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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Kap. II. Die Kirche im Anf. des 16. Jahrh.
derzureißen, und an ihrer Stelle einen Tempel nach den
Maaßen des Alterthums zu errichten. Es war ein rein
künstlerisches Bestreben. Beide Factionen, welche damals
die so leicht in Eifersucht und Hader zu setzende Künstlerwelt
theilten, vereinigten sich, Julius II. dazu zu bestimmen.
Michel Angelo wünschte eine würdige Stelle für das Grab-
mahl des Papstes zu haben, das er nach einem umfassen-
den Entwurf in aller der Großartigkeit auszuführen ge-
dachte, wie er den Moses wirklich vollendet hat. Noch
dringender ward Bramante. Er wollte den kühnen Ge-
danken ins Werk setzen, ein Nachbild des Pantheon in
seiner ganzen Größe auf colossalen Säulen in die Luft zu
erheben. Viele Cardinäle widersprachen: es scheint, als
hätte sich auch eine allgemeinere Mißbilligung gezeigt; es
knüpft sich so viel persönliche Neigung an jede alte Kirche,
unendlich viel mehr an dieß oberste Heiligthum der Christen-
heit 1). Allein Julius II. war nicht gewohnt auf Wider-
spruch zu achten. Ohne weitere Rücksicht ließ er die Hälfte
der alten Kirche niederreißen; er legte selber den Grund-
stein zu der neuen.

So erhoben sich in dem Mittelpunkt des christlichen
Cultus die Formen wieder, in denen sich der Geist der an-

1) Aus dem ungedruckten Werke des Panvinius de rebus an-
tiquis memorabilibus et de praestantia basilicae S. Petri Apo-
stolorum Principis etc.
theilt Fea notizie intorno Rafaele p. 41
folgende Stelle mit: Qua in re (in der Absicht des Neubaues) ad-
versos pene habuit cunctorum ordinum homines et praesertim
cardinales non quod novam non cuperent basilicam magnificen-
tissimam extrui, sed quia antiquam toto terrarum orbe venera-
bilem tot sanctorum sepulcris angustissimam, tot celeberrimis
in ea gestis insignem funditus deleri ingemiscant.

Kap. II. Die Kirche im Anf. des 16. Jahrh.
derzureißen, und an ihrer Stelle einen Tempel nach den
Maaßen des Alterthums zu errichten. Es war ein rein
kuͤnſtleriſches Beſtreben. Beide Factionen, welche damals
die ſo leicht in Eiferſucht und Hader zu ſetzende Kuͤnſtlerwelt
theilten, vereinigten ſich, Julius II. dazu zu beſtimmen.
Michel Angelo wuͤnſchte eine wuͤrdige Stelle fuͤr das Grab-
mahl des Papſtes zu haben, das er nach einem umfaſſen-
den Entwurf in aller der Großartigkeit auszufuͤhren ge-
dachte, wie er den Moſes wirklich vollendet hat. Noch
dringender ward Bramante. Er wollte den kuͤhnen Ge-
danken ins Werk ſetzen, ein Nachbild des Pantheon in
ſeiner ganzen Groͤße auf coloſſalen Saͤulen in die Luft zu
erheben. Viele Cardinaͤle widerſprachen: es ſcheint, als
haͤtte ſich auch eine allgemeinere Mißbilligung gezeigt; es
knuͤpft ſich ſo viel perſoͤnliche Neigung an jede alte Kirche,
unendlich viel mehr an dieß oberſte Heiligthum der Chriſten-
heit 1). Allein Julius II. war nicht gewohnt auf Wider-
ſpruch zu achten. Ohne weitere Ruͤckſicht ließ er die Haͤlfte
der alten Kirche niederreißen; er legte ſelber den Grund-
ſtein zu der neuen.

So erhoben ſich in dem Mittelpunkt des chriſtlichen
Cultus die Formen wieder, in denen ſich der Geiſt der an-

1) Aus dem ungedruckten Werke des Panvinius de rebus an-
tiquis memorabilibus et de praestantia basilicae S. Petri Apo-
stolorum Principis etc.
theilt Fea notizie intorno Rafaele p. 41
folgende Stelle mit: Qua in re (in der Abſicht des Neubaues) ad-
versos pene habuit cunctorum ordinum homines et praesertim
cardinales non quod novam non cuperent basilicam magnificen-
tissimam extrui, sed quia antiquam toto terrarum orbe venera-
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[68/0094] Kap. II. Die Kirche im Anf. des 16. Jahrh. derzureißen, und an ihrer Stelle einen Tempel nach den Maaßen des Alterthums zu errichten. Es war ein rein kuͤnſtleriſches Beſtreben. Beide Factionen, welche damals die ſo leicht in Eiferſucht und Hader zu ſetzende Kuͤnſtlerwelt theilten, vereinigten ſich, Julius II. dazu zu beſtimmen. Michel Angelo wuͤnſchte eine wuͤrdige Stelle fuͤr das Grab- mahl des Papſtes zu haben, das er nach einem umfaſſen- den Entwurf in aller der Großartigkeit auszufuͤhren ge- dachte, wie er den Moſes wirklich vollendet hat. Noch dringender ward Bramante. Er wollte den kuͤhnen Ge- danken ins Werk ſetzen, ein Nachbild des Pantheon in ſeiner ganzen Groͤße auf coloſſalen Saͤulen in die Luft zu erheben. Viele Cardinaͤle widerſprachen: es ſcheint, als haͤtte ſich auch eine allgemeinere Mißbilligung gezeigt; es knuͤpft ſich ſo viel perſoͤnliche Neigung an jede alte Kirche, unendlich viel mehr an dieß oberſte Heiligthum der Chriſten- heit 1). Allein Julius II. war nicht gewohnt auf Wider- ſpruch zu achten. Ohne weitere Ruͤckſicht ließ er die Haͤlfte der alten Kirche niederreißen; er legte ſelber den Grund- ſtein zu der neuen. So erhoben ſich in dem Mittelpunkt des chriſtlichen Cultus die Formen wieder, in denen ſich der Geiſt der an- 1) Aus dem ungedruckten Werke des Panvinius de rebus an- tiquis memorabilibus et de praestantia basilicae S. Petri Apo- stolorum Principis etc. theilt Fea notizie intorno Rafaele p. 41 folgende Stelle mit: Qua in re (in der Abſicht des Neubaues) ad- versos pene habuit cunctorum ordinum homines et praesertim cardinales non quod novam non cuperent basilicam magnificen- tissimam extrui, sed quia antiquam toto terrarum orbe venera- bilem tot sanctorum sepulcris angustissimam, tot celeberrimis in ea gestis insignem funditus deleri ingemiscant.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/94>, abgerufen am 04.12.2024.