſt es in jedem Momente mit Ideen erfuͤllt geweſen: es kann kein wichtiges Unternehmen gelingen, keine Macht zu allgemei- ner Bedeutung emporſteigen, ohne daß zugleich in den Gei-
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Buch VI. Innere Streitigkeiten.
daß ihr Einfluß gerade dadurch ſo umfaſſend und durchgrei-
fend wurde, weil ſie mit einander in einem ſo heftigen
Widerſpruch lagen, weil ſie ihren Gegenſatz in ſich ſelber
trugen.
War dieß nun auf beiden Seiten der Fall, ſo lag es
doch auf der katholiſchen am meiſten zu Tage. Hier wa-
ren die Ideen und Inſtitute, welche das Gemuͤth unmit-
telbar in Zucht und Leitung nehmen, am zweckmaͤßigſten
ausgebildet: man konnte gar nicht mehr ohne Beichtvater
leben. Hier machten ferner die Geiſtlichen entweder als
Genoſſen eines Ordens, oder doch als Mitglieder der Hie-
rarchie uͤberhaupt eine in ſtrenger Unterordnung zuſammen-
gehaltene Corporation aus, die in Einem Sinne zu Werke
ging. Das Haupt dieſes hierarchiſchen Koͤrpers, der Papſt
zu Rom, bekam wieder einen nicht viel geringeren Ein-
fluß, als er im elften und zwoͤlften Jahrhundert beſeſſen
hatte: durch die Unternehmungen, die er aus dem religioͤ-
ſen Geſichtspunkt unaufhoͤrlich in Anregung brachte, hielt er
die Welt in Athem.
Unter dieſen Umſtaͤnden erwachten die kuͤhnſten An-
ſpruͤche hildebrandiſcher Zeiten, Grundſaͤtze, die bisher in
den Ruͤſthaͤuſern des canoniſchen Rechtes mehr als Anti-
quitaͤten aufbewahrt worden, aufs neue zu voller Wirkſam-
keit und Geltung.
Unſer europaͤiſches Gemeinweſen hat ſich noch niemals
dem Gebote der reinen Gewalt unterworfen: noch iſt es in
jedem Momente mit Ideen erfuͤllt geweſen: es kann kein
wichtiges Unternehmen gelingen, keine Macht zu allgemei-
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/190>, abgerufen am 24.11.2024.
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