Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite
Buch V. Gegenreformationen.

Unter diesen Umständen läßt sich schwerlich sagen, was
Bischof Julius gethan haben würde, wenn sich Truchseß
in Cöln behauptet hätte. Da dieß aber so vollständig fehl-
schlug, konnte er nicht allein nicht daran denken ihm nach-
zuahmen: er faßte vielmehr einen ganz entgegengesetzten
Entschluß.

Wäre vielleicht die Summe seiner Wünsche nur gewe-
sen Herr in seinem Lande zu werden? Oder war er in
in seinem Herzen wirklich von streng katholischer Ueberzeu-
gung? Er war doch ein Zögling der Jesuiten, in dem
Collegium Romanum erzogen. Genug, im Jahre 1584
nahm er eine Kirchenvisitation in katholischem Sinne vor,
die in Deutschland ihres Gleichen noch nicht gehabt hatte:
mit der ganzen Stärke eines entschlossenen Willens, per-
sönlich setzte er sie ins Werk.

Von einigen Jesuiten begleitet durchzog er sein Land.
Er ging zuerst nach Gmünden: von da nach Arnstein, Wer-
neck, Haßfurt: so fort von Bezirk zu Bezirk. In jeder
Stadt berief er Bürgermeister und Rath vor sich, und er-
öffnete ihnen seinen Entschluß die protestantischen Irrthü-
mer auszurotten. Die Prediger wurden entfernt und mit
den Zöglingen der Jesuiten ersetzt. Weigerte sich ein Be-
amter den katholischen Gottesdienst zu besuchen, so wurde
er ohne Gnade entlassen: schon warteten Andere, Katholisch-
gesinnte, auf die erledigten Stellen. Aber auch jeder Privat-
mann ward zu dem katholischen Gottesdienst angehalten:
es blieb ihm nur die Wahl zwischen der Messe und der

ten Herrn Bischoffen, daß J. F. Gn. verhoffentlich dem Papste wer-
den abfallen."
Buch V. Gegenreformationen.

Unter dieſen Umſtaͤnden laͤßt ſich ſchwerlich ſagen, was
Biſchof Julius gethan haben wuͤrde, wenn ſich Truchſeß
in Coͤln behauptet haͤtte. Da dieß aber ſo vollſtaͤndig fehl-
ſchlug, konnte er nicht allein nicht daran denken ihm nach-
zuahmen: er faßte vielmehr einen ganz entgegengeſetzten
Entſchluß.

Waͤre vielleicht die Summe ſeiner Wuͤnſche nur gewe-
ſen Herr in ſeinem Lande zu werden? Oder war er in
in ſeinem Herzen wirklich von ſtreng katholiſcher Ueberzeu-
gung? Er war doch ein Zoͤgling der Jeſuiten, in dem
Collegium Romanum erzogen. Genug, im Jahre 1584
nahm er eine Kirchenviſitation in katholiſchem Sinne vor,
die in Deutſchland ihres Gleichen noch nicht gehabt hatte:
mit der ganzen Staͤrke eines entſchloſſenen Willens, per-
ſoͤnlich ſetzte er ſie ins Werk.

Von einigen Jeſuiten begleitet durchzog er ſein Land.
Er ging zuerſt nach Gmuͤnden: von da nach Arnſtein, Wer-
neck, Haßfurt: ſo fort von Bezirk zu Bezirk. In jeder
Stadt berief er Buͤrgermeiſter und Rath vor ſich, und er-
oͤffnete ihnen ſeinen Entſchluß die proteſtantiſchen Irrthuͤ-
mer auszurotten. Die Prediger wurden entfernt und mit
den Zoͤglingen der Jeſuiten erſetzt. Weigerte ſich ein Be-
amter den katholiſchen Gottesdienſt zu beſuchen, ſo wurde
er ohne Gnade entlaſſen: ſchon warteten Andere, Katholiſch-
geſinnte, auf die erledigten Stellen. Aber auch jeder Privat-
mann ward zu dem katholiſchen Gottesdienſt angehalten:
es blieb ihm nur die Wahl zwiſchen der Meſſe und der

ten Herrn Biſchoffen, daß J. F. Gn. verhoffentlich dem Papſte wer-
den abfallen.“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0132" n="120"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch <hi rendition="#aq">V.</hi> Gegenreformationen</hi>.</fw><lb/>
          <p>Unter die&#x017F;en Um&#x017F;ta&#x0364;nden la&#x0364;ßt &#x017F;ich &#x017F;chwerlich &#x017F;agen, was<lb/>
Bi&#x017F;chof Julius gethan haben wu&#x0364;rde, wenn &#x017F;ich Truch&#x017F;<lb/>
in Co&#x0364;ln behauptet ha&#x0364;tte. Da dieß aber &#x017F;o voll&#x017F;ta&#x0364;ndig fehl-<lb/>
&#x017F;chlug, konnte er nicht allein nicht daran denken ihm nach-<lb/>
zuahmen: er faßte vielmehr einen ganz entgegenge&#x017F;etzten<lb/>
Ent&#x017F;chluß.</p><lb/>
          <p>Wa&#x0364;re vielleicht die Summe &#x017F;einer Wu&#x0364;n&#x017F;che nur gewe-<lb/>
&#x017F;en Herr in &#x017F;einem Lande zu werden? Oder war er in<lb/>
in &#x017F;einem Herzen wirklich von &#x017F;treng katholi&#x017F;cher Ueberzeu-<lb/>
gung? Er war doch ein Zo&#x0364;gling der Je&#x017F;uiten, in dem<lb/>
Collegium Romanum erzogen. Genug, im Jahre 1584<lb/>
nahm er eine Kirchenvi&#x017F;itation in katholi&#x017F;chem Sinne vor,<lb/>
die in Deut&#x017F;chland ihres Gleichen noch nicht gehabt hatte:<lb/>
mit der ganzen Sta&#x0364;rke eines ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Willens, per-<lb/>
&#x017F;o&#x0364;nlich &#x017F;etzte er &#x017F;ie ins Werk.</p><lb/>
          <p>Von einigen Je&#x017F;uiten begleitet durchzog er &#x017F;ein Land.<lb/>
Er ging zuer&#x017F;t nach Gmu&#x0364;nden: von da nach Arn&#x017F;tein, Wer-<lb/>
neck, Haßfurt: &#x017F;o fort von Bezirk zu Bezirk. In jeder<lb/>
Stadt berief er Bu&#x0364;rgermei&#x017F;ter und Rath vor &#x017F;ich, und er-<lb/>
o&#x0364;ffnete ihnen &#x017F;einen Ent&#x017F;chluß die prote&#x017F;tanti&#x017F;chen Irrthu&#x0364;-<lb/>
mer auszurotten. Die Prediger wurden entfernt und mit<lb/>
den Zo&#x0364;glingen der Je&#x017F;uiten er&#x017F;etzt. Weigerte &#x017F;ich ein Be-<lb/>
amter den katholi&#x017F;chen Gottesdien&#x017F;t zu be&#x017F;uchen, &#x017F;o wurde<lb/>
er ohne Gnade entla&#x017F;&#x017F;en: &#x017F;chon warteten Andere, Katholi&#x017F;ch-<lb/>
ge&#x017F;innte, auf die erledigten Stellen. Aber auch jeder Privat-<lb/>
mann ward zu dem katholi&#x017F;chen Gottesdien&#x017F;t angehalten:<lb/>
es blieb ihm nur die Wahl zwi&#x017F;chen der Me&#x017F;&#x017F;e und der<lb/><note xml:id="seg2pn_5_2" prev="#seg2pn_5_1" place="foot" n="1)">ten Herrn Bi&#x017F;choffen, daß J. F. Gn. verhoffentlich dem Pap&#x017F;te wer-<lb/>
den abfallen.&#x201C;</note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0132] Buch V. Gegenreformationen. Unter dieſen Umſtaͤnden laͤßt ſich ſchwerlich ſagen, was Biſchof Julius gethan haben wuͤrde, wenn ſich Truchſeß in Coͤln behauptet haͤtte. Da dieß aber ſo vollſtaͤndig fehl- ſchlug, konnte er nicht allein nicht daran denken ihm nach- zuahmen: er faßte vielmehr einen ganz entgegengeſetzten Entſchluß. Waͤre vielleicht die Summe ſeiner Wuͤnſche nur gewe- ſen Herr in ſeinem Lande zu werden? Oder war er in in ſeinem Herzen wirklich von ſtreng katholiſcher Ueberzeu- gung? Er war doch ein Zoͤgling der Jeſuiten, in dem Collegium Romanum erzogen. Genug, im Jahre 1584 nahm er eine Kirchenviſitation in katholiſchem Sinne vor, die in Deutſchland ihres Gleichen noch nicht gehabt hatte: mit der ganzen Staͤrke eines entſchloſſenen Willens, per- ſoͤnlich ſetzte er ſie ins Werk. Von einigen Jeſuiten begleitet durchzog er ſein Land. Er ging zuerſt nach Gmuͤnden: von da nach Arnſtein, Wer- neck, Haßfurt: ſo fort von Bezirk zu Bezirk. In jeder Stadt berief er Buͤrgermeiſter und Rath vor ſich, und er- oͤffnete ihnen ſeinen Entſchluß die proteſtantiſchen Irrthuͤ- mer auszurotten. Die Prediger wurden entfernt und mit den Zoͤglingen der Jeſuiten erſetzt. Weigerte ſich ein Be- amter den katholiſchen Gottesdienſt zu beſuchen, ſo wurde er ohne Gnade entlaſſen: ſchon warteten Andere, Katholiſch- geſinnte, auf die erledigten Stellen. Aber auch jeder Privat- mann ward zu dem katholiſchen Gottesdienſt angehalten: es blieb ihm nur die Wahl zwiſchen der Meſſe und der 1) 1) ten Herrn Biſchoffen, daß J. F. Gn. verhoffentlich dem Papſte wer- den abfallen.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/132
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/132>, abgerufen am 24.11.2024.