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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Fortgang derselben in Deutschland. Salzburg.
Stadt und Stift zu räumen. Nur dieser Monat und end-
lich auf dringende Bitten noch ein zweiter ward ihnen
verstattet, ihre Güter zu verkaufen. Sie mußten dem Erz-
bischof von denselben einen Anschlag überreichen, und durf-
ten sie auch dann nur an solche Personen überlassen,
die ihm angenehm waren 1). Nur Wenige bequemten
sich von ihrem Glauben abzufallen: sie mußten dann öf-
fentliche Kirchenbuße thun, mit brennenden Kerzen in der
Hand: bei weitem die Meisten, eben die wohlhabendsten
Bürger der Stadt, wanderten aus. Ihr Verlust küm-
merte den Fürsten nicht. In andern Maaßregeln glaubte
er das Mittel gefunden zu haben den Glanz des Erzstif-
tes zu erhalten. Schon hatte er die Abgaben gewaltig er-
höht, Mauthen und Zölle gesteigert, das Halleiner, das Schel-
lenberger Salz mit neuem Aufschlag belegt, die Türken-
hülfe zu einer ordentlichen Landessteuer ausgedehnt, Wein-
umgeld, Vermögens- und Erbsteuer eingeführt. Auf keine
hergebrachte Freiheit nahm er Rücksicht. Der Domdechant
entleibte sich selbst: man glaubte, in einem Anfalle von Trüb-
sinn über die Verluste der Rechte des Capitels. Die An-
ordnungen des Erzbischofs über die Salzausfertigung und
das gesammte Bergwesen hatten den Zweck die Selbstän-
digkeit der Gewerke herabzubringen und alles seiner Kam-
mer einzuverleiben. In Deutschland giebt es kein ähnliches
Beispiel einer ausgebildeten Fiscalität in diesem Jahrhun-
dert. Der junge Erzbischof hatte die Ideen eines italieni-

1) Reformationsmandat bei Göckingk: Vollkommene Emigra-
tionsgeschichte von denen aus dem Erzbisthum Salzburg vertriebe-
nen Lutheranern I, p. 88.

Fortgang derſelben in Deutſchland. Salzburg.
Stadt und Stift zu raͤumen. Nur dieſer Monat und end-
lich auf dringende Bitten noch ein zweiter ward ihnen
verſtattet, ihre Guͤter zu verkaufen. Sie mußten dem Erz-
biſchof von denſelben einen Anſchlag uͤberreichen, und durf-
ten ſie auch dann nur an ſolche Perſonen uͤberlaſſen,
die ihm angenehm waren 1). Nur Wenige bequemten
ſich von ihrem Glauben abzufallen: ſie mußten dann oͤf-
fentliche Kirchenbuße thun, mit brennenden Kerzen in der
Hand: bei weitem die Meiſten, eben die wohlhabendſten
Buͤrger der Stadt, wanderten aus. Ihr Verluſt kuͤm-
merte den Fuͤrſten nicht. In andern Maaßregeln glaubte
er das Mittel gefunden zu haben den Glanz des Erzſtif-
tes zu erhalten. Schon hatte er die Abgaben gewaltig er-
hoͤht, Mauthen und Zoͤlle geſteigert, das Halleiner, das Schel-
lenberger Salz mit neuem Aufſchlag belegt, die Tuͤrken-
huͤlfe zu einer ordentlichen Landesſteuer ausgedehnt, Wein-
umgeld, Vermoͤgens- und Erbſteuer eingefuͤhrt. Auf keine
hergebrachte Freiheit nahm er Ruͤckſicht. Der Domdechant
entleibte ſich ſelbſt: man glaubte, in einem Anfalle von Truͤb-
ſinn uͤber die Verluſte der Rechte des Capitels. Die An-
ordnungen des Erzbiſchofs uͤber die Salzausfertigung und
das geſammte Bergweſen hatten den Zweck die Selbſtaͤn-
digkeit der Gewerke herabzubringen und alles ſeiner Kam-
mer einzuverleiben. In Deutſchland giebt es kein aͤhnliches
Beiſpiel einer ausgebildeten Fiscalitaͤt in dieſem Jahrhun-
dert. Der junge Erzbiſchof hatte die Ideen eines italieni-

1) Reformationsmandat bei Goͤckingk: Vollkommene Emigra-
tionsgeſchichte von denen aus dem Erzbisthum Salzburg vertriebe-
nen Lutheranern I, p. 88.
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[133/0145] Fortgang derſelben in Deutſchland. Salzburg. Stadt und Stift zu raͤumen. Nur dieſer Monat und end- lich auf dringende Bitten noch ein zweiter ward ihnen verſtattet, ihre Guͤter zu verkaufen. Sie mußten dem Erz- biſchof von denſelben einen Anſchlag uͤberreichen, und durf- ten ſie auch dann nur an ſolche Perſonen uͤberlaſſen, die ihm angenehm waren 1). Nur Wenige bequemten ſich von ihrem Glauben abzufallen: ſie mußten dann oͤf- fentliche Kirchenbuße thun, mit brennenden Kerzen in der Hand: bei weitem die Meiſten, eben die wohlhabendſten Buͤrger der Stadt, wanderten aus. Ihr Verluſt kuͤm- merte den Fuͤrſten nicht. In andern Maaßregeln glaubte er das Mittel gefunden zu haben den Glanz des Erzſtif- tes zu erhalten. Schon hatte er die Abgaben gewaltig er- hoͤht, Mauthen und Zoͤlle geſteigert, das Halleiner, das Schel- lenberger Salz mit neuem Aufſchlag belegt, die Tuͤrken- huͤlfe zu einer ordentlichen Landesſteuer ausgedehnt, Wein- umgeld, Vermoͤgens- und Erbſteuer eingefuͤhrt. Auf keine hergebrachte Freiheit nahm er Ruͤckſicht. Der Domdechant entleibte ſich ſelbſt: man glaubte, in einem Anfalle von Truͤb- ſinn uͤber die Verluſte der Rechte des Capitels. Die An- ordnungen des Erzbiſchofs uͤber die Salzausfertigung und das geſammte Bergweſen hatten den Zweck die Selbſtaͤn- digkeit der Gewerke herabzubringen und alles ſeiner Kam- mer einzuverleiben. In Deutſchland giebt es kein aͤhnliches Beiſpiel einer ausgebildeten Fiscalitaͤt in dieſem Jahrhun- dert. Der junge Erzbiſchof hatte die Ideen eines italieni- 1) Reformationsmandat bei Goͤckingk: Vollkommene Emigra- tionsgeſchichte von denen aus dem Erzbisthum Salzburg vertriebe- nen Lutheranern I, p. 88.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/145>, abgerufen am 24.11.2024.