ohne Begeisterung? Es ist als ob die Natur Ton und Stimme bekäme, als ob die Elemente sprächen, und die Laute des allgemeinen Lebens sich in freier Harmonie der Anbetung widmeten: bald wogend wie das Meer, bald in jauchzendem Jubel aufsteigend gen Himmel. In dem All- gefühl der Dinge wird die Seele zu religiösem Entzücken emporgehoben.
Grade diese Kunst, die sich von der Kirche vielleicht am weitesten entfernt hatte, schloß sich nun am engsten an sie an. Nichts konnte für den Katholicismus wichtiger seyn. Hatte er doch selbst in das Dogma, wenn wir nicht irren, innere Anschauung und etwas Schwärmerisches auf- genommen. In den wirksamsten Büchern der Buße und Erbauung bildete es einen Grundton. Geistliche Senti- mentalität und Hingerissenheit war der vorzüglichste Ge- genstand der Poesie und Malerei. Unmittelbarer, dringen- der, unwiderstehlicher als jede Unterweisung und jede an- dere Kunst, in dem Reiche eines idealen Ausdrucks auch zugleich reiner, angemessener, stellte dieß die Musik dar und umfing damit die Gemüther.
Die Curie.
Waren auf diese Weise alle Elemente des Lebens und des Geistes von der kirchlichen Richtung ergriffen und um- gewandelt, so war auch der Hof zu Rom, an dem sie alle mit einander zusammentrafen, sehr verändert.
32*
Die Curie.
ohne Begeiſterung? Es iſt als ob die Natur Ton und Stimme bekaͤme, als ob die Elemente ſpraͤchen, und die Laute des allgemeinen Lebens ſich in freier Harmonie der Anbetung widmeten: bald wogend wie das Meer, bald in jauchzendem Jubel aufſteigend gen Himmel. In dem All- gefuͤhl der Dinge wird die Seele zu religioͤſem Entzuͤcken emporgehoben.
Grade dieſe Kunſt, die ſich von der Kirche vielleicht am weiteſten entfernt hatte, ſchloß ſich nun am engſten an ſie an. Nichts konnte fuͤr den Katholicismus wichtiger ſeyn. Hatte er doch ſelbſt in das Dogma, wenn wir nicht irren, innere Anſchauung und etwas Schwaͤrmeriſches auf- genommen. In den wirkſamſten Buͤchern der Buße und Erbauung bildete es einen Grundton. Geiſtliche Senti- mentalitaͤt und Hingeriſſenheit war der vorzuͤglichſte Ge- genſtand der Poeſie und Malerei. Unmittelbarer, dringen- der, unwiderſtehlicher als jede Unterweiſung und jede an- dere Kunſt, in dem Reiche eines idealen Ausdrucks auch zugleich reiner, angemeſſener, ſtellte dieß die Muſik dar und umfing damit die Gemuͤther.
Die Curie.
Waren auf dieſe Weiſe alle Elemente des Lebens und des Geiſtes von der kirchlichen Richtung ergriffen und um- gewandelt, ſo war auch der Hof zu Rom, an dem ſie alle mit einander zuſammentrafen, ſehr veraͤndert.
32*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0525"n="499"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Die Curie</hi>.</fw><lb/>
ohne Begeiſterung? Es iſt als ob die Natur Ton und<lb/>
Stimme bekaͤme, als ob die Elemente ſpraͤchen, und die<lb/>
Laute des allgemeinen Lebens ſich in freier Harmonie der<lb/>
Anbetung widmeten: bald wogend wie das Meer, bald in<lb/>
jauchzendem Jubel aufſteigend gen Himmel. In dem All-<lb/>
gefuͤhl der Dinge wird die Seele zu religioͤſem Entzuͤcken<lb/>
emporgehoben.</p><lb/><p>Grade dieſe Kunſt, die ſich von der Kirche vielleicht<lb/>
am weiteſten entfernt hatte, ſchloß ſich nun am engſten an<lb/>ſie an. Nichts konnte fuͤr den Katholicismus wichtiger<lb/>ſeyn. Hatte er doch ſelbſt in das Dogma, wenn wir nicht<lb/>
irren, innere Anſchauung und etwas Schwaͤrmeriſches auf-<lb/>
genommen. In den wirkſamſten Buͤchern der Buße und<lb/>
Erbauung bildete es einen Grundton. Geiſtliche Senti-<lb/>
mentalitaͤt und Hingeriſſenheit war der vorzuͤglichſte Ge-<lb/>
genſtand der Poeſie und Malerei. Unmittelbarer, dringen-<lb/>
der, unwiderſtehlicher als jede Unterweiſung und jede an-<lb/>
dere Kunſt, in dem Reiche eines idealen Ausdrucks auch<lb/>
zugleich reiner, angemeſſener, ſtellte dieß die Muſik dar<lb/>
und umfing damit die Gemuͤther.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>Die Curie.</head><lb/><p>Waren auf dieſe Weiſe alle Elemente des Lebens und<lb/>
des Geiſtes von der kirchlichen Richtung ergriffen und um-<lb/>
gewandelt, ſo war auch der Hof zu Rom, an dem ſie alle<lb/>
mit einander zuſammentrafen, ſehr veraͤndert.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">32*</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[499/0525]
Die Curie.
ohne Begeiſterung? Es iſt als ob die Natur Ton und
Stimme bekaͤme, als ob die Elemente ſpraͤchen, und die
Laute des allgemeinen Lebens ſich in freier Harmonie der
Anbetung widmeten: bald wogend wie das Meer, bald in
jauchzendem Jubel aufſteigend gen Himmel. In dem All-
gefuͤhl der Dinge wird die Seele zu religioͤſem Entzuͤcken
emporgehoben.
Grade dieſe Kunſt, die ſich von der Kirche vielleicht
am weiteſten entfernt hatte, ſchloß ſich nun am engſten an
ſie an. Nichts konnte fuͤr den Katholicismus wichtiger
ſeyn. Hatte er doch ſelbſt in das Dogma, wenn wir nicht
irren, innere Anſchauung und etwas Schwaͤrmeriſches auf-
genommen. In den wirkſamſten Buͤchern der Buße und
Erbauung bildete es einen Grundton. Geiſtliche Senti-
mentalitaͤt und Hingeriſſenheit war der vorzuͤglichſte Ge-
genſtand der Poeſie und Malerei. Unmittelbarer, dringen-
der, unwiderſtehlicher als jede Unterweiſung und jede an-
dere Kunſt, in dem Reiche eines idealen Ausdrucks auch
zugleich reiner, angemeſſener, ſtellte dieß die Muſik dar
und umfing damit die Gemuͤther.
Die Curie.
Waren auf dieſe Weiſe alle Elemente des Lebens und
des Geiſtes von der kirchlichen Richtung ergriffen und um-
gewandelt, ſo war auch der Hof zu Rom, an dem ſie alle
mit einander zuſammentrafen, ſehr veraͤndert.
32*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 499. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/525>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.