Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Gegensätze des 14ten u. 15ten Jahrh.
sich von des apostolischen Stuhles Gnaden schrieben 1);
in dem Norden ward der Peterspfennig fortwährend ein-
gesammelt; unzählige Pilger aus allen Ländern suchten bei
dem Jubiläum von 1450 die Schwellen der Apostel auf;
mit Bienenschwärmen, Zugvögelschaaren vergleicht sie ein
Augenzeuge, wie sie so kamen; doch hatten trotz alle dem
die alten Verhältnisse lange nicht mehr Statt.

Wollte man sich davon überzeugen, so brauchte man
sich nur den früheren Eifer, nach dem heiligen Grabe zu
ziehen, ins Gedächtniß zu rufen und die Kälte dagegen zu
halten, mit der in dem funfzehnten Jahrhundert jede Auf-
forderung zu einem gemeinschaftlichen Widerstand gegen die
Türken aufgenommen wurde. Wie viel dringender war es,
die eigenen Landschaften gegen eine Gefahr, die sich unauf-
haltsam unzweifelhaft heranwälzte, in Schutz zu nehmen,
als das heilige Grab in christlichen Händen zu wissen.
Ihre beste Beredsamkeit wandten Aeneas Sylvius auf dem
Reichstage, der Minorit Capistrano auf den Märkten der
Städte bei dem Volke an; und man rühmt, welchen Ein-
druck sie hervorgebracht; aber wir finden nicht, daß Je-
mand darum zu den Waffen gegriffen hätte. Welche
Mühe gaben sich nicht die Päpste! Der eine rüstete eine
Flotte aus, der andre, Pius II., eben jener Aeneas Syl-
vius, erhob sich, so schwach und krank er auch war, sel-
ber zu dem Hafen, wo, wenn kein Anderer, doch die Zunächst-
gefährdeten sich vereinigen sollten; er wollte dabei seyn,
um wie er sagte, was er allein vermöge, während des

1) Costniz, Schwerin, Fünfkirchen. Schröckh Kirchengeschichte
Bd. 33, p. 60.

Gegenſaͤtze des 14ten u. 15ten Jahrh.
ſich von des apoſtoliſchen Stuhles Gnaden ſchrieben 1);
in dem Norden ward der Peterspfennig fortwaͤhrend ein-
geſammelt; unzaͤhlige Pilger aus allen Laͤndern ſuchten bei
dem Jubilaͤum von 1450 die Schwellen der Apoſtel auf;
mit Bienenſchwaͤrmen, Zugvoͤgelſchaaren vergleicht ſie ein
Augenzeuge, wie ſie ſo kamen; doch hatten trotz alle dem
die alten Verhaͤltniſſe lange nicht mehr Statt.

Wollte man ſich davon uͤberzeugen, ſo brauchte man
ſich nur den fruͤheren Eifer, nach dem heiligen Grabe zu
ziehen, ins Gedaͤchtniß zu rufen und die Kaͤlte dagegen zu
halten, mit der in dem funfzehnten Jahrhundert jede Auf-
forderung zu einem gemeinſchaftlichen Widerſtand gegen die
Tuͤrken aufgenommen wurde. Wie viel dringender war es,
die eigenen Landſchaften gegen eine Gefahr, die ſich unauf-
haltſam unzweifelhaft heranwaͤlzte, in Schutz zu nehmen,
als das heilige Grab in chriſtlichen Haͤnden zu wiſſen.
Ihre beſte Beredſamkeit wandten Aeneas Sylvius auf dem
Reichstage, der Minorit Capiſtrano auf den Maͤrkten der
Staͤdte bei dem Volke an; und man ruͤhmt, welchen Ein-
druck ſie hervorgebracht; aber wir finden nicht, daß Je-
mand darum zu den Waffen gegriffen haͤtte. Welche
Muͤhe gaben ſich nicht die Paͤpſte! Der eine ruͤſtete eine
Flotte aus, der andre, Pius II., eben jener Aeneas Syl-
vius, erhob ſich, ſo ſchwach und krank er auch war, ſel-
ber zu dem Hafen, wo, wenn kein Anderer, doch die Zunaͤchſt-
gefaͤhrdeten ſich vereinigen ſollten; er wollte dabei ſeyn,
um wie er ſagte, was er allein vermoͤge, waͤhrend des

1) Coſtniz, Schwerin, Fuͤnfkirchen. Schroͤckh Kirchengeſchichte
Bd. 33, p. 60.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0063" n="37"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Gegen&#x017F;a&#x0364;tze des 14ten u. 15ten Jahrh</hi>.</fw><lb/>
&#x017F;ich von des apo&#x017F;toli&#x017F;chen Stuhles Gnaden &#x017F;chrieben <note place="foot" n="1)">Co&#x017F;tniz, Schwerin, Fu&#x0364;nfkirchen. Schro&#x0364;ckh Kirchenge&#x017F;chichte<lb/>
Bd. 33, <hi rendition="#aq">p.</hi> 60.</note>;<lb/>
in dem Norden ward der Peterspfennig fortwa&#x0364;hrend ein-<lb/>
ge&#x017F;ammelt; unza&#x0364;hlige Pilger aus allen La&#x0364;ndern &#x017F;uchten bei<lb/>
dem Jubila&#x0364;um von 1450 die Schwellen der Apo&#x017F;tel auf;<lb/>
mit Bienen&#x017F;chwa&#x0364;rmen, Zugvo&#x0364;gel&#x017F;chaaren vergleicht &#x017F;ie ein<lb/>
Augenzeuge, wie &#x017F;ie &#x017F;o kamen; doch hatten trotz alle dem<lb/>
die alten Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e lange nicht mehr Statt.</p><lb/>
            <p>Wollte man &#x017F;ich davon u&#x0364;berzeugen, &#x017F;o brauchte man<lb/>
&#x017F;ich nur den fru&#x0364;heren Eifer, nach dem heiligen Grabe zu<lb/>
ziehen, ins Geda&#x0364;chtniß zu rufen und die Ka&#x0364;lte dagegen zu<lb/>
halten, mit der in dem funfzehnten Jahrhundert jede Auf-<lb/>
forderung zu einem gemein&#x017F;chaftlichen Wider&#x017F;tand gegen die<lb/>
Tu&#x0364;rken aufgenommen wurde. Wie viel dringender war es,<lb/>
die eigenen Land&#x017F;chaften gegen eine Gefahr, die &#x017F;ich unauf-<lb/>
halt&#x017F;am unzweifelhaft heranwa&#x0364;lzte, in Schutz zu nehmen,<lb/>
als das heilige Grab in chri&#x017F;tlichen Ha&#x0364;nden zu wi&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Ihre be&#x017F;te Bered&#x017F;amkeit wandten Aeneas Sylvius auf dem<lb/>
Reichstage, der Minorit Capi&#x017F;trano auf den Ma&#x0364;rkten der<lb/>
Sta&#x0364;dte bei dem Volke an; und man ru&#x0364;hmt, welchen Ein-<lb/>
druck &#x017F;ie hervorgebracht; aber wir finden nicht, daß Je-<lb/>
mand darum zu den Waffen gegriffen ha&#x0364;tte. Welche<lb/>
Mu&#x0364;he gaben &#x017F;ich nicht die Pa&#x0364;p&#x017F;te! Der eine ru&#x0364;&#x017F;tete eine<lb/>
Flotte aus, der andre, Pius <hi rendition="#aq">II.</hi>, eben jener Aeneas Syl-<lb/>
vius, erhob &#x017F;ich, &#x017F;o &#x017F;chwach und krank er auch war, &#x017F;el-<lb/>
ber zu dem Hafen, wo, wenn kein Anderer, doch die Zuna&#x0364;ch&#x017F;t-<lb/>
gefa&#x0364;hrdeten &#x017F;ich vereinigen &#x017F;ollten; er wollte dabei &#x017F;eyn,<lb/>
um wie er &#x017F;agte, was er allein vermo&#x0364;ge, wa&#x0364;hrend des<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0063] Gegenſaͤtze des 14ten u. 15ten Jahrh. ſich von des apoſtoliſchen Stuhles Gnaden ſchrieben 1); in dem Norden ward der Peterspfennig fortwaͤhrend ein- geſammelt; unzaͤhlige Pilger aus allen Laͤndern ſuchten bei dem Jubilaͤum von 1450 die Schwellen der Apoſtel auf; mit Bienenſchwaͤrmen, Zugvoͤgelſchaaren vergleicht ſie ein Augenzeuge, wie ſie ſo kamen; doch hatten trotz alle dem die alten Verhaͤltniſſe lange nicht mehr Statt. Wollte man ſich davon uͤberzeugen, ſo brauchte man ſich nur den fruͤheren Eifer, nach dem heiligen Grabe zu ziehen, ins Gedaͤchtniß zu rufen und die Kaͤlte dagegen zu halten, mit der in dem funfzehnten Jahrhundert jede Auf- forderung zu einem gemeinſchaftlichen Widerſtand gegen die Tuͤrken aufgenommen wurde. Wie viel dringender war es, die eigenen Landſchaften gegen eine Gefahr, die ſich unauf- haltſam unzweifelhaft heranwaͤlzte, in Schutz zu nehmen, als das heilige Grab in chriſtlichen Haͤnden zu wiſſen. Ihre beſte Beredſamkeit wandten Aeneas Sylvius auf dem Reichstage, der Minorit Capiſtrano auf den Maͤrkten der Staͤdte bei dem Volke an; und man ruͤhmt, welchen Ein- druck ſie hervorgebracht; aber wir finden nicht, daß Je- mand darum zu den Waffen gegriffen haͤtte. Welche Muͤhe gaben ſich nicht die Paͤpſte! Der eine ruͤſtete eine Flotte aus, der andre, Pius II., eben jener Aeneas Syl- vius, erhob ſich, ſo ſchwach und krank er auch war, ſel- ber zu dem Hafen, wo, wenn kein Anderer, doch die Zunaͤchſt- gefaͤhrdeten ſich vereinigen ſollten; er wollte dabei ſeyn, um wie er ſagte, was er allein vermoͤge, waͤhrend des 1) Coſtniz, Schwerin, Fuͤnfkirchen. Schroͤckh Kirchengeſchichte Bd. 33, p. 60.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/63
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/63>, abgerufen am 04.12.2024.