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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Erweiterung des Kirchenstaates.
weiseste Mann von Italien betrachtet ward. Er war da-
bei wohl auch selbst betheiligt; er hatte seine Tochter mit
dem Sohne des Papstes verheirathet; aber niemals hätte
er sich so freimüthig und rücksichtslos ausdrücken können,
wäre diese Ansicht nicht in der höheren Welt die unzwei-
felhaft gültige und verbreitete gewesen.

Es hat einen inneren Zusammenhang, daß zur nehm-
lichen Zeit die europäischen Staaten dem Papste einen Theil
seiner Befugnisse entwanden, und dieser selbst sich in lau-
ter weltlichen Tendenzen zu bewegen anfing. Er fühlte sich
zunächst als italienischer Fürst.

Es war noch nicht so lange, daß die Florentiner ihre
Nachbarn überwunden, und das Haus Medici seine Ge-
walt über beide gegründet hatte; die Macht der Sforza in
Mailand, des Hauses Aragon in Neapel, der Venezianer
in der Lombardei waren alle bei Menschengedenken erwor-
ben und befestigt; sollte nicht auch ein Papst der Hoffnung
Raum geben, in den Gebieten, welche als das Erbgut der
Kirche betrachtet wurden, aber unter einer Anzahl unab-
hängiger Stadtoberhäupter standen, eine größere eigene
Herrschaft zu gründen?

Zuerst mit selbstbewußter Absicht und nachwirkendem
Erfolg schlug Papst Sixtus IV. diese Richtung ein; auf
das gewaltigste und mit ungemeinem Glück verfolgte sie
Alexander VI.; Julius II. gab ihr eine unerwartete, die
bleibende Wendung.

Sixtus IV. faßte den Plan, in den schönen und rei-
chen Ebenen der Romagna für seinen Neffen Girolamo
Riario ein Fürstenthum zu gründen. Schon stritten die

Erweiterung des Kirchenſtaates.
weiſeſte Mann von Italien betrachtet ward. Er war da-
bei wohl auch ſelbſt betheiligt; er hatte ſeine Tochter mit
dem Sohne des Papſtes verheirathet; aber niemals haͤtte
er ſich ſo freimuͤthig und ruͤckſichtslos ausdruͤcken koͤnnen,
waͤre dieſe Anſicht nicht in der hoͤheren Welt die unzwei-
felhaft guͤltige und verbreitete geweſen.

Es hat einen inneren Zuſammenhang, daß zur nehm-
lichen Zeit die europaͤiſchen Staaten dem Papſte einen Theil
ſeiner Befugniſſe entwanden, und dieſer ſelbſt ſich in lau-
ter weltlichen Tendenzen zu bewegen anfing. Er fuͤhlte ſich
zunaͤchſt als italieniſcher Fuͤrſt.

Es war noch nicht ſo lange, daß die Florentiner ihre
Nachbarn uͤberwunden, und das Haus Medici ſeine Ge-
walt uͤber beide gegruͤndet hatte; die Macht der Sforza in
Mailand, des Hauſes Aragon in Neapel, der Venezianer
in der Lombardei waren alle bei Menſchengedenken erwor-
ben und befeſtigt; ſollte nicht auch ein Papſt der Hoffnung
Raum geben, in den Gebieten, welche als das Erbgut der
Kirche betrachtet wurden, aber unter einer Anzahl unab-
haͤngiger Stadtoberhaͤupter ſtanden, eine groͤßere eigene
Herrſchaft zu gruͤnden?

Zuerſt mit ſelbſtbewußter Abſicht und nachwirkendem
Erfolg ſchlug Papſt Sixtus IV. dieſe Richtung ein; auf
das gewaltigſte und mit ungemeinem Gluͤck verfolgte ſie
Alexander VI.; Julius II. gab ihr eine unerwartete, die
bleibende Wendung.

Sixtus IV. faßte den Plan, in den ſchoͤnen und rei-
chen Ebenen der Romagna fuͤr ſeinen Neffen Girolamo
Riario ein Fuͤrſtenthum zu gruͤnden. Schon ſtritten die

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[45/0071] Erweiterung des Kirchenſtaates. weiſeſte Mann von Italien betrachtet ward. Er war da- bei wohl auch ſelbſt betheiligt; er hatte ſeine Tochter mit dem Sohne des Papſtes verheirathet; aber niemals haͤtte er ſich ſo freimuͤthig und ruͤckſichtslos ausdruͤcken koͤnnen, waͤre dieſe Anſicht nicht in der hoͤheren Welt die unzwei- felhaft guͤltige und verbreitete geweſen. Es hat einen inneren Zuſammenhang, daß zur nehm- lichen Zeit die europaͤiſchen Staaten dem Papſte einen Theil ſeiner Befugniſſe entwanden, und dieſer ſelbſt ſich in lau- ter weltlichen Tendenzen zu bewegen anfing. Er fuͤhlte ſich zunaͤchſt als italieniſcher Fuͤrſt. Es war noch nicht ſo lange, daß die Florentiner ihre Nachbarn uͤberwunden, und das Haus Medici ſeine Ge- walt uͤber beide gegruͤndet hatte; die Macht der Sforza in Mailand, des Hauſes Aragon in Neapel, der Venezianer in der Lombardei waren alle bei Menſchengedenken erwor- ben und befeſtigt; ſollte nicht auch ein Papſt der Hoffnung Raum geben, in den Gebieten, welche als das Erbgut der Kirche betrachtet wurden, aber unter einer Anzahl unab- haͤngiger Stadtoberhaͤupter ſtanden, eine groͤßere eigene Herrſchaft zu gruͤnden? Zuerſt mit ſelbſtbewußter Abſicht und nachwirkendem Erfolg ſchlug Papſt Sixtus IV. dieſe Richtung ein; auf das gewaltigſte und mit ungemeinem Gluͤck verfolgte ſie Alexander VI.; Julius II. gab ihr eine unerwartete, die bleibende Wendung. Sixtus IV. faßte den Plan, in den ſchoͤnen und rei- chen Ebenen der Romagna fuͤr ſeinen Neffen Girolamo Riario ein Fuͤrſtenthum zu gruͤnden. Schon ſtritten die

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/71>, abgerufen am 24.11.2024.