Schon fühlte der König den Boden unter seinen Fü- ßen beben. Man hinterbrachte ihm von Tag zu Tag die Bewegungen seiner Gegner. Schon war man in der Sor- bonne so kühn die Frage vorzulegen, ob es recht sey, ei- nem Fürsten der seine Pflicht nicht thue, den Gehorsam zu entziehen. In einem Rathe von dreißig bis vierzig Doctoren bejahte man sie. Der König war höchst entrü- stet: er drohte, es wie Papst Sixtus zu machen und die widerspenstigen Prediger an die Galeere schmieden zu lassen. Allein er hatte nicht die Thatkraft des Papstes: er that nichts weiter, als daß er die Schweizer, die in seinem Dienst waren, in die Nähe der Hauptstadt vor- rücken ließ.
Erschrocken über die Drohung, die hierin lag, schick- ten die Bürger an Guise, und baten ihn zu kommen und sie zu beschützen. Der König ließ ihn wissen, daß er es nicht gern sehen werde. Guise kam dennoch.
Es war alles reif zu einer großen Explosion.
Als der König die Schweizer einrücken ließ, brach sie aus. In Einem Moment war die Stadt barricadirt. Die Schweizer wurden zurückgedrängt, der Louvre bedroht: der König mußte sich zur Flucht entschließen 1).
Schon hatte Guise einen so großen Theil von Frank- reich inne: jetzt ward er auch Herr von Paris. Bastille, Arsenal, Hotel de Ville, alle umliegenden Orte fielen in seine Hand. Der König war ganz überwältigt In kur-
1) Maffei wirft Guisen vor, daß er dieß geduldet: "Inanis popularis aurae et infaustae potentiae ostentatione contentus Henricum incolumem abire permittit." (l. l. 38.)
Buch V. Gegenreformationen.
Schon fuͤhlte der Koͤnig den Boden unter ſeinen Fuͤ- ßen beben. Man hinterbrachte ihm von Tag zu Tag die Bewegungen ſeiner Gegner. Schon war man in der Sor- bonne ſo kuͤhn die Frage vorzulegen, ob es recht ſey, ei- nem Fuͤrſten der ſeine Pflicht nicht thue, den Gehorſam zu entziehen. In einem Rathe von dreißig bis vierzig Doctoren bejahte man ſie. Der Koͤnig war hoͤchſt entruͤ- ſtet: er drohte, es wie Papſt Sixtus zu machen und die widerſpenſtigen Prediger an die Galeere ſchmieden zu laſſen. Allein er hatte nicht die Thatkraft des Papſtes: er that nichts weiter, als daß er die Schweizer, die in ſeinem Dienſt waren, in die Naͤhe der Hauptſtadt vor- ruͤcken ließ.
Erſchrocken uͤber die Drohung, die hierin lag, ſchick- ten die Buͤrger an Guiſe, und baten ihn zu kommen und ſie zu beſchuͤtzen. Der Koͤnig ließ ihn wiſſen, daß er es nicht gern ſehen werde. Guiſe kam dennoch.
Es war alles reif zu einer großen Exploſion.
Als der Koͤnig die Schweizer einruͤcken ließ, brach ſie aus. In Einem Moment war die Stadt barricadirt. Die Schweizer wurden zuruͤckgedraͤngt, der Louvre bedroht: der Koͤnig mußte ſich zur Flucht entſchließen 1).
Schon hatte Guiſe einen ſo großen Theil von Frank- reich inne: jetzt ward er auch Herr von Paris. Baſtille, Arſenal, Hotel de Ville, alle umliegenden Orte fielen in ſeine Hand. Der Koͤnig war ganz uͤberwaͤltigt In kur-
1) Maffei wirft Guiſen vor, daß er dieß geduldet: „Inanis popularis aurae et infaustae potentiae ostentatione contentus Henricum incolumem abire permittit.“ (l. l. 38.)
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Buch V. Gegenreformationen.
Schon fuͤhlte der Koͤnig den Boden unter ſeinen Fuͤ-
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Bewegungen ſeiner Gegner. Schon war man in der Sor-
bonne ſo kuͤhn die Frage vorzulegen, ob es recht ſey, ei-
nem Fuͤrſten der ſeine Pflicht nicht thue, den Gehorſam
zu entziehen. In einem Rathe von dreißig bis vierzig
Doctoren bejahte man ſie. Der Koͤnig war hoͤchſt entruͤ-
ſtet: er drohte, es wie Papſt Sixtus zu machen und
die widerſpenſtigen Prediger an die Galeere ſchmieden zu
laſſen. Allein er hatte nicht die Thatkraft des Papſtes:
er that nichts weiter, als daß er die Schweizer, die in
ſeinem Dienſt waren, in die Naͤhe der Hauptſtadt vor-
ruͤcken ließ.
Erſchrocken uͤber die Drohung, die hierin lag, ſchick-
ten die Buͤrger an Guiſe, und baten ihn zu kommen und
ſie zu beſchuͤtzen. Der Koͤnig ließ ihn wiſſen, daß er es
nicht gern ſehen werde. Guiſe kam dennoch.
Es war alles reif zu einer großen Exploſion.
Als der Koͤnig die Schweizer einruͤcken ließ, brach ſie
aus. In Einem Moment war die Stadt barricadirt. Die
Schweizer wurden zuruͤckgedraͤngt, der Louvre bedroht: der
Koͤnig mußte ſich zur Flucht entſchließen 1).
Schon hatte Guiſe einen ſo großen Theil von Frank-
reich inne: jetzt ward er auch Herr von Paris. Baſtille,
Arſenal, Hotel de Ville, alle umliegenden Orte fielen in
ſeine Hand. Der Koͤnig war ganz uͤberwaͤltigt In kur-
1) Maffei wirft Guiſen vor, daß er dieß geduldet: „Inanis
popularis aurae et infaustae potentiae ostentatione contentus
Henricum incolumem abire permittit.“ (l. l. 38.)
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/166>, abgerufen am 24.11.2024.
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