unserer Gewalt sind: sie fliegen, Niemand weiß, wohin: sondern auch, weil die wenigsten einen scharfen Untersucher lieben. Von seinen Kenntnissen macht man einen gemä- ßigten Gebrauch, und hütet sich, Jemand damit beschwer- lich zu fallen. Man vermeidet eine schlimme Neuigkeit zu bringen; ein Theil des ungünstigen Eindrucks fällt auf den Ueberbringer zurück. Hierbei hat man nur andrerseits die Schwierigkeit, nicht so viel zu schweigen, daß die Absicht bemerkt wird.
Von diesen Pflichten befreit es nicht, daß man höher steigt, selbst nicht, daß man Cardinal geworden ist: man hat sie dann in seinem Kreis nur um so sorgfältiger zu beob- achten. Wie dürfte man verrathen, daß man Einen aus dem Collegium für minder würdig hielte, zu dem Papst- thum zu gelangen? Es war Keiner so gering, daß ihn die Wahl nicht hätte treffen können.
Vor allem kommt es dem Cardinal auf die Gunst des jedesmaligen Papstes an. Glück und Ansehn, die allge- meine Beflissenheit und Dienstwilligkeit hängt davon ab. Jedoch nur mit großer Vorsicht darf man sie suchen. Ueber die persönlichen Interessen eines Papstes beobachtet man ein tiefes Stillschweigen, doch spart man indeß keine Mühe, um sie zu ergründen und sich insgeheim darnach zu richten. Nur seine Nepoten, ihre Treue und ihr Talent darf man ihm jezuweilen loben: dieß hört er in der Regel gern. Um die Geheimnisse des päpstlichen Hauses zu er- fahren, bedient man sich der Mönche, die unter dem Vor- wand der Religion weiter vordringen, als sich Jemand einbildet.
Bei
BuchIV.Staat und Hof.
unſerer Gewalt ſind: ſie fliegen, Niemand weiß, wohin: ſondern auch, weil die wenigſten einen ſcharfen Unterſucher lieben. Von ſeinen Kenntniſſen macht man einen gemaͤ- ßigten Gebrauch, und huͤtet ſich, Jemand damit beſchwer- lich zu fallen. Man vermeidet eine ſchlimme Neuigkeit zu bringen; ein Theil des unguͤnſtigen Eindrucks faͤllt auf den Ueberbringer zuruͤck. Hierbei hat man nur andrerſeits die Schwierigkeit, nicht ſo viel zu ſchweigen, daß die Abſicht bemerkt wird.
Von dieſen Pflichten befreit es nicht, daß man hoͤher ſteigt, ſelbſt nicht, daß man Cardinal geworden iſt: man hat ſie dann in ſeinem Kreis nur um ſo ſorgfaͤltiger zu beob- achten. Wie duͤrfte man verrathen, daß man Einen aus dem Collegium fuͤr minder wuͤrdig hielte, zu dem Papſt- thum zu gelangen? Es war Keiner ſo gering, daß ihn die Wahl nicht haͤtte treffen koͤnnen.
Vor allem kommt es dem Cardinal auf die Gunſt des jedesmaligen Papſtes an. Gluͤck und Anſehn, die allge- meine Befliſſenheit und Dienſtwilligkeit haͤngt davon ab. Jedoch nur mit großer Vorſicht darf man ſie ſuchen. Ueber die perſoͤnlichen Intereſſen eines Papſtes beobachtet man ein tiefes Stillſchweigen, doch ſpart man indeß keine Muͤhe, um ſie zu ergruͤnden und ſich insgeheim darnach zu richten. Nur ſeine Nepoten, ihre Treue und ihr Talent darf man ihm jezuweilen loben: dieß hoͤrt er in der Regel gern. Um die Geheimniſſe des paͤpſtlichen Hauſes zu er- fahren, bedient man ſich der Moͤnche, die unter dem Vor- wand der Religion weiter vordringen, als ſich Jemand einbildet.
Bei
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0538"n="512"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Buch</hi><hirendition="#aq">IV.</hi><hirendition="#g">Staat und Hof</hi>.</fw><lb/>
unſerer Gewalt ſind: ſie fliegen, Niemand weiß, wohin:<lb/>ſondern auch, weil die wenigſten einen ſcharfen Unterſucher<lb/>
lieben. Von ſeinen Kenntniſſen macht man einen gemaͤ-<lb/>
ßigten Gebrauch, und huͤtet ſich, Jemand damit beſchwer-<lb/>
lich zu fallen. Man vermeidet eine ſchlimme Neuigkeit zu<lb/>
bringen; ein Theil des unguͤnſtigen Eindrucks faͤllt auf den<lb/>
Ueberbringer zuruͤck. Hierbei hat man nur andrerſeits die<lb/>
Schwierigkeit, nicht ſo viel zu ſchweigen, daß die Abſicht<lb/>
bemerkt wird.</p><lb/><p>Von dieſen Pflichten befreit es nicht, daß man hoͤher<lb/>ſteigt, ſelbſt nicht, daß man Cardinal geworden iſt: man hat<lb/>ſie dann in ſeinem Kreis nur um ſo ſorgfaͤltiger zu beob-<lb/>
achten. Wie duͤrfte man verrathen, daß man Einen aus<lb/>
dem Collegium fuͤr minder wuͤrdig hielte, zu dem Papſt-<lb/>
thum zu gelangen? Es war Keiner ſo gering, daß ihn<lb/>
die Wahl nicht haͤtte treffen koͤnnen.</p><lb/><p>Vor allem kommt es dem Cardinal auf die Gunſt des<lb/>
jedesmaligen Papſtes an. Gluͤck und Anſehn, die allge-<lb/>
meine Befliſſenheit und Dienſtwilligkeit haͤngt davon ab.<lb/>
Jedoch nur mit großer Vorſicht darf man ſie ſuchen.<lb/>
Ueber die perſoͤnlichen Intereſſen eines Papſtes beobachtet<lb/>
man ein tiefes Stillſchweigen, doch ſpart man indeß keine<lb/>
Muͤhe, um ſie zu ergruͤnden und ſich insgeheim darnach zu<lb/>
richten. Nur ſeine Nepoten, ihre Treue und ihr Talent<lb/>
darf man ihm jezuweilen loben: dieß hoͤrt er in der Regel<lb/>
gern. Um die Geheimniſſe des paͤpſtlichen Hauſes zu er-<lb/>
fahren, bedient man ſich der Moͤnche, die unter dem Vor-<lb/>
wand der Religion weiter vordringen, als ſich Jemand<lb/>
einbildet.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Bei</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[512/0538]
Buch IV. Staat und Hof.
unſerer Gewalt ſind: ſie fliegen, Niemand weiß, wohin:
ſondern auch, weil die wenigſten einen ſcharfen Unterſucher
lieben. Von ſeinen Kenntniſſen macht man einen gemaͤ-
ßigten Gebrauch, und huͤtet ſich, Jemand damit beſchwer-
lich zu fallen. Man vermeidet eine ſchlimme Neuigkeit zu
bringen; ein Theil des unguͤnſtigen Eindrucks faͤllt auf den
Ueberbringer zuruͤck. Hierbei hat man nur andrerſeits die
Schwierigkeit, nicht ſo viel zu ſchweigen, daß die Abſicht
bemerkt wird.
Von dieſen Pflichten befreit es nicht, daß man hoͤher
ſteigt, ſelbſt nicht, daß man Cardinal geworden iſt: man hat
ſie dann in ſeinem Kreis nur um ſo ſorgfaͤltiger zu beob-
achten. Wie duͤrfte man verrathen, daß man Einen aus
dem Collegium fuͤr minder wuͤrdig hielte, zu dem Papſt-
thum zu gelangen? Es war Keiner ſo gering, daß ihn
die Wahl nicht haͤtte treffen koͤnnen.
Vor allem kommt es dem Cardinal auf die Gunſt des
jedesmaligen Papſtes an. Gluͤck und Anſehn, die allge-
meine Befliſſenheit und Dienſtwilligkeit haͤngt davon ab.
Jedoch nur mit großer Vorſicht darf man ſie ſuchen.
Ueber die perſoͤnlichen Intereſſen eines Papſtes beobachtet
man ein tiefes Stillſchweigen, doch ſpart man indeß keine
Muͤhe, um ſie zu ergruͤnden und ſich insgeheim darnach zu
richten. Nur ſeine Nepoten, ihre Treue und ihr Talent
darf man ihm jezuweilen loben: dieß hoͤrt er in der Regel
gern. Um die Geheimniſſe des paͤpſtlichen Hauſes zu er-
fahren, bedient man ſich der Moͤnche, die unter dem Vor-
wand der Religion weiter vordringen, als ſich Jemand
einbildet.
Bei
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/538>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.